Arnsberg. Podiumsdiskussion zum Jubiläum im Kloster Wedinghausen: Braucht das Grundgesetz eine Modernisierung?

Anlässlich des 75. Jahrestages lädt der CDU-Stadtverband Arnsberg am 23. Mai, 19 Uhr, zu einer Podiumsdiskussion ins Kloster Wedinghausen ein. „In einer Zeit globaler und gesellschaftlicher Herausforderungen bleibt das Grundgesetz ein Fundament unserer Demokratie, das Orientierung für die Lösung neuer Herausforderungen bietet und den Zusammenhalt fördert“, erklärt der Stadtverbandsvorsitzende Dr. Marcel Kaiser und freut sich, dass der ehemalige Regierungspräsident Hans-Josef Vogel und auch Charlotte Merz, Direktorin des Amtsgerichts Arnsberg, ihr Kommen am 23. Mai zugesagt haben. Ergänzend dazu werden Alexander Cornelsen, Koordinator der Mittelstufe des Mariengymnasiums, sowie Max Holt, Lehrer am Laurentianum, zur Diskussion beitragen.

Charlotte Merz möchte an diesem Abend auch an die Historie erinnern: „Das Grundgesetz ist mehr als nur ein Stück Papier“, sagt sie. „Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es die Weimarer Republik, die durch politische Instabilität, wirtschaftliche Probleme und soziale Unruhen gescheitert ist und schließlich zur Machtübernahme der Nationalsozialisten geführt hat.“ Ein vergleichbares Szenario dürfe sich niemals mehr abspielen. Charlotte Merz hält die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland für stark und gesund. „Das Grundgesetz lebt: Es wurde aufgrund der sich wandelnden gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten 75 Jahre immer wieder erfolgreich angepasst und geändert und ich erwarte, dass uns das auch in Zukunft gelingt“, so die Juristin.

Charlotte Merz, Direktorin des Amtsgerichts Arnsberg, wird am 23. Mai zur Podiumsdiskussion im Kloster Wedinghausen erwartet.
Charlotte Merz, Direktorin des Amtsgerichts Arnsberg, wird am 23. Mai zur Podiumsdiskussion im Kloster Wedinghausen erwartet. © dpa | Michael Kappeler

Dem kann Studienrat Maximilian Holt vom Laurentianum nur zustimmen: „Nicht umsonst heißt es, die Demokratie sei die einzige Staatsform, die sich selbst abschaffen kann. Leider Gottes können wir ein (historisches) Lied davon singen. Seit Generationen leben wir jedoch mittlerweile friedlich in einem tollen Land, das uns so viele Freiheiten und Wohlstand bietet, dass wir Gefahr laufen, manches für selbstverständlich zu halten.“

Kontrast: Autokratische Systeme wie Russland oder China

Dass dies nicht der Fall sei, zeige der Kontrast mit autokratischen Systemen wie Russland oder China. Das dortige Gebaren lese sich wie Orwells Dystopien „1984“ und „Animalfarm“. Erst wenn man sich mit diesen „Alternativen“ auseinandersetze, lerne man zu schätzen, welches Leben uns nicht zuletzt das Grundgesetz garantiert. „Auch in unserem Land war dies lange Zeit nicht selbstverständlich. So habe ich, um meinen Schülerinnen und Schülern das Gefühl von Angst vor einer Zensur, der Heimlichtuerei aufgrund eines Schreibverbotes und der Einschüchterung durch Unterdrückung vor Augen zu führen, meine Klasse noch im Winter in der ersten Stunde in einem dunklen Klassenraum, lediglich mit Windlichtern an den Gruppentischen bestückt, einen Brief Schillers aus seiner Zeit in der gestrengen Karlsschule lesen lassen. Schiller sehnt sich darin nach Freiheit für sich und die Gesellschaft im Allgemeinen. Der Lerngruppe hat es Spaß bereitet und dabei geholfen, Empathie für die zeitgenössische Zensur und deren Einschränkung zu entwickeln und den Zeitgeist reflektieren zu können. Die Räuber waren danach leichter für sie zu verstehen, waren ihnen die Umstände während der Entstehung doch zuvor unbekannt und befremdlich“, führt der Lehrer aus.

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Die 19 Artikel des Grundgesetzes

Alexander Cornelsen vom Mariengymnasium Arnsberg sagt: „In Zeiten, in denen das Vertrauen in demokratische Institutionen unterminiert und die Vertreter der liberalen Demokratie angegriffen und diffamiert werden, muss es eine Verständigung auf gemeinsame Werte und Grundlagen geben. Diese finden wir im Grundgesetz, dessen 75. Jahrestag wir dieses Jahr feiern.“ Denn in den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes sind die wichtigsten Rechte der Menschen gegenüber dem Staat zusammengefasst. Sie umfassen als erstes die Menschenwürde, Gleichheit vor dem Gesetz, Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie den Artikel 5 (Meinungs- und Pressefreiheit).

„Die Feier zum Tag des Grundgesetzes im Kloster Wedinghausen ist eine Gelegenheit, diese fundamentalen Prinzipien zu würdigen und die Bedeutung des Grundgesetzes für unsere Gemeinschaft in Arnsberg und darüber hinaus zu betonen. Es ist wichtig, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, welche Freiheiten und Rechte wir dank dieses Dokuments genießen und wie es uns als Gesellschaft stärkt und vereint“, so Kaiser.

Hans-Josef Vogel nimmt an der Podiumsdiskussion in Arnsberg zum 75. Jahrestages des Grundgesetzes teil.
Hans-Josef Vogel nimmt an der Podiumsdiskussion in Arnsberg zum 75. Jahrestages des Grundgesetzes teil. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Auch der ehemalige Regierungspräsident Hans-Josef Vogel wird zur Podiumsdiskussion beitragen, denn „das Grundgesetz ist eine hochintelligente Verfassung und in jeder Hinsicht ein Glücksfall der deutschen Geschichte. Als Verfassung für den Übergang nach der totalen Katastrophe des Nationalsozialismus hat das Grundgesetz 75 Jahre lang auch durch seine Elastizität unsere freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie Stabilität gegeben. Das Grundgesetz sichert und schützt unsere Grundrechte und die Freiheit auch der nächsten Generation, war und ist Katalysator und Grundlage für die deutsche Einheit und die europäische Vereinigung.

Das Grundgesetz bietet mit seinen Grundentscheidungen verbindlichen Rahmen und Muster auch für die Lösung neuer Probleme und Herausforderungen. Bestes Beispiel dafür ist das Klimaschutzgebot, wie es im historischen Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts von März 2021 zum Ausdruck kommt: Rechtzeitiger Klimaschutz heute sichert die Freiheit auch im Morgen. Das Grundgesetz gewinnt seine normative Kraft durch die Gesetzgebung und die tägliche Zustimmung seiner Bürgerinnen und Bürger. Der Staat des Grundgesetzes erlebt gegenwärtig zunehmend Anfechtungen. Dazu zählen die drei „P’s“: autoritärer Populismus, Polarisierung, die den demokratischen Konsens verächtlich macht, und sogenannte Post-Wahrheiten, die die Realität der Realitäten missachten, verbunden mit digitalen Desinformationen, Lügen und Cyberattacken vornehmlich aus Putins Russland. Ein Problem ist die Undurchschaubarkeit des Mehr-Ebenen-Systems (Europäische Union, Bund, Länder, Regional-, Kommunalverbände, Landkreise, Städte ), das demokratische Verantwortung nicht mehr klar einfordern lässt. Um den Glücksfall Grundgesetz, seine Intelligenz und Elastizität weiter wirken zu lassen, bedarf es heute großer Umsicht, der Beschäftigung mit dem grundlegenden Wandel der Welt durch Digitalisierung und Klimakrise. Es bedarf aber auch der Selbstkritik aller Beteiligten: Muss unsere Demokratie nicht entschlossener, schneller, effizienter werden. Und es bedarf des Engagements der Demokraten. Denn Freiheit gibt es nicht umsonst, Freiheit ist eine Leistung der Bürgerinnen und Bürger“, erklärt er.