Neheim. Großbaustelle am Seibertzweg: Anwohner ohne Parkplätze, aber mit kreativen Lösungen.

Luise Ladage feiert Ende des Monats ihren 92. Geburtstag. Die Neheimerin hat in ihrem Leben viele Katastrophen gemeistert, daher kann sie die Dauerbaustelle vor ihrem Haus am Seibertzweg nicht aus der Fassung bringen. Mit dem Rollator geht die rüstige Seniorin täglich vor die Tür und ist von den netten Bauarbeitern sogar schon mal, wie eine Prinzessin, über die schlammige Straße getragen worden. „Die Männer müssen halt ihre Arbeit machen und sind allesamt sehr hilfsbereit“, sagt sie.

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Anfang des Jahres flatterten den Anwohnern am Seibertzweg offizielle Anschreiben der Arnsberger Stadtwerke und der „Strassing GmbH“ ins Haus. Denn ab dem 5. Februar sollten Baumaßnahmen beginnen und dazu die gesamte Straße, von vorne bis hinten, abgesperrt werden. Zuerst erfolgt die Erneuerung des Abwasserkanals, beginnend an der Einmündung Schwester-Aicharda-Straße. Anschließend werden die Kanalhausanschlüsse vom Hauptkanal bis zur Grundstücksgrenze gelegt. In den nächsten Arbeitsschritten müssen die Gas- und Stromleitungen der Westnetz GmbH und die Trinkwasserleitung der Stadtwerke auf der ganzen Länge mit Hausanschlüssen erneuert werden. Abschließend dann die Straßenbauarbeiten - ähnlich wie zuvor im darunter liegenden Abschnitt an der Franz-Stock-Straße.

Bäuerin Lucia Busemann kann wegen der Baustelle ihre Waren nicht bis an die Haustür liefern. Daher verabredet sie sich mit den Anwohnern an der Straßenecke.
Bäuerin Lucia Busemann kann wegen der Baustelle ihre Waren nicht bis an die Haustür liefern. Daher verabredet sie sich mit den Anwohnern an der Straßenecke. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel

Die Arbeiten dauern voraussichtlich bis Ende 2024. Baukosten: rund 3 Millionen Euro. „Zum Glück müssen wir Anwohner nichts davon zahlen“, sagt Elisabeth Ladage. Sie ist die Schwiegertochter von Luise. Beide wohnen im gleichen Haus am Seibertzweg 3. „Die Stadt hat uns als Entschädigung für zwei Jahre die Straßenreinigungsgebühren erlassen.“

Elisabeth Ladage ist von der Notwendigkeit der Baumaßnahme überzeugt, zuweilen aber auch genervt. „Besonders die Parksituation ist belastend“, findet sie. Familie Ladage hat ein Elektroauto, das zurzeit nur bei Freunden, ein paar Straßen weiter, aufgeladen werden kann. „Das ist sehr umständlich“, sagt Elisabeth. Jeden Tag, wenn sie von der Arbeit kommt, kurvt sie erst einmal um den Block, um einen Parkplatz zu finden. „Dann mache ich ein Foto, damit ich am nächsten Tag auch noch weiß, wo ich den Wagen diesmal stehen gelassen habe“, lacht sie.

Ausweichparkplätze sind im Viertel knapp

Frank Albrecht, Pressesprecher der Stadt Arnsberg dazu: „Die Anwohner werden während der Bauphase gebeten, sich Parkmöglichkeiten außerhalb der Baustelle suchen. Ausweichplätze können von der Stadt nicht zur Verfügung gestellt werden. Wie bei allen anderen Baumaßnahmen in den letzten Jahren, wurde auch bei den Info-Veranstaltungen zu den erforderlichen Bauarbeiten frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Grundstücke während der Bauzeit in der Regel nicht anfahrbar sind und daher auch E-Fahrzeuge alternative Lademöglichen benötigen. Für diese kann die Stadt Arnsberg leider nicht sorgen.“

Auch die Franz-Stock-Straße ist komplett aufgerissen worden.
Auch die Franz-Stock-Straße ist komplett aufgerissen worden. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel

Elisabeth Wornik vom Seibertzweg 5 ist davon nicht betroffen, da sie kein Auto besitzt. „Aber meine berufstätige Tochter, die ihr vierjähriges Kind täglich zur Kindertagesstätte bringen muss, ist zuweilen genervt. Es fallen außerdem einige Parkplätze weg, da in den Straßen, in denen die Bauarbeiten bereits beendet sind, nun Bäume auf einigen Flächen gepflanzt worden sind.“

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Nachbarin Mariela Jürgens sieht ein, dass die Straße erneuert werden muss und weiß sich ebenfalls zu helfen. „Sonst bin ich mit dem Auto einmal die Woche zum Einkaufen gefahren. Jetzt nehme ich das Rad und fahre damit täglich zum Supermarkt.“ Die Nachbarn halten außerdem zusammen und haben eine WhatsApp-Gruppe gegründet, wo regelmäßig Hilfsangebote geteilt werden. „Wenn jemand seine Kiste Wasser nicht weit schleppen kann, findet sich hier eine starke Hand“, sagt Elisabeth Ladage.

Wenn Bäuerin Busemann mit ihrem Bio-Mobil kommt, gibt es einen Eierlikör und die Neuigkeiten des Tages.
Wenn Bäuerin Busemann mit ihrem Bio-Mobil kommt, gibt es einen Eierlikör und die Neuigkeiten des Tages. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel

Bäuerin Lucia Busemann, die normalerweise Gemüse, Obst, Eier und Fleisch direkt bis vor die Haustür liefert, ist ebenfalls in die WhatsApp-Gruppe eingeladen worden. „Darüber machen wir Termine aus und fahre mit meinem Bio-Mobil an die Ecke Seibertzweg/Schwester-Aicharda-Straße. Dort treffen wir uns regelmäßig.“ Zur Begrüßung gibt es einen Eierlikör und die Neuigkeiten des Tages. Letzte Woche bekam ein Nachbar beispielsweise ein großes Möbelstück geliefert. „Da haben die Bauarbeiter kurz mitangepackt und geholfen.“

Doch was ist, wenn ein Notarzt oder Feuerwehr schnell zum Seibertzweg müsste? - Frank Albrecht: „Im Notfall wird ein Rettungsfahrzeug so weit wie möglich in den Baustellenbereich einfahren, insbesondere die Fahrzeuge der Feuerwehr können aufgrund ihrer fahrzeugtechnischen Ausstattung auch Baustellenbereiche befahren.“

Und so soll es aussehen, wenn die Bauarbeiten beendet sind.
Und so soll es aussehen, wenn die Bauarbeiten beendet sind. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel