Oberveischede/Olpe. Der Oberveischeder Georg Sangermann eröffnet seine siebte Filiale im Kreis Olpe – das ist sein ganz persönliches Erfolgsrezept.
Seit 175 Jahren ist Sangermanns Backes eine feste Institution im Kreis Olpe – aus einer kleinen Bäckerei in Attendorn ist über die Jahre unter der Führung von Georg Sangermann ein großer regionaler Betrieb mit sechs Filialen geworden. Schon in wenigen Monaten eröffnet der 58-Jährige im Olper Stadtzentrum sogar eine weitere Backstube – ohne seine bedingungslose Liebe zu seinem Beruf als Bäckermeister wäre all das undenkbar gewesen – für die Zukunft hofft er, den Familienbetrieb in sichere Hände geben zu können.
Beruf wird in die Wiege gelegt
Dem gebürtigen Attendorner wurde der Beruf des Bäckermeisters in die Wiege gelegt. Als kleiner Junge verbringt er gemeinsam mit seinen drei Geschwistern seine Freizeit fast ausschließlich in der hauseigenen Backstube in Oberveischede und unterstützt den Familienbetrieb, wo er nur kann. „Ich bin als Kind hier reingewachsen. Hier bist du in der Backstube aufgewachsen und wurdest in alles eingebunden“, berichtet er aus seiner Kindheit. Während seine Geschwister einen anderen beruflichen Weg einschlagen, bleibt Georg Sangermann auch nach seinem erfolgreichen Abitur der Familienbäckerei treu – zu viel Spaß macht ihm die Fertigung von frischem Brot und Brötchen und eigenen Backkreationen: „Hier kann man einfach kreativ sein und die eigenen Ideen verwirklichen. Am Ende steht immer das Endprodukt, was man geschafft hat“, schwärmt der 58-Jährige noch heute von seinem Job.
Vor allem in der traditionellen Brot- und Brötchenherstellung, die er bereits in Kindheitstagen erlernt hat, fühlt sich der Geschäftsführer wohl: „Wenn ein frisches Brot aus dem Backofen kommt – das ist fast schon ein erotisches Erlebnis. Die Arbeit mit frischem Sauerteigboden ist schon mein Steckenpferd.“
Viele Veränderungen im Beruf
Über die Jahre habe sich in seinem Berufsfeld so einiges verändert – vor allem das Kaufverhalten der Menschen sei mit den 1990er-Jahren überhaupt nicht mehr vergleichbar. „Das Bäckerhandwerk ist immer im Wandel. Früher ging keiner frühstücken, da kamen die Mütter, die zuhause waren, morgens zum Brötchen holen und nachmittags noch einmal für ein Teilchen oder Kuchen.“ Und weiter: „Heute wollen die Leute schon am Morgen tausend belegte Brötchen, Snacks, Kaffee oder Kuchen. Es geht alles immer mehr in Richtung Gastronomie“, betont der Oberveischeder. Um den Kundenwünschen gerecht zu werden, hat sich Sangermann die neuste Technik in die Backstube geholt. Neue Kühlungssysteme und automatisierte Öfen erleichtern die tägliche Produktion. Während sich vieles im Arbeitsumfeld verändert, setzt Georg Sangermann auf ein altes Erfolgsrezept: „Ich habe eine einfache Philosophie: Brötchen gehören nicht auf die Autobahn“, will er nur kurze Anfahrtswege zwischen seinen Filialen.
In Folge der größeren Vielfalt hat sich aber auch die nächtliche Arbeitszeit weiter nach vorne geschoben. Der Arbeitstag beginnt in der Regel mit der Teigzubereitung, dieser wird dann erst einmal liegen gelassen und am Ende in die Kühlung gegeben. Normale Brote werden direkt hergestellt, aufgearbeitet, in die Form gemacht, ruhen gelassen und in den Ofen gegeben. Die Kühlungssysteme ermöglichen es, Produkte, die eine längere Ruhezeit brauchen, schon am Vortag auf- und vorzubereiten. Damit auch alles pünktlich im Geschäft vor Öffnung landet, arbeitet der gelernte Bäckermeister täglich zwischen 22 und 6 Uhr die Nacht durch.
Arbeitszeiten gewöhnungsbedürftig
Besonders die nächtlichen Arbeitszeiten haben es in sich – auch weil in den Filialen die Arbeit an allen Wochentagen verrichtet werden muss – Ausnahmen gibt es keine. Im Endeffekt bedeutet das, dass der Tagesschlaf zur Mittagszeit vollzogen wird. Das war auch für den jungen Georg Sangermann anfangs sehr herausfordernd: „Der Bäckermeister hat einen völlig anderen Lebensrhythmus“, spricht er über die harte Zeit nach dem Abitur. So sei es auch mal vorgekommen, dass er die eine oder andere Stunde vor der Arbeit zu lange in der Kneipe verbracht hat. Bei seinen Auszubildenden ist das im jungen Alter nicht anders: „Ich bin manchmal der fröhliche Weckdienst der Bäckerei Sangermann“, ist in der Nacht kein Mitarbeiter vor ihm sicher.
Lesen Sie auch:Altes Backes in Milstenau: Ein vergessener Ort ohne Zukunft?
Neben einem umgestellten Bio-Rhythmus müsse ein Bäckermeister grundsätzlich Teamfähigkeiten besitzen – die Lust aufs Backen dürfe auch nicht zu kurz kommen. Sangermann dazu offen und ehrlich: „Wenn man am Beruf keinen Spaß hat, sollte man eher in die Industrie gehen. Es muss hier Mehl durch die Adern fließen.“
Der 58-Jährige hat in der Weiterführung des Familienunternehmens seine Berufung gefunden und in der Führung der bald sieben Filialen auch an der anfallenden Büroarbeit Gefallen gefunden. Trotz der immer weiter ansteigenden Bürokratie kann er sich nichts Schöneres vorstellen, als frühmorgens frische Backwaren aus dem Ofen zu holen. Georg Sangermann kurz und knapp: „Der Beruf ist der Mittelpunkt meines Lebens.“
Lesen Sie auch:175 Jahre Sangermanns Backes – das ist das „Geheimrezept“