Rüthen/Hochsauerlandkreis. Nichts für Raser: Welche Stärken hat ein Leichtkraftfahrzeug - und welche Schwächen? Ein Selbstversuch mit überraschenden Erkenntnissen.

Nie mehr Elterntaxi? Dieser Traum manch gestresster Mama kann schneller in Erfüllung gehen als gedacht - allerdings muss man tief in die Tasche greifen, um ein „Mopedauto“ zu kaufen. Was man am Steuer eines solchen Boliden erlebt, habe ich selbst ausprobiert - während einer Probefahrt mit einem „Aixam“.

 „Delta Drive 45“-Geschäftsführer Alexander Hillebrand mit dem Top-Modell Aixam eCoupé GTI.
 „Delta Drive 45“-Geschäftsführer Alexander Hillebrand mit dem Top-Modell Aixam eCoupé GTI. © WP | Torsten Koch

Mein Selbstversuch führt mich nach Rüthen - zum im Gewerbegebiet Lindental angesiedelten „Leichtkraftfahrzeug-Zentrum“. Das wird auch von interessierten Arnsbergern und weiteren Sauerländern gern angesteuert, denn das Angebot in der Region ist eher überschaubar. „Tendenz stark steigend - aber es werden derzeit deutschlandweit im Jahr nur etwa 3000 verkauft“, klärt mich Alexander Hillebrand über den Markt für „Mopedautos“ - wie die Gefährte auch genannt werden - auf. Anders bei den im „Zentrum“ vertretenen Firmen „Gamma Fahrzeuge“ und „Delta Drive 45“ - hier kann man aus dem Vollen schöpfen. Ich „schöpfe“ einen mit Diesel betriebenen „Aixam“ - der französische Hersteller ist europäischer Marktführer - und versenke den Schlüssel im Zündschloss. Während das Maschinchen vorglüht, schweift der Blick umher...

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Die Fahrerkabine ist geräumiger als gedacht, es gibt sogar ein Radio, und der „Schaltknüppel“ zwischen den beiden Sitzen beschränkt sich auf „Vorwärts, Neutral und Rückwärts“. Kein Hexenwerk - und auch mit 15 Jahren sicher zu bedienen. Aber dazu gleich mehr, setzen wir uns erst einmal in Bewegung. Der Dieselmotor röhrt recht laut, alles klappert ein wenig, als ich auf die Hauptstraße des Gewerbegebiets abbiege und beschleunige. Kurze Zeit später gebe ich Vollgas - der Tacho schnellt auf 45 km/h; und damit ist Ende Gelände. Höchstgeschwindigkeit erreicht - wie der (in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene) Aufkleber am Fahrzeugheck schon vor Fahrtbeginn signalisiert hat. Zurück auf dem Parkplatz denke ich als Erstes: „Wer fährt so was?“

Gar nicht so eng: Blick in den Innenraum eines Aixam.
Gar nicht so eng: Blick in den Innenraum eines Aixam. © WP | Torsten Koch

Diese Frage stelle ich Alexander Hillebrand, der mich prompt aufklärt. Eine große Kundengruppe sind junge Leute - obwohl, die meist 14- und 15-Jährigen kommen eher selten aus eigenem Antrieb. „Es sind sehr häufig Eltern, die keine Lust mehr auf Elterntaxi haben und ihren Nachwuchs mobil machen wollen“, weiß „Delta Drive 45“-Geschäftsführer Hillebrand. Aber nach einer Probefahrt finde auch der Nachwuchs Gefallen an den kleinen „Flitzern“. Bevor es richtig losgehen kann, heißt es jedoch Lernen. Anders als z.B. in Italien und Frankreich braucht es in Deutschland einen Führerschein - genau gesagt den Führerschein AM, den man bereits mit 15 Jahren machen kann (berechtigt zum Führen von Kleinkrafträdern mit maximal 50 Kubikzentimetern Hubraum oder 4 kW Dauer-Nennleistung bei Elektroantrieb - und 45 km/h Höchstgeschwindigkeit).

