Arnsberg/Sundern. Viele Kirchenaustritte in Arnsberg und Sundern, zunehmende Distanz zum Glauben: Darum sehen Kirchen das Weihnachtsfest als ihre Chance.
Eigentlich hätten die Kirchen in Arnsberg und Sundern allen Grund, kräftig Frust zu schieben. Im Jahr 2023 wird es hier wieder mehr als 1000 Kirchenaustritte gegeben haben, nachdem im Vorjahr schon fast 1700 Menschen beim Amtsgericht ihre formale Abkehr von der Kirche erklärt hatten. Und doch schauen Kirchenvertreter erwartungsfroh auf das Weihnachtsfest. Die Feiertage bieten die Chance, Menschen zu erreichen, die sonst mit der Kirche nicht mehr allzu viel am Hut haben. „Einfach kommen und ausprobieren“, sagt die in Neheim tätige evangelische Pfarrerin Larissa Hachmann-Figgen (33). Ihr katholischer Kollege Propst Stephan Schröder (54) aus Arnsberg ergänzt: „Wir freuen uns über jeden, der kommt und neugierig ist“, sagt er, „vielleicht ist der Weihnachtsgottesdienst ja der erste Schritt, die Kurve zum oder zurück zum Glauben zu kriegen“.
Ausdrücklich lädt Stephan Schröder auch die längst aus der Kirche ausgetretenen Menschen ein. „Natürlich ist es frustrierend, wenn man auf diese Zahlen schaut, aber es gab ja auch die einen oder anderen guten Gründe der Menschen dafür“, sagt er selbstkritisch. Weihnachten verfolge er nun den Ansatz, dass Besucher „einen schönen Gottesdienst erleben, den sie als Bereicherung empfinden und der sie stärkt“. Wenn dies gelinge, sei schon sehr viel gewonnen. Die Erfahrung mit Gott und die weihnachtliche Stimmung sei das Geschenk, das die Kirchen zum Fest machen könnten.
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Die Kirchenvertreter reden sich die Situation nicht schön, suchen aber aktiv die Chancen. „Weihnachten ist das Fest, an dem wir auf die Gemeinde zugehen können“, sagt Larissa Hachmann-Figgen, „wir wollen die Türen öffnen auch für die, die zweifeln. Jeder, der kommt hat seine Berechtigung.“ Es sei anzuerkennen, dass es die verschiedensten Anknüpfungspunkte zur Kirche gebe. Sei es das Engagement beim Krippenspiel, das in Neheim mit 25 Kindern aufgeführt wird, der Kirchenbesuch nur zu Weihnachten oder regelmäßige Teilnahme am Gemeindeleben. „Wir haben Respekt für die unterschiedliche Art zu glauben“, sagt die Pfarrerin.
Weihnachten macht die Kirchen voll. Im Wirtschaftsleben würde man vom niederschwelligen Kundenkontakt sprechen. „Wir müssen jetzt die richtigen Worte finden, um die Menschen anzusprechen und sie im Herzen zu berühren“, weiß Larissa Hachmann-Figgen. Und das am besten mit Gottes Botschaft. „Denn die ist gut“, sagt die Pfarrerin, „wir haben in der Kirche viel zu bieten von dem, was Menschen gerade in dieser Zeit suchen“. Klingt nach einer Art Elfmeter in einem Fußballspiel, durch den man einem fast verlorenen Spiel noch die Wende geben kann. Diese Chance darf man nicht versemmeln. Und so spricht auch Stephan Schröder von „einem hohen Anspruch“, der hinter der Idee stehe, an Weihnachten Menschen zurück zur Kirche zu führen oder sie in ihrem Glauben zu stärken.
Auch er macht klar, dass Kirche ein gutes Angebot mache. „Wir wollen ein Sinnanbieter sein“, erklärt Stephan Schröder, „und mit dem, was wir da zu bieten haben, müssen wir uns nicht verstecken.“ Darüber hinaus sei das Christentum in seiner Rolle Träger kulturellen Zusammenlebens. „Vieles basiert einfach auf dem christlichen Menschenbild“, so Schröder. Da sei wichtig zu wissen, wo man herkomme, „um eine gute Zukunft zu haben“.
Die Zahl der Kirchenaustritte in seiner Propstei sei im ablaufenden Jahr von 400 in 2022 auf rund 220 zurückgegangen. „Immer noch ein hohes Niveau“, weiß der Propst. Zumal die Zahl der Beerdigungen ja deutlich höher sei als die der Taufen. „Sicher muss man sich heute mehr und mehr als Christ bekennen und erklären, warum man glaubt“, sagt Stephan Schröder, „eine Kirche in der Minderheit war aber schon immer eine starke Kirche.“