Arnsberg. Musiklehrer und Chorleiter Peter Sölken erklärt, wieso die Weihnachtsklassiker mitreißen und warum Kitsch nötig ist.
An der Weihnachtsmusik scheiden sich bekanntlich die Geister. Die einen können es kaum erwarten, schon Ende November „Last Christmas“ im Radio zu hören und mitzusingen, die anderen finden sie eher kitschig und nervig. Eines eint jedoch das absolute Gros der Leute: Jeder kennt die typischen Weihnachtslieder und kann sie oftmals mitsingen. Aber warum ist das eigentlich so? Der Arnsberger Musiklehrer Dr. Peter Sölken gibt im Interview einen Einblick in die Wirkung weihnachtlicher Musik.
Zunächst zu Ihnen persönlich, Dr. Sölken: In welchem Verhältnis stehen Sie zur Musik?
An der Musikschule HSK übernehme ich die Bezirksleitung West und unterrichte am Arnsberger Mariengymnasium unter anderem Musik. Meine Heimat ist aber das Chorsingen. Seit Gerd Schüttlers Tod im Jahr 2000 leite ich die Kammerchorabteilung des Gerd-Schüttler-Chors. Da habe ich noch als Mitglied auch selber mit dem Singen angefangen.
Zwischen Musikschule und Chorleitung - kommen Sie da regelmäßig in Kontakt mit Weihnachtsmusik?
Genau! Der Arnsberger Männer-Chor gibt schon seit 1968 zusammen mit dem Gerd-Schüttler-Chor unter dem Motto „Helfen durch Musik und Gesang“ Benefizkonzerte zu Weihnachten. Deswegen habe ich bereits einige Weihnachtskonzerte sowohl als Chormitglied als auch als -leiter erleben dürfen.
Wie sind diese Weihnachtskonzerte gestaltet?
Wir geben immer drei Konzerte: Zwei im Sauerlandtheater, bei denen wir Eintritt nehmen und ein Open-Air-Konzert, das kostenfrei zu besuchen ist. Beim Open-Air-Konzert weicht das Programm auch ein wenig von den anderen ab. Wetterbedingt musste es dieses Jahr zwar in der Liebfrauenkirche stattfinden, aber es waren trotzdem knapp 400 Besucher da. Die Konzerte beginnen, indem alle vier Chorgruppen - das sind zwei Kinderchöre, ein Jugendchor und der Kammerchor - zusammen mit dem Männer-Chor mehrere Lieder singen. Dann stehen gut 150 Sänger im Alter von drei bis 85 Jahren auf der Bühne. Gerade die erfahreneren Choristen singen oft schon seit 30, 40, 50 Jahren oder länger, das finde ich besonders cool. Wenn alle Gruppen das Konzert zusammen mit einem Weihnachtsklassiker wie „Oh, du fröhliche“ einleiten, wird die gesamte musikalische Bandbreite von allen Stimmen abgedeckt - ein sehr stimmungsvoller Moment. Danach präsentieren die einzelnen Chöre einige Stücke, und in diesem Jahr haben wir zum 55-jährigen Jubiläum der Weihnachtskonzerte die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens als Musical nachgespielt. Das gesamte Programm ließe sich natürlich ohne die viele Arbeit unserer Moderatorin Michaela oder unserer Kinderchorleiterin Nicole und Jugendchorleiterin Simone nicht umsetzen.
Was für eine Atmosphäre entsteht auf einem so großen Konzert?
Wir Musiker freuen uns natürlich total auf die Auftritte. Vorher gibt es Probenwochenenden, auf denen viel gearbeitet, aber auch viel gelacht wird. Die schweißen uns zusammen. Und auch aus Besucherperspektive ist so ein Konzert ein schönes Ereignis in der dunklen Jahreszeit. Die Besucher kommen meistens zusammen mit Freunden oder Familie und verbringen einen gemeinsamen Abend zusammen. Höhepunkt ist vor allem beim Open-Air-Konzert der Mitsingteil. Bei dem hört man nicht nur den Chor, sondern auch das gesamte Publikum die Klassiker gemeinsam singen. Generell freuen wir uns als Chor immer sehr, wenn nach den Konzerten neue Interessierte auf uns zukommen, und selber Mitglieder im Chor werden wollen. Dort zu singen, ist eine noch intensivere Erfahrung.
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Wieso reißen Weihnachtslieder die breite Masse so mit?
Gerade die traditionellen Weihnachtslieder rufen bei vielen Menschen eine Verbindung zu vergangenen Weihnachten und einer einzigartigen Stimmung auf. Diese Lieder lösen idyllische Erinnerungen in uns aus. Aber auch aus musikalischer Sicht lässt sich ein Erklärungsansatz finden: Die Weihnachtsklassiker sind relativ simpel komponiert. Es gibt eine einfache, wiederkehrende Melodie und einen eingängigen Text - damit liefern sie Potenzial für Ohrwürmer. Außerdem bin ich persönlich der Meinung, dass uns ein wenig Kitsch ganz guttut. Wie viel, soll jeder für sich selber wissen. Die Weihnachtsklassiker bieten jedenfalls sicherlich solchen Kitsch. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die jazzig-swingigen Weihnachtssongs aus den USA. Die faszinieren eher wegen ihres lockeren Charakters.
Sie sprechen damit einen neuen Stil von Weihnachtsliedern an. Fällt Ihnen generell ein Wandel im Weihnachtsliedgenre auf?
Den gibt es, auch bei uns im Chor. Der Jugendchor sucht sich beispielsweise gerne poppige Stücke heraus. Besonders aus dem skandinavischen Raum gibt es Lieder mit sehr schöner Klangfarbe. Außerdem müssen wir berücksichtigen, dass sich unsere Sprache seit der Entstehung der Weihnachtsklassiker gewandelt hat. Die Formulierungen aus den Texten sind uns heute etwas fremd. Trotzdem, oder vielleicht deswegen, kommen die Klassiker sehr gut an. Deshalb ist es unser Ziel als Chor, die Weihnachtsklassiker einerseits zu bewahren und andererseits neue Impulse und neue Lieder zuzulassen.