Sundern. Die VHS Arnsberg/Sundern bietet viele Bildungsurlaubsangebote an. Carina Middel erklärt im Interview, worauf man achten sollte
Fast jeder Arbeitnehmer hat Anrecht auf ihn. Doch die wenigsten Menschen in Deutschland nutzen diese Möglichkeit bislang. Die Rede ist vom sogenannten Bildungsurlaub. Dr. Carina Middel ist bei der VHS Arnsberg/Sundern Leiterin des Bereichs Bildungsurlaube. Zu ihrer täglichen Arbeit gehört das Organisieren und Planen von Bildungsurlaubsangeboten. Die Expertin stimmt mit Dozierenden Seminarpläne ab, kommuniziert mit den Hotels, in denen Seminare stattfinden. Hinzu kommt u.a. die Beratung von Interessentinnen und Interessenten. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt sie wichtige Hintergründe rund um den Bildungsurlaub.
Frau Middel, was ist Bildungsurlaub überhaupt?
Carina Middel: Eine tolle Chance auf Weiterbildung. Beim Bildungsurlaub handelt es sich um eine besondere Form des Urlaubs, die gesetzlich geregelt ist. Sie gilt für spezielle berufliche oder politische Weiterbildungsveranstaltungen. Man erhält einen Sonderurlaub über maximal fünf Tage pro Jahr, an denen man solche Weiterbildungsangebote besuchen kann. Für diese Zeit wird man dann vom Arbeitgeber freigestellt, bei Lohnfortzahlung. Die Weiterbildung an sich muss man allerdings selbst finanzieren.
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Worin liegt diese Chance?
Es wird hier extra Zeit eingeräumt, um den beruflichen oder politischen Horizont zu erweitern. Im Rahmen von mehrtägigen Intensivseminaren können sich unsere Teilnehmenden ganz auf ihre Weiterbildung konzentrieren. Dabei schaffen Bildungsurlaube immer auch neue Möglichkeiten zum Austausch. Das Thema der Veranstaltung muss sich übrigens nicht unmittelbar auf die ausgeübte berufliche Tätigkeit beziehen.
Wer hat Anspruch auf solch einen Bildungsurlaub?
Die Mehrheit der Arbeitnehmer in Deutschland haben Anspruch darauf, wobei es Ausnahmen gibt. Denn wie üblich bei der Bildung in Deutschland ist das eine Länderangelegenheit. Grundsätzlich muss das im jeweiligen Bundesland gesetzlich geregelt sein. In 14 von 16 Bundesländern gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub für Arbeitnehmer. Dabei unterscheiden sich die Bezeichnungen: In manchen Bundesländern werden die Extra-Urlaubstage zur Weiterbildung auch „Bildungsfreistellung“ oder „Bildungszeit“ genannt. Hier in NRW gibt es einen solchen Anspruch.
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Gibt es Ausnahmen?
Ja, die gibt es. Beamte in NRW haben kein Anrecht auf Bildungsurlaub. Arbeitnehmer, die weniger als sechs Monate bei ihrem aktuellen Arbeitgeber sind, haben noch keinen Anspruch darauf. Auszubildende wiederum dürfen in NRW politische Weiterbildungsangebote besuchen. Und dann gibt es noch die Fälle, in denen Betriebe sehr klein sind. Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern müssen ihren Mitarbeitern die Teilnahme am Bildungsurlaub nicht genehmigen. Bei Betrieben zwischen 10 und 50 Mitarbeitern gibt es eine Sonderregel. Wenn zehn Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit einen Bildungsurlaub beantragt haben, gibt es eine Sperre für das restliche Personal im selben Jahr. Hier will man die Unternehmen vor einer wirtschaftlichen Überforderung schützen.
Hat jeder Berechtigte gleich viele Tage Bildungsurlaub?
Die Anzahl der freien Tage richtet sich nach dem Arbeitspensum. Jemand, der fünf Tage die Woche arbeitet, hat in der Regel dann auch Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub pro Jahr. Arbeitet man weniger, dann fällt der Anspruch geringer aus. Wer sich in seinen individuellen Ansprüchen und bei der Beantragung unsicher ist, den berate ich gern auch persönlich.
