Oeventrop. Erneut tauchen Flyer mit rechtsradikalem Inhalt in Oeventrop auf. Was ist los in dem Arnsberger Stadtteil? Das sagen Oeventroper.
„Nachdem ich eben in den Briefkasten geschaut habe, habe ich zwei ‚Liebessticker‘ in demselben gefunden“, schreibt Daniel Weiß in die Facebook-Gruppe „Du bist Oeventroper, wenn ...“. Gemeint sind zwei Flyer, die rechte Propaganda enthielten. Außerdem habe er zwei Aufkleber an der Straßenlaterne gegenüber gesichtet. Aufkleber, die ebenfalls der rechten Szene zugeordnet werden können. „Meine Töchter haben sie dann direkt abgeknibbelt“, sagt Weiß im Gespräch mit dieser Redaktion.
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Bereits die Debatte um die Einrichtung einer ZUE für Geflüchtete am Standort Arnsberg-Oeventrop habe zur Folge gehabt, dass am Oeventroper Bahnhof ebensolche Aufkleber auftauchten. „Aber das ist nicht Oeventrop“, sagt Daniel Weiß, „ich fand es schlimm, dass - mitunter sogar demokratische Parteien - nach der Informationsveranstaltung zur ZUE gegen Oeventrop als Ort hetzten.“ Auch er selbst sei froh darüber gewesen, dass aus der ZUE am anvisierten Standort letztlich nichts geworden sei. „Das wäre mitten in einem Wohngebiet gewesen“, sagt er erklärend.
Rechtsdruck in der Gesellschaftsmitte angekommen
Insgesamt falle ihm auf, dass die rechtsradikale Propaganda teils in der Mitte der Gesellschaft angelangt sei - und das mache ihm auch Sorgen. Er habe auch schon mal kleinere Treffen von Anhängern einer eindeutig rechtsextremen Partei in der Kneipe gesehen. Auch im erweiterten Bekanntenkreis bekomme man schon einmal mit, dass der Rechtsdruck höher werde. „Aber da halte ich immer gegen“, sagt Daniel Weiß sicher. „Letztlich ist es ganz einfach: Entweder man ist für die Demokratie oder halt dagegen.“
Würde gegen Geflüchtete gehetzt, frage er die hetzende Person gerne, ob und wen sie denn kenne, der geflohen ist und nun in Arnsberg sei. „Meistens kennen die Menschen dann ja niemanden persönlich, der geflüchtet ist.“ Genau das sei der Fehler. Zunächst einmal müsse man den Menschen sehen - dann erst seine Herkunft oder seine Leistungen.
Insgesamt kann er „die rechte Hetze“ nicht nachvollziehen. „Ich habe einen afghanischen jungen Mann ausgebildet, der hinterher als Prüfungsbester abgeschlossen hat“, sagt er, „er hat sich durchgebissen, mittlerweile ein Haus gekauft und besucht die Meiterschule.“ Als Fliesenlegermeister hat Daniel Weiß bislang keine schlechten Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht. „Auch mein aktueller Geselle, der mit 15 Jahren allein nach Deutschland kam, hat eine gute Prüfung abgelegt.“
Facebook-Posting findet Anklang
Sein Facebook-Posting schloss Daniel Weiß humorvoll ab: „Schaut doch mal in eure Briefkästen und kontrolliert die Straßenlaternen. Nicht dass ich der einzige bin, der nach der Machtübernahme der rechten Partei das Land verlassen muss.“ Wiederholt diesen Satz auch im Gespräch. Und dennoch steckt eine gewisse Sorge dahinter. „Ich glaube, dass diese Partei innerhalb von vier Jahren so viele Änderungen durch- und umsetzen würde, dass es der Demokratie in Kürze schaden würde“, sagt er. Und genau das wolle er nicht.
Auch Daniel Büenfeld aus Oeventrop kennt die Flyer im Briefkasten oder auch an Privatautos hinterm Scheibenwischer. „Ich merke, dass bei vielen Menschen die Sorgen wachsen, dass wir irgendwann die Zustände der 1930er-Jahre hier bekommen“, sagt er. Allein die aktuellen Zahlen in den östlichen Bundesländern bereiten ihm Sorgen. Er selbst habe auch schon Situationen erlebt, in denen die NSDAP und auch die AfD verharmlost worden seien. „Nun diese Aufkleber und Flyer“, so Daniel Büenfeld, „das macht was mit dem Dorf.“
Bürgermeister Ralf Paul Bittner, der selbst in Oeventrop zu Hause ist, sagt klar, dass „menschenfeindliche Gruppierungen und ihre Gesinnung keinen Platz in Arnsberg haben“. Das würden die demokratischen Parteien gemeinschaftlich zusammen mit der Verwaltung und vielen weiteren Akteuren und Akteurinnen aus der Stadt auch nochmal deutlichen machen. „Für eine offene und bunte Stadtgesellschaft“, sagt er, „Das ist Arnsberg und das ist auch das Arnsberg, das unsere Gesellschaft und Unternehmen aus- und stark macht.“
38 rechtsmotivierte Straftaten im HSK
Die Kriminalstatistik für den HSK im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität rechts“ zeigt 38 rechtsmotivierte Straftaten im Jahr 2022 auf. Im Einzelnen sind das Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und Beleidigungen (§§86, 86a StGB).
Im Vergleich zu den deutschlandweiten Zahlen, die für das Jahr 2022 genau 20.967 (2021 genau 20.201) Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund nennen, scheint diese Zahl gering. Dennoch ist auch hier ein Anstieg zu verzeichnen. Denn im Jahr 2021 waren es HSK-weit 31 Straftaten (2020 waren es 24), die den antisemitischen und rechtsmotivierten Straftaten zuzuordnen sind.
Das Bekleben von Laternenpfählen stellt ebenfalls eine Straftat dar. „Für Plakatierungen benötigt man eine Genehmigung der zuständigen Stadtverwaltung“, so Michael Schemme, Sprecher der Polizei HSK, „Sollte jemand fremdes Eigentum mit Aufklebern versehen, ohne dass ein Einverständnis vorliegt, setzt man sich der Gefahr aus, strafrechtlich verfolgt zu werden.“ Hier sei jedoch im Einzelfall zu entscheiden - denn zusätzlich seien der Inhalt bzw. die verwendeten Symbole maßgeblich, ob ein strafbares Handeln vorliege.