Arnsberg. Redaktionsleiter Martin Haselhorst sorgt sich anlässlich der Hetze unter Täter-Video nach Supermarkt-Randale um unsere Kultur des Miteinanders.

Eines vorweg: Nichts rechtfertigt eine Supermarkt-Randale wie sie nun in Oeventrop auf einem in sozialen Netzwerken viral gehenden Video dokumentiert wurde. Daran ändern auch keine „psychischen Ausnahmesituationen“ oder andere Erklärungen etwas. So etwas ist eine Straftat, bei der zum Glück keine Person verletzt wurde. Und gut, dass die Polizei den Mann gestellt hat. Und klar auch, dass man darüber sprechen muss.

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Die Hetzkommentare unter dem Video aber schockieren. Denn daraus gleich eine Diskussion abzuleiten, was ein Mann mit offensichtlichem und hörbarem Migrationshintergrund überhaupt in „unserem Land“ und im Supermarkt zu suchen habe, wirft ein Licht auf unsere verrohende Kultur des Miteinanders. Das digitale Tribunal tagt, zeigt im Video den vermeintlichen Täter voll erkennbar und spricht gleich schon das Urteil: „Ab nach Hause!“. Und nimmt gleich alle Menschen mit Migrationshintergründen, welcher Art auch immer, in Sippenhaft. Differenzierte Betrachtung Fehlanzeige - ein erörternder Blick auf Probleme und Potenziale von Integration ist schon zu viel der Tiefe und nicht wirklich gefragt.

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Mit welcher Leichtfertigkeit ohne Rücksicht auf Bild- und Persönlichkeitsrechte in sozialen Netzwerken so etwas heute ausgelöst wird und welche Fahrt diese Diskussionen in einer politisch aufgeheizten Zeit aufnehmen, ist nur erschreckend. Jetzt war es das Video aus Oeventrop. Ein anderes Mal ist es der männliche Parksünder auf dem Frauenparkplatz, dann der störende Nachbar sonntags beim Rasenmähen, der Wildpinkler nach dem Schützenfest oder der, der für irgendwas demonstriert, was einem anderen gerade nicht passt. Smartphone raus, alle filmen, ab damit auf Facebook und das digitale Volk darüber abstimmen lassen. Und wir alle können da schneller am Pranger stehen als uns lieb ist. Wo führt das hin?

Wer sich wirklich um unsere Kultur sorgt, dem sollten diese Entwicklungen mehr Kopfzerbrechen bereiten als dass nun ein Migrant im Supermarkt randaliert hat. Denn auch hier zeigt sich ein zweifelhaftes Verständnis von unserem Rechtssystem, das Basis unseres demokratisch-freiheitlichen Zusammenlebens ist.