Wie kann man einen Bildungsurlaub beantragen?
Der Antrag kann formlos beim Arbeitgeber gestellt werden. Er sollte den Zeitraum der gewünschten Freistellung benennen und ein Programm mit Nachweis über die Anerkennung des Seminars muss beiliegen. Alle nötigen Unterlagen und Informationen erhält man beim jeweiligen Veranstalter wie unserer VHS.
Wie weit im Voraus sollte man einen solchen Antrag stellen?
Je früher, desto besser. Spätestens sechs Wochen vor dem geplanten Bildungsurlaub müssen die Formulare eingereicht sein, wenn man seinen gesetzlichen Anspruch nicht verspielen will. Und auch wenn man dazu nicht verpflichtet ist: Es ist immer besser, wenn man den Arbeitgeber frühzeitig informiert und abspricht, ob der Termin für alle Beteiligten passt.
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Welche inhaltlichen Schwerpunkte gibt es für solche Bildungsurlaube?
Die Themenvielfalt ist groß. Auch unsere VHS deckt mit ihren Angeboten in den verschiedenen Fachbereichen ein breites Spektrum ab. Von Führungskräfte- und Stimmtrainings über EDV-Angebote bis zu Fotografie-Schulungen findet man hier vieles, was dem beruflichen Weiterkommen dient. Einer unserer Schwerpunkte liegt im Bereich der Gesundheitsbildung. Hier geht es vor allem darum, die Resilienz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in beruflichen Kontexten zu stärken. Achtsamkeitswochen, Yogaseminare und Veranstaltungen zum Umgang mit Stress. Das sind aber keine Erholungsangebote, sondern man lernt hier auch viel über die gesellschaftlichen und beruflichen Zusammenhänge der vermittelten Techniken und Übungen. Eine lange Tradition haben bei uns außerdem Fremdsprachseminare. Einer unserer Dauerbrenner ist Englisch für den Beruf, ein Intensivseminar für verschiedene Sprachlevel unter Leitung muttersprachlicher Dozentinnen und Dozenten.
Wie oft wechseln die Seminarangebote?
Wir haben viele Wiederholungsveranstaltungen wie die Englisch-Sprachkurse. Ansonsten gibt es in jedem Semester wechselnde Angebote. Dabei gehen wir auch auf aktuelle Trends ein. Neu in unserem Programm ist zum Bespiel ein Angebot zu KI. Man erfährt hier, wie kann man Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag sinnvoll anwenden kann. Es lohnt sich also, immer mal wieder auf der Website oder im Programmheft der VHS Arnsberg/Sundern nachzuschauen.
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Welche Kosten muss man als Nutzer eines solchen Bildungsangebots einplanen?
Das hängt immer von em jeweiligen Angebot und der Dauer ab. Ob es mit Übernachtungen und Verpflegung ist. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Manche Angebote fangen bei 250 Euro inklusive Verpflegungskosten an. In der Regel kann man rund 500 bis 600 Euro veranschlagen. Unter Umständen lassen sich auch Förderprogramme des Landes wie der Bildungsscheck NRW in Anspruch nehmen. Dann gibt es finanzielle Unterstützung.
Finden solche Bildungsurlaube immer vor der Haustür statt?
Wir kooperieren derzeit mit drei Partnereinrichtungen in Sundern: Tagungshotels in Wildewiese, Altenhellefeld und in Hachen. Im nächsten Jahr bieten wir außerdem zwei weitere an der Nordseeküste an. Viele unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen von außerhalb des Sauerlands, aus ganz NRW und darüber hinaus. Für die ist es interessant, solche Seminare abseits des Alltags und in naturschöner Umgebung zu besuchen. Auch wenn Bildungsurlaub kein Erholunsurlaub ist. Bei einem fünftägigen Seminar hat man insgesamt immerhin rund 40 Stunden Unterricht. Die Option, sich durch das Rundum-Paket mit Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeiten voll auf die Weiterbildung zu konzentrieren, ist jedenfalls ein besonderes Kennzeichen unserer VHS.