Der kleinste SUV der Welt

Also ein „Rollerführerschein“ - warum dann nicht gleich einen Roller kaufen? Nun, Leicht-Kfz vereinen die Vorteile eines Autos mit denen eines Rollers - und man sitzt bequem, trocken und sicher in einer Sicherheitszelle. Diese verfügt zwar nicht über Airbag, ist aber äußerst robust. Wegen der geringen Höchstgeschwindigkeit sind schwere Unfälle die Ausnahme. Wohl ein Grund dafür, dass zunehmend auch Senioren dieses Fortbewegungsmittel entdecken. „Für mich reicht das“ - oder „ich trau’ mich nicht mehr mit meinem großen Auto“ hören wir oft, sagt Hillebrand. Fixkosten wie Steuer, Versicherung, Melde- und Tüv-Kosten entfallen - oder fallen viel günstiger aus, zählt der Briloner weitere Vorteile auf. Und der Energiebedarf? Mit drei bis vier Litern Diesel pro 100 Kilometer gering. Wer bei dieser Antriebsart die Nase rümpft: Die Elektro-Variante kommt mit 6 kWh/100 km Strom aus - ist aber deutlich teurer in der Anschaffung, womit wir beim Preis sind.

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Wegen der noch geringen Stückzahlen sind die Fahrzeuge - neben Aixam produzieren übrigens auch Ligier (Frankreich) und Casalini (Italien) - teuer. Bei etwa 13.500 Euro liegt ein „Aixam“ Einstiegsmodell - je nach Ausstattung klettern die Preise schnell Richtung 20.000er-Marke. Gut zu wissen: Es gibt auch einen Markt für Gebrauchte. „Das Top-Modell eCoupé GTI kostet als Stromer knapp 23.000 Euro“, meint Alexander Hillebrand mit Blick auf ein im Herzen der Verkaufshalle präsentiertes, schnittiges Vehikel.

Aixam und Co.

Aixam MEGA ist ein französischer Leichtkraftwagenhersteller mit Sitz in Aix-les-Bains. Das 1983 gegründete Unternehmen produziert Leichtkraftfahrzeuge der Fahrzeugmarken Aixam und MEGA in der Fabrik des ehemaligen Herstellers Arola.

Aixam ist in Frankreich vor Microcar und Ligier Marktführer nach Stückzahlen im Segment der Leichtkraftwagen-Hersteller.

Info zum Rüthener Leichtkraftfahrzeug-Zentrum: https://gamma-fahrzeuge.de/

Genau das Richtige für Enthusiasten - und damit wären wir bei der dritten Kundengruppe. Wer ein solches Fahrzeug aus Überzeugung fährt, oder besser - richtig Spaß daran hat, wird mit dem Coupé GTI schnell fündig - oder wie wäre es mit dem Modell „Crossover“? „Der kleinste SUV der Welt“, kommentiert der Geschäftsführer augenzwinkernd - und macht mich zum Abschluss noch mit einem besonderen „Schmankerl“ bekannt:

Aus der D-Truck Pritsche wird mit Zelt-Zubehör-Equipment im Handumdrehen das vielleicht kleinste Wohnmobil der Welt. Das überzeugt neben Alexander auch Hundedame „Blake“.
Aus der D-Truck Pritsche wird mit Zelt-Zubehör-Equipment im Handumdrehen das vielleicht kleinste Wohnmobil der Welt. Das überzeugt neben Alexander auch Hundedame „Blake“. © WP | Torsten Koch

Vielleicht das kleinste Wohnmobil der Welt

„Micro Car Camping“: Aus der D-Truck Pritsche (Grundpreis ca. 17.000 Euro) - ja, auch Nutzfahrzeuge im Kleinstformat bauen die Franzosen - wird mit Zelt-Zubehör-Equipment (für etwa 1500 Euro erhältlich) schnell das vielleicht kleinste Wohnmobil der Welt.
Solche und weitere Projekte made in Rüthen-Lindental finden sich übrigens auf YouTube: www.youtube.com/@GAMMAFahrzeugeGmbH/videos