Arnsberg. Die 15-jährige Violetta fiel einer russischen Bombe zum Opfer. Ihre Mutter Margareta Smulska lebt nun in Arnsberg und erzählt ihre Geschichte.
Vier Uhr in der Früh. Es ist Nacht. In der ukrainischen Hafenstadt Mykolajiw herrscht Krieg. Bombenhagel Tag für Tag. Margareta Smulska schäft, als eine der russischen Bomben ihr Haus trifft. Der Knall weckt sie. Sekundenschnell tritt weißer Nebel auf und alles liegt in Trümmern. Ihr Eigenheim - ihre Heimat. Und: ihre Kinder.
„Unser Haus stand direkt neben einem militärischen Stützpunkt“, sagt die 34-Jährige. Es ist dunkel, kalt. Sofort beginnt sie zu suchen. Denn mit ihr leben fünf Kinder, ein Enkelkind, ihre Mutter und zwei Geschwister in den Überbleibseln.
Tod in Trümmern
Gemeinsam mit ihren Nachbarn beginnt sie „zu graben“. Stein für Stein an die Seite zu hebeln. Denn irgendwo unter den Trümmern liegen ihre Kinder. Fünf Mädchen im Alter von einem Jahr, 8, 13, 15 und 16 Jahren. An diesem Tag verliert Margareta Smulska nicht nur ihre Mutter, die in den Trümmern verstirbt, sondern auch ihre 8-jährige Tochter.
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Vier Töchter leben - für die 15-jährige Violetta jedoch beginnt die schlimmste Zeit ihres Lebens. Sie schläft gemeinsam mit ihrer eigenen fünf Monate alten Tochter im Bett. Es scheint, als umklammere sie im Knallmoment ihr Baby, um es zu schützen. Denn es überlebt. Sie selbst jedoch ist direkt bewusstlos und fällt ins Koma.
Via „Kleeblattkonzept“ nach Arnsberg
Rettungskräfte bringen sie ins Krankenhaus. Vier Wirbel sind zertrümmert. Eine OP ist ausgeschlossen. Während Margareta Smulska ihre Tochter keine Sekunde aus den Augen lässt, bleiben die drei überlebenden Kinder bei ihren Tanten. Das Baby, ihre Enkeltochter, bleibt beim Kindsvater, Violettas Freund.
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Mit Unterstützung des dortigen Krankenhauses verlassen alle das Land. Ohne Hab und Gut. Ohne Zukunftsperspektive. Ohne Hoffnung. Auch in Polen steht die Operation der Tochter Violetta außer Frage - bis das sogenannte „Kleeblattkonzept“ ihren Weg kreuzt. Mit einem Sanitätsflugzeug und 13 weiteren verletzten Menschen aus der Ukraine werden Margareta und ihre schwer verletzte Tochter über den Flughafen Paderborn und einem weiteren Transport via Rettungswagen ins Klinikum Hochsauerland, Marienhospital Arnsberg, gebracht.
„Jeden Tag muss ich ihr aufs Neue erklären, dass ich ihre Mutter bin“
Die weiteren drei Kinder bleiben mit ihren Tanten in Polen. Violetta wird in Arnsberg ärztlich behandelt und versorgt, Mutter Margareta Smulska in der benachbarten Notunterkunft untergebracht. Die Tortur nimmt kein Ende. „Violetta litt unter einer Amnesie. Jeden Tag musste ich ihr aufs Neue erklären, dass ich ihre Mutter bin - und dass wir nicht mehr in der Ukraine sind“, sagt Margareta Smulska.
Es dauert Wochen, bis Violetta das akute Trauma einigermaßen bewältigt. Doch die Seele splittert weiter. Mittlerweile ist Violetta in einer Rehaklinik. Allein. Ohne ihre Mutter. Ohne ihr Baby und ohne ihren Freund. Ihre drei Schwestern sind inzwischen auch in Deutschland - leben bei Margareta Smulska in Arnsberg.
Alpträume in Arnsberg
Eine Zugfahrt in Violettas Kurort kann sich die Familie nicht leisten. Doch täglich steht sie in Kontakt mit ihrer Tochter und den Ärzten vor Ort. „Sie sagen, dass Violetta nie mehr laufen können wird“, sagt Margareta Smulska.
Ihre Stimme zittert. Ihre Mimik wirkt angespannt. Tränen versucht sie sich zu verkneifen. „Ich funktioniere einfach nur - wie ein Roboter“. Für ihre Kinder will Margareta stark sein. Doch des Nachts, wenn die Dunkelheit sie einholt und die Beruhigungstabletten sie langsam in den Schlaf wiegen, kommt alles wieder hoch. Der Tod ihrer 8-jährigen Tochter. Violettas Schicksal. Alpträume - jede Nacht. Und Violetta? Sie will eigentlich nur zwei Dinge: Laufen und ihr Baby sowie ihren Freund wiedersehen.
Gezielt helfen - dort, wo es benötigt wird
Ein sozialpädagogisches Team der Stadt Arnsberg und Dolmetscherinnen und Dolmetscher begleiten und unterstützen Margareta Smulska sowie viele weitere geflüchtete Menschen aus der Ukraine und aus anderen Herkunftsländern.
Aktuell werden keine Sachspenden benötigt. Auch Geldspenden kann die Stadt Arnsberg nicht annehmen.
Wer jedoch aktiv werden und etwas spenden möchte, kann dies in Form von Gutscheinen (Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Buchhandlung etc.).
Wer sich persönlich engagieren möchte, kann sich einfach an die Stadt Arnsberg wenden - gesucht werden Patinnen und Paten für jugendliche, aber auch erwachsene Menschen aus der Ukraine.