Arnsberg. Im Kampf gegen Einbruchskriminalität im HSK gelingt der Kripo ein Fahndungscoup: Wie die Ermittler „Bigfoot“ erwischt haben.

Es ist schon nach Mitternacht - die Familie schläft tief und fest. Niemand bemerkt, dass ein Einbrecher im Haus ist, durch die Räume schleicht und auch vor dem Kinderzimmer nicht Halt macht. Keine Szene aus einem Horrorfilm, sondern Realität, mitten im Stadtteil Arnsberg, im vergangenen Jahr. Der Täter sitzt inzwischen hinter Schloss und Riegel, doch seine Taten - und vor allem seine Beweggründe - sind so skurril, dass die Kreispolizei das Ermittlungsverfahren „Bigfoot“ während der Vorstellung der Kriminalstatistik 2023 zu Wochenbeginn in den Fokus rückte. Auch, weil dieser Fahndungserfolg vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen bei Wohnungseinbrüchen so bedeutend ist.

Drehen wir die Uhr zurück: Am 26. Mai 2023 veröffentlicht die Polizei eine recht kurze Mitteilung: „Zivile Ermittler konnten nach umfangreichen Ermittlungen heute Nacht einen mutmaßlichen Serieneinbrecher festnehmen“, heißt es. Der 22-jährige Arnsberger stehe im Verdacht, seit Februar im Stadtgebiet Alt-Arnsberg mehrere Einbrüche begangen zu haben, u.a. im Bereich Am Dornbusch. „Nach der Festnahme durchsuchten die Ermittler die Wohnung des Täters in der Hellefelder Straße. Hier konnte mutmaßliches Diebesgut sichergestellt werden. Der Mann wurde am Freitag dem Haftrichter vorgeführt.“

Rückblick auf einen besonderen Fahndungserfolg: Kriminaloberkommissarin Lina Peters berichtet über das Ermittlungsverfahren „Bigfoot“.
Rückblick auf einen besonderen Fahndungserfolg: Kriminaloberkommissarin Lina Peters berichtet über das Ermittlungsverfahren „Bigfoot“. © WP | Torsten Koch

Am vergangenen Montag blickt Kriminaloberkommissarin Lina Peters, damals an der Fahndung beteiligt, während der Pressekonferenz im Mescheder Kreishaus auf das Ermittlungsverfahren (EV) „Bigfoot“ zurück. „Bigfoot“, weil der Täter auf großem Fuß lebt; Schuhgröße 46, um genau zu sein. Ein Detail, das ihm schließlich zum Verhängnis wird, denn bei einem seiner Raubzüge, in der Wolfsschlucht, wird er gestört, muss seine „Treter“ zurücklassen, flieht auf Socken vor der Polizei - und entkommt. Allerdings gelingt es den Fahndern tags darauf, mithilfe eines Mantrailer-Spürhundes den Kreis um „Bigfoots“ Wohnsitz enger zu ziehen. Die Kripo legt sich weiterhin auf die Lauer - und erwischt den Verdächtigen wenige Nächte später während eines Einbruchs im Stadtkern auf frischer Tat.

Auch interessant:

In den Vernehmungen stolpert der 22-Jährige erneut über ein Bekleidungs-Detail: Der auffällige, khakifarbene Parka, den er bei seinen nächtlichen Beutezügen regelmäßig trug, hilft den Fahndern bei der Beweisführung - ebenso wie ein Karton, den sie in seiner Wohnung sicherstellen, vollgestopft mit Papieren und Geldbörsen der Einbruchsopfer. Kriminaltechnische Ergebnisse, die der Staatsanwaltschaft bei der Anklage entscheidend weiterhelfen, denn aktenkundig ist der „Erwischte“ nicht: „Polizeilich zuvor ein völlig unbeschriebenes Blatt“, so die Kripo. Deren Beamte wundern sich erneut, als es um das Motiv des Täters geht.

„Ich brauchte den Kick“

„Sensation Seeking“, nennt Lina Peters das Stichwort. Soll heißen? Der durchaus bodenständige Arnsberger hat festen Wohnsitz, Freundin, Job - ist nicht drogensüchtig oder in Geldnot: „Ich brauchte den Kick“, gibt er zu Protokoll. Das erklärt auch die rasant steigende Taktung seiner Taten - kurz vor seiner Festnahme soll er sieben Einbrüche in einer einzigen Nacht begangen haben. 27 Delikte können die Kriminalbeamten ihm schließlich nachweisen, vor Gericht wird der Einbrecher zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt - ohne Bewährung.

Psychotherapeuten ist „die Lust am Risiko“ - so lässt sich Sensation Seeking wohl treffend übersetzen - sehr wohl bekannt. Das Phänomen muss nicht zwingend kriminelle Folgen haben. In Fachkreisen gelten u.a. Suchterkrankungen, Substanzmissbrauch (Alkohol, Zigaretten) oder riskantes Verhalten im Straßenverkehr (zu schnelles Fahren, Fahren unter Alkoholeinfluss, etc.) als mögliche Symptome. Der „typische Sensation Seeker“ will ein intensives, spannendes und abwechslungsreiches Leben führen, die Meinung von „Langweilern“ hat für ihn keine Bedeutung. Das Problem: Die Hemmschwelle sinkt oft stetig - und führt am Ende nicht selten zu Konflikten mit dem Gesetz.