Arnsberg. . Die Neugestaltung der Arnsberger Innenstadt sorgt derzeit für Gesprächsstoff und zahlreiche Diskussionen nicht nur in Leserbriefen. Dazu ein Gespräch mit Arnsbergs verantwortlichem Stadtplaner Thomas Vielhaber.

In Leserbriefen wird angeführt, die Verwaltung habe kein planerisches Konzept für die Gesamtstadt bzw. den Ortsteil Alt-Arnsberg. Ist das so?

Vielhaber: Nein. Es gibt strategische Ziele - nachlesbar unter www.arnsberg.de/finanzen/finanzen.php -und das Stadtentwicklungsprogramm - nachlesbar unter www.arnsberg.de/stadtentwicklung/index.php) -, die mindestens alle zwei Jahre hinsichtlich der Ergebnisse und weiterer Maßnahmen aktualisiert werden. Ziele und Programm ergeben sich aus den Herausforderungen an unsere Stadt.

Das sind demografischer Wandel, Energietransformation, Klimawandel, Stärkung der Bürgerschaft, Globalisierung, Digitalisierung und geringer werdende finanzielle Gestaltungsräume.

Das bedeutet: Wir müssen Einsparen und vor allem in Bildung und Infrastruktur investieren. Die Gesamtstadt muss gerade im demografischen Wandel regionale Aufgaben übernehmen, also Aufgaben für die Region - von der Kultur über Bildung und Gesundheit bis zum Einkaufen und Sport. Da nicht alles überall in regional wirksamer Qualität zur Verfügung steht, gilt es als Gesamtstadt unterschiedliche Funktionen bzw. Aufgaben in Arbeitsteilung wahrzunehmen.

Wie sieht es denn da konkret für Alt-Arnsberg aus?

Vielhaber: Für Alt Arnsberg sind die wichtigen Aufgaben Erhalt und Ausbau des modernen Verwaltungsstandortes und die Bewahrung des historischen Stadterbes. Letzteres muss zugleich an die Anforderungen der Zeit und für die nächsten Generationen angepasst werden.

Schwierig dabei: Die Flächenzuschnitte und -größen der Grundstücke und Gebäude sind für die Anforderungen des modernen Handels und für zeitgemäßes Wohnen oft nicht geeignet. Die regionalwirksamen Kultureinrichtungen und -angebote müssen weiter ausgebaut werden, den Bildungsstandort Arnsberg gilt es zu verbessern - z.B. durch duale Hochschulangebote, die seit Kurzem mit 150 Studierenden in Alt-Arnsberg durchgeführt werden. Besonders wichtig ist uns der Ortsteil als Zentrum für betriebliche und berufliche Weiterbildung. Und natürlich müssen wir Tourismus und Naherholung weiter stärken, denn durch die erfolgreiche Ruhrrenaturierung und den RuhrtalRadweg profitiert Alt-Arnsberg am meisten, und die fußläufige Nahversorgung durch ein Netz von Anbietern sichern. Dies in Kombination mit der Wiederbelebung des Brückencenters.

Zum Thema Modernes Wohnen stellen wir demnächst ein vielleicht wegweisendes Projekt vor. Hier können und müssen sich Eigentümer mit Unterstützung der Stadt besser aufstellen. Das alles zusammen ist dann auch aus Stadtmarketing-Sicht entsprechend darzustellen. Aber grundsätzlich sollte jedem klar sein, dass wir als Verwaltung die ganze Stadt sehen und nicht nur Teile.

Hat die Stadt den an den Bürgerwerkstätten beteiligten externen Planungsbüros Vorgaben gemacht, die - unabhängig vom Ausgang der Werkstätten - auf jeden Fall umzusetzen sind?

Vielhaber: Nein, nur die Modernisierung und attraktive Gestaltung der öffentlichen Räume unter Beachtung ihrer Funktionen, was ja auch Thema aller Akteure ist, wurden als Ziel vorgeben. Selbstverständlich werden Planungsaufträge und Bürgerwerkstätten sorgfältig vorbereitet. Nach einem internen Auftaktgespräch erarbeitet das jeweilige Planungsbüro eine eigene Analyse und Bewertung, auf deren Grundlage es dann Vorschläge erstellt.

