Lennestadt/Schmallenberg. Der 50-jährige Betriebsingenieur eines Autozulieferers aus Lennestadt hatte keine Freude mehr am Job. Warum er ausgerechnet Koch werden will.

Wenn es einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde gäbe für das Alter von Lehrlingen, stünden die Chancen für Oliver Klein aus Lennestadt nicht schlecht. Als ältester Kochlehrling könnte er weit vorne stehen. Der gebürtige Meggener, der den größten Teil seines Lebens in Halberbracht gelebt hat, dort Schützenkönig und Karnevalsprinz war, ist genau 50 Jahre alt.

Wo andere so langsam Vorruhestandsfantasien entwickeln, wagte Klein mitten im Berufsleben noch einmal die 180-Grad-Wende. Und begann vor wenigen Tagen eine Kochlehre im Schmallenberger Fünf-Sterne-Hotel Deimann.

Lesen Sie auch: Gas und Strom - Warum die Bigge Energie Millionen zurückzahlt+++

Was einen Außenstehenden auf den ersten Blick verwundert, kann Klein nachvollziehbar begründen: „Ich habe irgendwann für mich festgestellt, dass mir die Freude an der Arbeit abhanden gekommen war. Stress und Hektik ist man bei Autozulieferern gewöhnt, wenn dann aber noch der Spaß weg bleibt, wird es immer schwieriger“, erinnert er sich. Gesundheitliche Probleme seien hinzugekommen, das nicht mehr Abschalten können, Schlafstörungen, Rückenschmerzen. Bis der Tag kam, an dem der 50-Jährige die Reißleine zog: „Ich habe von heute auf morgen den Job hingeschmissen.“

5-Sterne-Hotel

Oliver Klein lernt in der Küche des 5-Sterne-Romantik- & Wellnesshotels Deimann, Alte Handelsstraße 5, 57392 Schmallenberg. Telefon: 02975 810, Internet: deimann.de

In seiner letzten Arbeitsphase bei einem Lennestädter Autozulieferer war Klein Betriebsingenieur, kümmerte sich unter anderem um die Entwicklung und den Maschinenpark. Vorher war er Abteilungsleiter.

Klein hatte eine erfolgreiche Karriere hinter sich. Erst eine Lehre als Werkzeugmacher, später die Technikerausbildung, Abteilungsleiter, Betriebsingenieur. Dann der Cut, mit erheblichen finanziellen Konsequenzen.

Geld ist nicht alles

Aber, sagt Klein: „Wenn der Papa in der Ecke liegt, nutzt auch die Kohle nichts mehr.“ Familiärer Vorteil: „Meine Frau steht 100-prozentig hinter mir. Sie kommt aus einem ähnlichen beruflichen Bereich. Weiß, was da los ist.“ Ein anderer Autozulieferer sei nicht in Frage gekommen: „Ich kenne die Branche. Es ist überall das Gleiche.“ Und da er schon immer ein begeisterter Hobbykoch war, kam irgendwann die zündende Idee: „Oft haben Bekannte zu mir gesagt: „Du hast den falschen Beruf, hättest Koch werden sollen.“

Warum aber ausgerechnet das Hotel Deimann? „Ich habe mir gesagt, mit 50 Jahren muss es direkt ein Top-Laden sein. Deshalb habe ich mir ein Fünf-Sterne-Haus ausgesucht, das zudem noch über einen Michelin-Stern verfügt.“ Gedanke im Hinterkopf: Wenn man es da nicht lernt, dann nirgends.

Dass das Kochhandwerk bisweilen ein unattraktives Image hat, dass ein rüder Arbeitston herrscht, dass man arbeiten muss, wenn andere frei haben und so weiter, all das konnte Klein nicht zurückhalten: „Schon die ersten Bewerbungsgespräche waren sehr angenehm, und ich hatte direkt ein gutes Gefühl. Ich bin ein Bauchmensch, und mein Bauchgefühl sagte mir: Das ist es.“ Eine gastronomische Alternative habe es zwar gegeben, aber: „Ich war in beiden Restaurants mit meiner Frau essen, und danach habe ich mich entschieden.“

Gute Arbeitsatmosphäre

Schon nach den ersten Tagen der Ausbildung kann Klein bestätigen, dass die tatsächliche Atmosphäre anders ist, als das Image: „Es herrscht zwar ein gewisser Kommandoton, aber das muss auch so sein. Unterm Strich geht es freundschaftlich, sogar kumpelhaft zu. Man muss sich aber vor Augen halten, wenn plötzlich zehn Rühreier gefragt sind, muss konzentriert, mit Leidenschaft und dennoch schnell gearbeitet werden.“ Hektik und Stress sei er von der Autozulieferbranche aber gewöhnt.

Keine Probleme habe er mit den neuen Arbeitszeiten: „Die sind völlig unterschiedlich. Momentan bin ich im Frühstücksdienst, das ist relativ geregelt. Ich fange um 6 Uhr an und bin um 14.30 Uhr auf dem Heimweg.“ Ansonsten könne es über den ganzen Tag und die Woche verteilt sein.

Klein ist optimistisch, dass die Branche ausbildungswillige Menschen wieder mehr für die Gastronomie gewinnen könne: „Ich glaube, dass mit Gratifikationen oder Arbeitszeitmodellen einiges im Wandel ist. Da wird sich einiges tun. Dass er selbst mit 50 Jahren plant, die Ausbildung schon nach zwei Jahren erfolgreich abschließen zu können, liegt auf der Hand.

+++Lesen Sie auch: Tiny-Häuser für Olpe im Gespräch+++

Bleibt die an einen Koch, bzw. den Kochlehrling unausweichliche Frage nach seinem Lieblingsgericht. „Rinderroulade mit Rotkohl. Ich liebe es, wenn die Roulade schön anbrät, wenn es im Topf gut riecht, der Rotkohl ein bisschen säuerlich“, zögert Klein zum einen keine Sekunde und beweist, dass er als Koch ein Überzeugungstäter sein wird.

Und was gibt’s dazu, will ich wissen? Wir einigen uns auf Knödel. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, und mein nächstes gastronomisches Ziel steht schon fest… .