Voßwinkel. Bei Tagung der im Ukraine-Krieg intensiv helfenden Boeselager-Stiftung in Voßwinkel sorgen ukrainische Partner für bewegende Momente.
Es sind die Helfer der ersten Stunde. Nur wenige Organisationen konnten direkt nach dem Überfall von Russland auf die Ukraine vor mehr als 20 Monaten so schnell helfen wie die Csilla-von-Boeselager-Stiftung aus Arnsberg. Schnell griffen bestehende Netzwerke in Osteuropa und wurden weiter geknüpft, um nah am Menschen im Krieg die nötige Unterstützung zu leisten. Jetzt zur Mitgliederversammlung der Stiftung kamen auch ukrainische Partner nach Voßwinkel. Sie richten einen dringenden Appell an die Welt, die Ukraine nicht zu vergessen und ihr zum Frieden zu verhelfen.
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„Ich hoffe sehr, dass wir in einem Jahr keinen Krieg mehr haben“, sagt Tünde Hnatik in Voßwinkel, „die Sehnsucht nach Frieden ist sehr groß, jedenfalls in der Bevölkerung. Wir sind alle furchtbar müde.“ Die 31-jährige Informatikerin war 18 Stunden unterwegs, um nach Voßwinkel zu kommen. Es war ihr ein Herzenswunsch unbedingt davon zu berichten, „was wir jeden Tag an Leid erleben und wie dankbar wir für die Unterstützung sind“. Seit Beginn des Angriffskrieges hilft sie in einem Spendenlager in der westukrainischen Stadt Berogovo. Was ehrenamtlich begann, ist für sie nun Beruf. Sie gilt als lokaler Manager der Hilfsarbeit der Boeselager-Stiftung. Dabei packt die Mutter eines dreijährigen Kindes immer mit an, sitzt auch schon einmal tagelang auf dem Gabelstapler, wenn es an freiwillig Helfenden fehlt, um tägliche Lieferungen zu überprüfen und für die Verteilung vorzubereiten.
Beregovo ist das Zentrum des Ukraine-Engagements der Boeselager-Stiftung. 55 Prozent der dort verteilten Hilfsgüter stammen aus Spenden der Boeselager-Stiftung. Auf 10.000 Quadratmeter Lagerfläche organisiert die Arnsberger Stiftung gemeinsam mit den ukrainischen Maltesern die Hilfe. „Und die wird täglich mit kleinen Transporten zu den verschiedenen Dörfern an der rund 1000 Kilometer entfernten Frontlinie gebracht“, erzählten die Helfer aus dem überfallenden Land. Als Transportpartner werden „auf Herz und Nieren geprüfte“ Organisationen ausgewählt. Der überwiegende Teil der Spenden besteht aus Sachspenden - etwa 20 Prozent werden in der Ukraine, Ungarn oder Polen zugekauft.
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Franziskus von Ketteler, Gastgeber der Mitgliederversammlung auf Schloss Höllinghofen in Voßwinkel, berichtet von emotionalen Momenten bei der Zusammenkunft und weiß zudem um die Sorge der Stiftung, „dass der neuerdings gigantische Bedarf vor Ort in den nächsten Jahren nicht mehr gedeckt werden kann, weil die Spendenbereitschaft spürbar rückläufig ist“.
„Im Moment fehlen uns Lebensmittel beziehungsweise Geld, um sie zu kaufen“, sagt Tünde Hnatik, „jeden Tag wird die Not der Menschen ein bisschen schlimmer.“ Wenn nun die Temperaturen fallen, würden auch warme Decken und Notstromaggregate gebraucht.
Die Arbeit der Boeselager-Stiftung
Die Boeselager-Stiftung betreibt insgesamt 17 Projekte an sieben Standorten in Osteuropa.
Die 1991 von der gebürtigen Ungarin und Namensgeberin gegründeten Stiftung Csilla von Boeselager verfügt heute über 204 Mitglieder. Sie konzentriert sich auf Nothilfeprojekte in den jungen Demokratien Osteuropas. Seit ihrer Gründung wurden etwa 3500 Hilfstransporte im Wert von über 60 Millionen Euro zusammengestellt und verschickt. Jedes Projekt verfügt über einen Paten oder eine Patin, die in ständigem Kontakt mit den Verantwortlichen vor Ort stehen.
Das Spendenkonto der Boeselager-Stiftung ist: Csilla von Boeselager Stiftung Osteuropa, Sparkasse Arnsberg-Sundern, IBAN: DE41 4665 0005 0000 0333 32
Geholfen wird an mehreren Standorten in der Ukraine. Insgesamt seien seit Beginn des Krieges allein in die Ukraine 1700 Tonnen Hilfsgüter im Wert von 10 Millionen Euro ausgeliefert worden. Über die Suppenküchen der Stiftung in Saporischja und Lemberg konnten insgesamt 1,55 Millionen Mahlzeiten ausgegeben werden. Etwa 5000 Evakuierungen, darunter von 1240 vulnerablen Menschen, wurden organisiert und durchgeführt. Die Stiftung schaffte zehn Transportfahrzeuge an und errichtete zwei große Lagerhäuser. Das alles ist nur möglich, weil das Spendenvolumen mit Beginn des Ukrainekrieges sprunghaft zugenommen hat. Bewegte sich dieses zwischen 2000 und 2021 im Jahr zwischen 75.000 und 165.000 Euro wurden in 2022 fast 3,5 Millionen Euro gespendet und direkt in die Hilfsprojekte investiert.
Alltag im Krieg
Der Alltag im Krieg für Tünde Hnatik, die nur mit viel bürokratischem Aufwand nach Arnsberg kommen konnte, geht nun in Beregovo weiter. Täglich eintreffende Hilfsgütertransporte, die allesamt erfasst und geprüft sowie zielgenau zu den Bedürftigen gebracht werden müssen. Und das alles im Krieg. „Etwa zweimal am Tag meldet mein Mobiltelefon Luftalarm“, erzählt die junge Frau. Wie lange der Krieg dauern wird und ob er zu gewinnen ist, weiß sie nicht. „Ich kann dazu nichts sagen. Das ist Sache der Militärs und Politiker“, sagt sie, „unsere Aufgabe ist es die allerschlimmste Not der Menschen zu lindern. Dafür arbeiten wir jeden Tag der Woche, ohne Pause und ohne Wochenende.“