Die Vorgaben seitens der Stadt beziehen sich auf die oben genannten Ziele, nicht auf konkrete Bindungen wie zum Beispiel die Lage der Bushaltestellen oder ähnliches. Insgesamt geht es uns um die gemeinsame und fundierte Vorbereitung einer Entscheidung des Rates und des Fördermittelgebers. Das funktioniert erfahrungsgemäß bei einer guten Zusammenarbeit wie in Hüsten und Neheim. Dort gab es die Diskussion um die Lage der Haltestellen - „Grundsätzlich ja, aber nicht bei mir vor der Tür“- nicht in dem Maße und dem Gewicht, wie es in Alt-Arnsberg vorgetragen wird.

Dürfen die Alt-Arnsberger nach Beendigung der Bürgerwerkstätten und dem wohl positiven Votum für die Museumserweiterung eine Ortsteilplanung aus einem Guss erwarten?

Vielhaber: Ja, denn „Planung aus einem Guss“ bedeutet nicht „Gleichmachen“, sondern ein abgestimmtes Konzept zu entwickeln. Stadtentwicklung und -planung bauen auf den Stärken der Ortsteile und Stadtquartiere und den unveränderbaren Vorgaben auf. So ist der historische Stadtkern immer anders zu betrachten als andere Stadtquartiere. Wichtig ist die Abstimmung zwischen den verschiedenen Maßnahmen und Konzepten auf Stadtteil- und Stadtebene.

Dafür gibt es Grundlagen, die kontinuierlich mit den Akteuren weiterentwickelt und dem Stadtrat zur Beschlussfassung aufbereitet werden. Schließlich ist die Stadt ein komplexes und immer unfertiges Produkt, an der die Stadtgesellschaft mit Unterstützung der Verwaltung dauerhaft arbeiten muss. So ist z.B. aus dem Zweikampf zwischen Innenstadt und Grüner Wiese mit dem stark zunehmenden Internethandel ein Dreikampf geworden.

Ein anderes Beispiel ist der Altstadttunnel, der mit der Verkehrsverlagerung für die Altstadt viel Positives gebracht hat. Er hat aber auch die Nebenwirkung, dass heute täglich hunderte Menschen weniger den Neumarkt, Steinweg und Alten Markt anfahren und auch ihr Geld für Einkäufe nun woanders ausgeben.

Wie werden im Rathaus die Chancen auf die unverzichtbaren Fördermittel für die Realisierung von Bürgerwerkstatt-Projekten beurteilt?

Vielhaber: Wir werden unsere Hausaufgaben machen, d.h. rechtzeitig, vollständig und inhaltlich überzeugend die Planung vorlegen und mit realistischen Kostenansätzen untermauern. Letztlich entscheiden Bezirksregierung und Land über die Vergabe der Mittel, auch im Proporz der Städte untereinander.

Wie wird die Stadt auf die vorgetragene Kritik der Bürger - unter anderem in Leserbriefen - reagieren?

Vielhaber: Wir führen Bürgerforen und -werkstätten durch, um Ideen, Vorschläge, Anregungen und Kritik aus der Bürgerschaft einzufordern. Das ist nicht immer angenehm, aber in der Summe sehr hilfreich. Viele denken mit. Schwierig ist eine Diskussion im großen Rahmen, wenn die Teilnehmer einen sehr unterschiedlichen Informationsstand haben.

Deswegen überlegen wir derzeit, das auf dem Stadtentwicklungsprogramm aufbauende Gesamtkonzept und die Strategien der Stadtentwicklungspolitik in einer eigenen Veranstaltung noch einmal vorzustellen und dort zu fragen, ob und welche Aspekte fehlen oder ganz anders beurteilt werden. Insgesamt schätze ich die Zusammenarbeit mit vielen als sehr gut ein.

Aber im Kasernen-Ton („Marsch ab...“) zu sprechen, ist nicht unbedingt erforderlich. Und den Eindruck zu erwecken, alles hänge von einer einzigen verkehrsregelnden Maßnahme ab, kommt der Komplexität der Aufgabenstellungen nicht nach.