Arnsberg. Zum Weltflüchtlingstag: Imran und Farhad sind in Arnsberg angekommen - leben und arbeiten in ihrer neuen Heimat. So haben sie es geschafft.

Es sind nur rund 60 Minuten, die Imran K. im Schlauchboot sitzt und auf der gefährlichen Mittelmeerroute in die EU einreist. 60 Minuten, in denen er nicht nachzudenken versucht, und in denen er dem Tod näher als ihm lieb ist. Es ist dunkel, kalt und nass. Und das Boot? Völlig überfüllt. „Wir waren 40 bis 50 Menschen auf diesem Boot“, sagt er, „wir sind einfach eingestiegen, aber wir hatten auch richtig Angst.“

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2015 sterben mehr als 3670 Menschen allein im Mittelmeer, rund 140 weitere in anderen Teilen Europas. Auch acht Jahre später, 2023, sterben immer noch Menschen im Meer, wie das Schiffsunglück in den vergangenen Tagen vor der Küste Griechenlands zeigt. Denn auch dort sollen mehr als 500 Menschen ertrunken sein, während sie versuchten, von Libyen nach Italien zu kommen. In diesem Jahr ertranken bisher 1.166 Menschen (Stand: 9. Juni) bei der Flucht über das Mittelmeer. Insgesamt seit 2014 mehr als 26.924 Menschen.

Auch Farhad Y. kennt das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Das Gefühl der Angst auf dem schwankenden und zu sinken drohenden Schlauchboot. „Wir haben diese Gefahr in Kauf genommen“, sagt er, „ein Zurück gab es nicht mehr.“

Flüchtlingshilfe Arnsberg

Shahin Kiumarssi arbeitet für den Ökumenischen Förderverein für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg e.V.

Dieser wurde 2004 von engagierten Christen beider Konfessionen gegründet und führt seine Beratungsstelle am Berliner Platz 4a. Wer den Verein unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende an:

Sparkasse Arnsberg-Sundern

IBAN: DE90 4665 0005 0000 0608 71 (BIC: WELADED1ARN) oder im Rahmen einer Mitgliedschaft.

Er und Imran K. lernen sich Ende des Jahres 2015 kennen. Imran lebt seinerzeit in der Arnsberger Notunterkunft in der Pestalozzischule. Farhad Y. ist eigentlich in Fulda untergebracht, wird aber dann aufgrund von „Platzmangel“ nach Arnsberg geschickt. Beide sind zu diesem Zeitpunkt keine 18 Jahre alt – also unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (so die gesetzliche Bezeichnung). Sie werden in die Obhut des Jugendamts gegeben – und damit in die Hände der Flüchtlingshelferin Shahin Kiumarssi, die für den ökumenischen Förderverein für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg e.V. arbeitet.

Angst in Arnsberg vor Abschiebung und Perspektivlosigkeit

Imran K. ist 25 Jahre alt und kommt aus Bangladesch. Mit 15 Jahren etwa zieht er in den Iran, illegal. „Ich habe gearbeitet und bin mit dem Taxi zum Einkaufen und schnell wieder nach Hause gefahren“, erzählt er, „damit ich nicht erwischt werde.“ Nach zwei Jahren wird es ihm zu gefährlich – er entscheidet sich für die gefährliche Route nach Europa und zahlt satte 2.000 Dollar an die Schlepper. „Meine Familie hat dafür gesorgt, dass ich das Geld dafür habe“, sagt er.

Shahin Kiumarssi arbeitet beim ökumenischen Förderverein für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg e.V. und steht auch Imran und Farhad zur Seite. 
Shahin Kiumarssi arbeitet beim ökumenischen Förderverein für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg e.V. und steht auch Imran und Farhad zur Seite.  © Thora Meißner

Angekommen in Deutschland verbringt er ein paar Tage in einer großen Erstaufnahmeeinrichtung – und wird dann mit vielen weiteren Menschen im Bus direkt zur Pestalozzischule in Hüsten gebracht. Mit Shahin Kiumarssis Unterstützung lernt er Deutsch, erreicht seinen Hauptschulabschluss und absolviert eine Ausbildung im Bereich der Umzugshilfe. „Es war nicht einfach, vor allem sprachlich“, sagt er, „auch war Shahin manchmal schon ein bisschen strenger. Aber heute weiß ich, warum.“ Sie motiviert, ebenso wie Imrans Angst vor der Abschiebung und der dann drohenden Perspektivlosigkeit.

Heute ist es sein Traum, irgendwann ein eigenes Restaurant eröffnen zu können – und seine sechs Geschwister sowie seine Eltern irgendwann mal wiederzusehen. Aber das ist aktuell eher unwahrscheinlicher. Auch Farhad Y. schafft seinen Abschluss und macht eine Ausbildung als Kaufmann im Einzelhandel. „Meine Tante hat mir geholfen“, sagt er, „sie war und ist immer für uns da.“ Gemeint ist Shahin.

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Auch er lebte im Iran, bevor er nach Deutschland kam – zog allerdings bereits mit drei Jahren aus Afghanistan dorthin. Er hat keine Eltern mehr. Mutter und Vater sind tot. Nur eine Schwester – im Iran. Sein Traum ist es, sie bald wiederzusehen. Denn nachdem er nun einen festen Aufenthaltstitel und damit ein Bleiberecht in Deutschland hat, haben „seine Tante“ und er auch die Deutsche Staatsangehörigkeit für ihn beantragt. Auf diese Chance muss Imran K. hingegen noch ein wenig warten. „Das sind meine Jungs“, sagt Shahin Kiumarssi, „ich bin stolz auf sie alle. Wenn sie lachen und es ihnen gut geht, dann bin ich glücklich.“