Olpe. Katharina Weigel leidet unter dem Aspergersyndrom. Eine Krankheit, die im Alltag Probleme bereitet. Doch die tapfere Frau hat einen Weg gefunden.
Die Diagnose war erleichternd, erlösend. „Irgendwie war ich schon immer anders. Als Kind war mir das nicht unbedingt bewusst. Und ich wusste auch lange nicht, warum ich so bin wie ich bin“, sagt Katharina Weigel. Im Frühjahr dieses Jahres bekam sie nun endlich den Befund: Die 33-Jährige leidet unter dem Asperger-Syndrom, einer Autismus-Spektrum-Störung. „Eine zuverlässige Diagnose von Asperger ist in mehrfacher Hinsicht sehr schwierig. Das Syndrom ist noch nicht richtig erforscht und hat viele Facetten. Und überhaupt muss man erst einmal eine Diagnosestelle finden.“
Fündig wurde Katharina Weigel im Psychologischen Beratungszentrum (PSZ) Iserlohn. „Die bestätigte Diagnose hilft mir, mich selbst zu verstehen“, sagt Katharina Weigel, die sich nun überlegen muss, wie sie mit dieser Information überhaupt umgeht. Tatsache ist, dass eine ursächliche Behandlung nicht existiert und auch überprüfende Standards fehlen. „Asperger wird oft als Depression oder Narzisstische Persönlichkeitsstörung fehldiagnostiziert. Bei mir passte das nie. Ich konnte mich nie damit identifizieren.“
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Wenn Katharina Weigel über ihre Krankheit spricht, dann fallen viele Fremdwörter. Eines davon ist „masking“. Es beschreibt die Strategie, autistische Verhaltensweisen zu unterdrücken, um den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden, also das Spielen einer Rolle, um „normal“ zu wirken. „Das stresst unglaublich. Die Verhaltensweisen sind dann ja gegen meine Natur. Die Folge ist, dass sich meine Krankheit dadurch eher verschlimmert“, so Weigel. Was sie damit meint: Wenn es mehr Aufklärung und Akzeptanz gebe und so mehr Teilhabe an der Gesellschaft möglich wäre, wäre vieles in ihrem eigenen Leben einfacher.
Ein Beispiel: sogenannte „Stille Stunden“ im Supermarkt. Gedämmtes Licht, keine Musik, keine Kassengeräusche und eine Beschränkung auf eine bestimmte Kundenzahl. Tatsächlich gibt es sie schon, wenn auch nicht in unserer Region. „Einkaufen ist für mich ganz schrecklich. Zu laut, zu voll“, so Weigel, die Probleme bei der Verarbeitung von Reizen und eine sensorische Überempfindlichkeit hat. Weitere Symptome ihres Asperger-Syndroms: die Fokussierung auf bestimmte Interessen und Spezialgebiete sowie Schwierigkeiten bei sozialen Interaktionen. „Ich war schon immer eine Einzelgängerin. Es gibt in meinem Leben außer meiner Familie ein, zwei Menschen, zu denen ich einen engen Kontakt habe. Ich würde beispielsweise auch nie auf eine Party gehen. Nicht nur, dass mir da zu viele Menschen sind, ich gerate auch in Konflikt. Mir fehlt das Verständnis für andere Meinungen, dann muss ich diskutieren, weil sie für mich keinen Sinn machen.“
In Corinna Weber (31) hat Katharina Weigel einen Menschen gefunden, der zu ihr passt und der sie im Alltag unterstützt, beispielsweise das Einkaufen übernimmt. Kennengelernt haben sich die beiden über eine Internetplattform, über ein Fußballforum. Vor zwei Jahren sind sie zusammen in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Dazu gehört auch noch die französische Bulldogge Loki. „Sie beruhigt mich“, erzählt Weigel, dass Loki in ihrer Rolle eigentlich eine Art Assistenzhund ist. Nur eben keine anerkannter Assistenzhund, denn die Ausbildung ist teuer und langwierig und überhaupt würde Loki dann der Krankenkasse gehören. „Loki gehört mir und zu mir.“
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Arbeiten kann Katharina Weigel nicht. Dabei hat sie einen Realschulabschluss und eine Ausbildung als Sozialarbeiterin. Aber genau das passt nicht. Was sie besonders gut kann – Stichwort „Spezielle Interessen“: Geschichten und Gedichte schreiben zum Beispiel, denn sie ist sehr wortgewandt. Seit ihrer frühen Kindheit hat sie viel gelesen. „Mathematik ist nicht so mein Ding. Trotz meines IQ von 127 (sehr hohe Intelligenz, Anm. der Red.) habe ich deswegen auch kein Abitur machen können. Dabei würde ich gerne studieren. Insgesamt, so meine ich, könnte die Gesellschaft von dem speziellen Können von Menschen mit Asperger sehr profitieren“ spricht Weigel von dem Dilemma zwischen Ausgrenzung und der Nutzung von Stärken.
Katharina Weigel und Corinna Weber möchten nun eine Selbsthilfegruppe gründen. „ALIVE – Autismus leben, Individualität, Vielfalt, Entwicklung“, so der Name. Unterstützung haben sie bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle des DRK Olpe gefunden. „Wir können unter anderem Fachvorträge organisieren, Seminare veranstalten. Ganz wichtig aber ist der Austausch. Auch um Denkmuster zu durchbrechen. Wir sind nicht komisch, sondern wir sind nur anders“, so Weigel.
Die Selbsthilfegruppe „ALIVE - Autismus leben, Individualität, Vielfalt, Entwicklung“ startet am Sonntag, 27. August, um 18 Uhr im Mehrgenerationenhaus des DRK Olpe im Löherweg 9 in Olpe. Weitere Informationen und Anmeldung bei Corinna Weber und Katharina Weigel unter 0151 39782171 oder selbsthilfegruppe.alive@gmail.com.