Sundern-Hagen. Therapiepferd Skelfi bringt Freude und Mobilität in die Physiotherapie für Kinder. Jolyn Scharpenberg bietet Hippotherapie in Sundern an.

Kühl ist es; kräftiger Wind fegt durch den Stall. So, dass sogar das Dach klappert. Doch der Ausblick vom Nehlingshof ins Tal macht alles wett. Natur pur. Jolyn Scharpenberg schließt die Tür. „Schade, dass das Wetter so unruhig ist“, sagt sie, „normalerweise gehen wir raus in die Natur - diesmal müssen wir in die Halle ausweichen.“ Mit „wir“ meint die 30-Jährige sich und ihr Pony Skelfi. Der elfjährige Isländer ist ihr Therapiepferd, gemeinsam bieten sie Hippotherapie für Kinder an.

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„Hippotherapie ist eine Art der Reittherapie, kombiniert mit Physiotherapie“, sagt Scharpenberg. „Dazu wird das Pferd und seine Bewegung, die es auf den Reiter überträgt, genutzt, um die Mobilität in den Beinen und dem Becken und dabei die Aufrichtung des Körpers zu verbessern.“ Außerdem schule die Hippotherapie die Körperwahrnehmung und verbessere das Gleichgewicht und die Koordination. „Sie richtet sich an Menschen mit motorischer, körperlicher Schwäche oder aber auch psychisch-emotionalem Defizit.“

Keine geregelte Ausbildung für Therapiepferde

Seit sechs Jahren arbeitet Jolyn Scharpenberg mit Skelfi, damit er seinen Job als Therapiepferd ausüben kann. „Es gibt keine geregelte Ausbildung nebst Prüfung für Therapiepferde“, sagt sie, „das Wichtigste ist aber, dass er eine gute Grundausbildung hat und über ein offenes sowie ruhiges Wesen verfügt.“ Besonderen Wert habe sie daher auf das Gelassenheitstraining gelegt. „Mit Regenschirmen, Flatterbändern und Co., aber auch mit lauten Geräuschen.“ Sogar der laute Knall des Steinbruchs habe ihn beim Vorbeireiten nicht gestört. Vier- bis fünfmal die Woche habe sie mit ihm trainiert. Skelfi weiß, was er tut.

Happy Hippo Therapie

... mit Jolyn Scharpenberg, Kontakt: HappyHippoTherapie@gmx.de.

Hippotherapie für Kinder und Jugendliche in Sundern. Jolyn und Skelfi sind auch auf Instagram: @happyhippo_therapie

Ebenso wie Jolyn Scharpenberg selbst. Denn sie arbeitet hauptberuflich seit 2017 als Physiotherapeutin. Seit 2021 ist sie ausgebildete Hippotherapeutin. „Die ursprüngliche Physiotherapie macht Kindern nicht wirklich Spaß“, sagt sie, „doch in der Kombination mit dem Pferd merkt das Kind gar nicht, dass es gerade eine Physiotherapie macht.“

Der neunjährige Fred genießt die Zeit mit Therapiepferd Skelfi

Das bestätigt auch Nadine Brüchner. Ihr neunjähriger Sohn Fred macht nun schon seit drei Monaten die Hippotherapie bei Jolyn Scharpenberg und Skelfi; er genießt es. „Die normale Physiotherapie wollte er nie machen“, so die dreifache Mutter, „aber jetzt liebt er es.“ Es sei auch das Drumherum, das ihm viel Spaß bereite. Denn Fred darf schon etwas eher zur Therapiestunde kommen und Jolyn Scharpenberg helfen, Skelfi zu striegeln, die Hufe zu reinigen und in die Halle zu führen.

Fred (9) fühlt sich wohl auf dem Pferd. Mit einem Lächeln im Gesicht folgt er den „Anweisungen“ von Jolyn Scharpenberg.
Fred (9) fühlt sich wohl auf dem Pferd. Mit einem Lächeln im Gesicht folgt er den „Anweisungen“ von Jolyn Scharpenberg. © WP | Thora Meißner

Und bringt‘s was? „Auf jeden Fall“, sagt Nadine Brüchner, „seine Körperhaltung zeigt schon nach dieser kurzen Zeit mehr Stabilität und er hat seinen Körper besser unter Kontrolle.“ Außerdem sei es auch Jolyn Scharpenbergs Art im Umgang mit Fred, der ihr gefalle. „Sie ist dafür geboren; kann sehr gut mit Kindern.“

Hippotherapie keine Kassenleistung

Ein Mal die Woche, immer dienstags, kommt Fred her, um auf Skelfi seine Körperhaltung zu trainieren. Doch Jolyn Scharpenberg plant bereits, ihr Angebot auch auf donnerstags auszuweiten. Einziges Manko ist, dass die Hippotherapie keine Kassenleistung darstelle, so Nadine Brüchner, es sei zwar nicht so teuer, aber über Jahre hinweg sei eine Finanzierung schon schwierig.

„Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen die ‚Hippotherapie‘ leider nicht übernehmen, weil diese Therapieform ausdrücklich kein Heilmittel im Sinne der Heilmittel-Richtlinie ist“, erklärt Jens Kuschel, Sprecher der Krankenkasse AOK NordWest, „Begründung vom zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss ist, dass deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist.“ Der Nachweis eines solchen therapeutischen Nutzens müsse in Form einer wissenschaftlichen Studie erbracht werden - und die gebe es bislang nicht.

Fred soll‘s helfen - und dafür tritt seine Mutter in Eigenleistung. Nicht nur, dass sich eine Verbesserung der Körperhaltung laut ihr bereits nach kurzer Zeit einstellte, auch macht es den 9-Jährigen glücklich. „Es ist wie ein Spiel für ihn - trotzdem ist es auch anstrengend“, sagt Nadine Brüchner, „das merkt man hinterher schon.“ Und man sieht es, denn Freds Augen strahlen, als er auf Skelfis Rücken sitzt. Jedes „Spiel“ mit oder ohne Tennisball macht er mit.

Ida führt Skelfi durch die Halle, so dass Jolyn Scharpenberg sich voll und ganz auf Fred konzentrieren kann.
Ida führt Skelfi durch die Halle, so dass Jolyn Scharpenberg sich voll und ganz auf Fred konzentrieren kann. © WP | Thora Meißner

Hippotherapie ist eine Herzenssache

„Ich biete diese Form nur für Kinder an, weil ich ein nicht allzu großes Therapiepferd besitze. Allerdings profitieren auch Erwachsene von der Therapie“, sagt Jolyn Scharpenberg. Geeignete Diagnosen für die Therapieform seien: geistige Behinderung in Form von Trisomie 21, die auch mit motorischen Schwächen einhergehen; neurologische Erkrankungen wie MS; Schlaganfall; Intercerebralparese und Querschnittsverletzungen; orthopädische Erkrankungen wie Skoliose oder generelle Haltungsschwäche. „Aber auch Menschen auf dem neurodiversen Spektrum wie ADHS und Autismus können von der Hippotherapie profitieren.“

Für die Kinder ist die Arbeit mit Skelfi keine Therapie, denn gefühlt kommen sie zum Hobbyreiten.
Für die Kinder ist die Arbeit mit Skelfi keine Therapie, denn gefühlt kommen sie zum Hobbyreiten. © WP | Thora Meißner

Für Jolyn Scharpenberg scheint die Hippotherapie eine Herzenssache zu sein. Auch sie strahlt über beide Wangen. Denn sie tut, was sie liebt: Gemeinsam mit Skelfi gibt sie Kindern einen gewissen Spaßfaktor an der gesundheitlich notwendigen Physiotherapie mit.