Hüsten. Gewerkschafter Marco Rafolt hat sich seinen Magen verkleinern lassen. 90 Prozent sind weg. Der 42-Jährige macht große Pläne.

„Keine Cola Zero von der Tankstelle“, sagt Marco Rafolt, „keinen Schokoriegel mal zwischendurch.“ Nach seiner Magenverkleinerung vor etwa sieben Wochen hat sich das Leben des Gewerkschafters von Grund auf geändert. Er führt ein Ernährungstagebuch, isst fünf kleine Mahlzeiten am Tag und nennt Paprika seinen „new shit“.

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Der 42-Jährige war noch nie schlank, sagt, er sei schon als dickes Kind geboren worden. „Noch heute erzählt mein Patenonkel von der körperlichen Belastung, als er mich bei der Taufe auf dem Arm halten musste.“ Doch in den vergangenen Jahren habe er schon oft über den Schritt der Magenverkleinerung nachgedacht. „Mir wurde vieles unangenehm“, sagt er. Das Reisen im Flugzeug – aufgrund der Enge. „Ich habe immer versucht, einen Sitz zu ergattern, neben dem ein freier Platz ist.“ Der Besuch der Hüstener Kirmes. „Ich fahre kein Karussell, da ich nicht hineinpasse.“ Er zählt viele weitere Situationen auf.

Im Sommer dieses Jahres fällt die Entscheidung – auf einer seiner Auschwitz-Rundführungen, die er seit Jahren anbietet. „Ich war auf einem Seminar in der Gedenkstätte Auschwitz. Elf Kilometer sind wir gelaufen und ich habe mich nur noch darauf konzentrieren können durchzuhalten“, sagt der Hüstener. „In diesem Moment habe ich mich entschieden, den krassen Weg zu gehen und operativ einzuwirken.“ Umgehend vereinbart er einen Termin mit dem Adipositas-Zentrum Frankfurt.

BMI (Body-Mass-Index) bei über 50

Es folgen ein erster Beratungstermin, eine körperliche und auch psychische Untersuchung sowie eine Ernährungsberatung. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine Magenverkleinerung, wenn der BMI (Body-Mass-Index) mindestens 40 beträgt. Marco Rafolts BMI liegt bei über 50.

Er leidet unter keiner Essstörung, stopft sich auch nicht mit Süßkram und Chips voll. Gut, auf ein Eis kann er nur selten verzichten, gibt er zu. „Aber in erster Linie habe ich zu unregelmäßig gegessen“, sagt er, „teils am Tag nichts und dann abends richtig.“ Aufgrund seines Jobs, in dem er viel unterwegs ist, habe er oft Fast Food gegessen. „Zwischendurch mal eben einen Burger von Mc Donalds; einen Schokoriegel von der Tanke; Pizza bestellt.“

Am 26. Oktober dieses Jahres ist Schluss damit. Denn an diesem Tag wird sein Magen mit Gas gefüllt und etwa 90 Prozent desselben entfernt. Er wird verschweißt und erneut mit Gas gefüllt. „Die Ärzte mussten ja schauen, ob er dicht ist.“ War er, OP beendet. Marco Rafolts Magen fasst nur noch rund 150 ml. Ein Bruchteil dessen, was er vorher zu sich nahm.

Das ist eine Kopfsache – diese gesamte Umstellung kann schon auf die Psyche schlagen. Es geht nur mit Humor. Alles.
Marco Rafolt - zum Umgang mit der Lebensumstellung

Und das Gas? „Tja, das musste ja auch irgendwie wieder raus“, sagt er und lacht, „wir waren etwa sieben Personen dort, die allesamt eine Magenverkleinerung vornehmen ließen. Und während unserer ersten Ernährungsberatung nach der OP wollte das Gas raus. Alle pupsten und rülpsten.“

Proppevoll von einem halben fettarmen Joghurt

Am Tag nach der OP stellt ihm die Krankenschwester einen 150 ml Joghurt auf den Tisch. 0,1 Prozent Fett. „Ist das Ihr Ernst?“, fragt er? „Warten Sie’s ab.“ Gerade einmal den halben Joghurt habe er essen können. „Mehr ging nicht.“ Insgesamt habe er seit der OP kein Hungergefühl mehr. „Ich esse, weil ich es muss – nicht, weil ich hungrig bin.“ Dies ändere sich noch - daher sei er in seiner neuen Ernährung konsequent.

Nur wenige Tage später verlässt er bereits das Krankenhaus. Wird prompt von der Familie zum Essen eingeladen – und bestellt im Restaurant: ein Glas Milch. Er lacht, während er von der verdutzten Reaktion der Restaurantmitarbeiterin spricht. Doch in den ersten zwei Wochen nach der OP ist er an Brei und Flüssignahrung gebunden.

