Arnsberg/HSK. Wilhelm Kühn aus Arnsberg, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hochsauerland, schließt weitere Proteste nicht aus.

Keine langen Treckerkolonnen mehr auf den Straßen im Hochsauerland - sind die heimischen Landwirte wirklich am Ziel? Wie es derzeit steht um die „Bauernproteste“ vor Ort, erklärt Wilhelm Kühn, Milchviehhalter aus Arnsberg-Uentrop. Außerdem zeigt Kühn, auch Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hochsauerland, „klare Kante“ in Sachen höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte.

Die Proteste der Landwirte sind auch im HSK auf viel Aufmerksamkeit gestoßen – was haben diese, aus Ihrer Sicht, bewirkt?

Wir sind sichtbar geworden und haben eine Welle der Sympathie in der Gesellschaft ausgelöst. Unsere Themen sind in der Politik endlich angekommen. Teilweise wurden die fahrlässig beschlossenen Kürzungen zurückgenommen. An den weiteren Punkten zum Thema Bürokratieabbau arbeiten wir derzeit im Hintergrund - bei Politikergesprächen. Natürlich werden nicht alle Forderungen zu 100 Prozent erfüllt, aber wir werden wirklich deutlicher gehört, und die Politik redet hoffentlich erst mit uns, bevor sie irgendwelche Änderungen einfach so beschließt. Dafür stehen wir aber in regelmäßigem und gutem Austausch mit unseren Politikern hier vor Ort und in Berlin. Des Weiteren haben die Proteste einen lange nicht dagewesenen Zusammenhalt unter den Landwirten bewirkt.

Gefühlt ist es derzeit ruhiger geworden – kommt da noch was?

Wir freuen uns, endlich raus auf die Flächen zu können und der Arbeit auf unseren Höfen nachgehen zu können. Gleichzeitig verfolgen wir natürlich mit kritischen Augen die Gespräche, die auf Bundesebene zu den versprochenen Bürokratieentlastungen geführt werden. Sollte man uns Landwirten dort nicht entgegengekommen, würde ich weitere Demonstrationen nicht ausschließen. Wichtig ist, dass die Politik nun endlich ein Zeichen setzt und nicht länger intern darüber diskutiert, ob und was abgeschafft werden kann. Der Forderungskatalog des DBV liegt seit Wochen vor - und im Moment sehen wir noch keine Veränderung. Wir haben ein riesiges Potenzial, uns an Veränderungen anzupassen: Seien es gesellschaftliche Anforderungen, veränderte Klimabedingungen oder Fragen des Marktes. Bauernfamilien haben schon immer sehr flexibel reagiert. So sind wir heute Vorreiter bei den erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Windkraft und Bioenergie), beim Technikeinsatz (GPS auf dem Schlepper), bei der Digitalisierung unserer Arbeitsabläufe (automatische Tierüberwachung und Fütterung). Bei der Biodiversität auf unseren Flächen machen wir vieles sichtbar (Blühstreifen zum Beispiel).

Wir sind sichtbar geworden und haben eine Welle der Sympathie in der Gesellschaft ausgelöst.
Wilhelm Kühn - Landwirt aus Arnsberg, zu den Protesten gegen Kürzungen in seiner Branche

Für die immer orientierungsloser werdende Gesellschaft sind wir Halt und Beständigkeit in unseren Dörfern. Auf uns kann man sich verlassen, sei es bei Hochwasser, Sturmereignissen oder aber auch im Karnevalsumzug und bei der Feuerwehr. Darauf sind wir stolz. Darauf aufbauend, müssen wir unsere Betriebe für die Zukunft wirtschaftlich stabil aufstellen, das ist die Herausforderung für die Zukunft.

Wie reagiert die „übrige“ Bevölkerung im HSK auf Ihre Proteste und Forderungen?

Meinens Wissens und durch die vielen Gespräche, die wir in der letzten Zeit mit Bürgerinnen und Bürgern geführt haben, aber auch mit anderen Berufsgruppen, stehen diese uns größtenteils positiv gegenüber und sehen, dass auch in anderen Branchen viel zu viel Bürokratie herrscht.

Wilhelm Kühn im Kuhstall seines Hofes in Arnsberg-Uentrop.
Wilhelm Kühn im Kuhstall seines Hofes in Arnsberg-Uentrop. © WP | Wolfgang Becker

„Neues Fass aufgemacht“: Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat den Vorschlag der Zukunftskommission Landwirtschaft begrüßt, den Umbau der gewerblichen Tierhaltung durch eine höhere Mehrwertsteuer auf tierische Produkte zu finanzieren. Was hält man im HSK davon?

Eine höhere Mehrwertsteuer ist nicht zielführend in der Diskussion, da diese nicht zweckgebunden ist. Damit ist nicht sichergestellt, dass diese Finanzierung auf den Höfen auch wirklich ankommt. Wenn der Verbraucher an der Ladentheke mehr Tierwohl fordert - in Deutschland herrschen ohnehin schon sehr hohe Standards - dann muss der Kunde das auch an der Ladentheke bereit sein zu bezahlen. Wichtig ist dabei, dass der höhere Verkaufspreis auch tatsächlich beim Erzeuger ankommt, ohne dass sich der Handel höhere Margen einstreicht.

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