193 Kilogramm wiegt Marco Rafolt vor der operativen Magenverkleinerung. Nun hat er bereits mehr als 23 Kilogramm abgenommen. In nur sieben Wochen. „In den ersten zwei Wochen verlor ich gut ein Kilo pro Tag.“ Jetzt aber beginne der schwierige Part: das Durchhalten. „Das ist eine Kopfsache – diese gesamte Umstellung kann schon auf die Psyche schlagen.“ Aber er ist ein humorvoller Mensch, ohne ein Blatt vor dem Mund. Er sagt, was er denkt, was er fühlt. Und genau das scheint ihm den nötigen Pfiff zu geben. „Es geht nur mit Humor“, sagt er, „alles.“

Gesunder Ernährungsplan nach Tagebuch

Heute ernährt er sich hauptsächlich von Obst und Gemüse. Auch Milchprodukte und Fisch stehen auf seinem Ess-Plan. „Ich musste meine Ernährung komplett umstellen“, sagt er, „auf viele Nahrungsmittel verzichte ich komplett, auch um nicht wieder in alte Muster zu fallen.“ So gebe es bei ihm keine Cola Zero mehr. „Nur noch in Form von Eiswürfeln, die ich mir des Abends mal gönne, wenn ich mich für ein gutes Training belohne.“ Denn auf Kohlensäure sollte er verzichten – das Schockfrosten entzieht der Cola Zero diese jedoch.

„Ich trainiere seit etwa zwei Wochen nach der OP dreimal die Woche.“ Jeweils zweieinhalb Stunden verbringt er im Fitnessstudio. Eine halbe Stunde Laufband, dann Gerätetraining und zum Abschluss noch einmal das Laufband oder auch Spinning-Rad. „Sport ist jetzt unwahrscheinlich wichtig.“

Der Schlauchmagen

Beim Schlauchmagen wird ein Teil des Magens vollständig entfernt. Übrig bleibt ein ca. zwei bis drei Zentimeter schmaler Schlauch (Restmagen), wodurch deutlich weniger Nahrung aufgenommen werden kann. Damit setzt das Sättigungsempfinden viel schneller ein. Die schnelle Sättigung resultiert zum einen aus der deutlichen Verkleinerung des Magenvolumens und zum zweiten daraus, dass die Produktion eines wichtigen Hungerhormones (Ghrelin), das hauptsächlich im Magenfundus produziert wird, deutlich herab gesetzt wird.

Ein wesentlicher Vorteil des Schlauchmagens liegt darin, dass im Gegensatz zum Magenbypass oder der so genannten BPD (Biliopankreatische Diversion) der normale Weg der Speise erhalten wird. Diese wird, wie vor der Operation, portionsweise an den Dünndarm weitergeleitet. Relevanz hat diese Tatsache auch für die Einnahme von Medikamenten, die weiterhin normal verstoffwechselt werden.

Der Schlauchmagen wird in einigen Fällen als Ersteingriff (Bridging) in einem Zweistufenkonzept bei extrem übergewichtigen Menschen empfohlen. Nach einem erheblichen Gewichtsverlust und der Verbesserung der allgemeinen gesundheitlichen Situation kann sich, wenn notwendig, eine zweite Operation, wie zum Beispiel die Umwandlung in einen Magenbypass oder eine BPD-Operation anschließen.

Neben dem Schlauchmagen bzw. dem Sleeve sind auch der Magenbypass und die Biliopankreatische Diversion möglich.

Quelle: Adipositas-Zentrum Frankfurt

Marco Rafolt fühlt sich rundum wohl. Schläft wieder besser. Fühlt sich fit. Er kann wieder Treppen steigen – und reist Anfang Dezember schon wieder zur Gedenkstätte Auschwitz. „Es war die fünfte und letzte Fahrt in diesem Jahr.“ Und während er auf das Essen verzichten kann, sich sogar mit einem am Handy eingestellten Wecker daran erinnern muss, so ist er dennoch sein Leben lang auf Tabletten (z.B. Vitamine) angewiesen.

„Der Körper tut so, als verhungere er“

Denn „der Körper braucht gewisse Nährstoffe ja trotzdem, die ich nun nicht mehr über die Nahrung aufnehmen kann“, sagt er. Und noch etwas: Die überschüssige Haut wird natürlich auch nach und nach mehr. „Noch geht es, aber irgendwann wird das heftig.“ Zwar könne er sich diese dann auch entfernen lassen, aber „das geht erst nach eineinhalb Jahren etwa“. Auch könne es passieren, dass er an vorübergehendem Haarausfall leide. „Der Körper tut so, als verhungere er. Er wehrt sich zunächst, an die Reserven zu gehen.“

Egal. Marco Rafolt freut sich auf sein neues Leben. Überlegt schon, zu welchem Zeitpunkt er sich neue Kleidung gönnt, genießt den großen Platz zwischen Lenkrad und Bauch in seinem Dacia – und freut sich auf die nächste Hüstener Kirmes mit seinen Neffen. „Die beiden freuen sich darauf, mit mir Karussell zu fahren. Ich mich auch!“