Hüsten. Der Förderverein für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg ist auf Unterstützung angewiesen. Warum die Beratung so wichtig ist, erzählt Alireza G.

„2016/17 war ich ein echter Kindskopf – ich hatte nichts anderes im Kopf als rausgehen, schlafen und essen“, sagt Alireza Gholami, „hätte ich diese Beratung nicht gehabt, hätte ich heute nichts.“ Der 24-Jährige kommt aus Afghanistan und lebt seit Ende 2015 in Deutschland. Damals kam er als minderjähriger Begleiter seiner Schwester ins Land – welche dann auch zunächst die Vormundschaft für ihn übernahm. „Wir lebten in Gießen. Das war keine gute Zeit“, erzählt er.

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Er sei in seinem Zwiespalt völlig aus der Spur geraten – und sei dann letztendlich über das Jugendamt nach Arnsberg gekommen. „Schon am ersten Tag im Rathaus lernte ich Frau Kiumarssi kennen. Wir haben uns sofort gut verstanden – auch sprachlich.“ Denn neben Dari spricht er auch Farsi (die iranische Sprache). Eigentlich war Shahin Kiumarssi für Übersetzungstätigkeiten und eine erste Beratung zuständig. „Seitdem ist sie für mich da – auch heute noch“, sagt er.

Afghane wird zur Fachkraft in Arnsberg

Damals wird er in der „Seiteneinsteigerklasse“ des Berufskollegs am Eichholz angemeldet – macht dort seinen Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und will eigentlich nur arbeiten. Doch so einfach ist das nicht – Shahin Kiumarssi macht ihm klar, dass er eine Ausbildung benötigt. Ein Fundament für seine gesamte Zukunft.

„Sie war hartnäckig und auch ein bisschen streng – aber wäre sie das nicht gewesen, hätte ich es bestimmt nicht verstanden“, sagt Alireza Gholami, „sie hat mir den Weg aufgezeigt – und ich bin ihn gegangen.“ Also unterstützt sie ihn bei der Ausbildungsplatzsuche, schreibt Bewerbungen und vermittelt Kontakte. Mit Erfolg – denn 2019 beginnt er seine Ausbildung zur „Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice“ und schließt diese nach drei Jahren (2022) erfolgreich ab.

„Heute bin ich Teamleiter und arbeite mit mehreren Personen zusammen“, sagt er stolz. Seinem Chef sei aufgefallen, dass er engagiert, motiviert und bereit sei, nicht nur zu lernen, sondern auch anzupacken. „Ich fahre, ich montiere – im Grunde managen wir den gesamten Umzug vom Ab- bis zum Aufbau.“ Die Ausbildung sei kein Zuckerschlecken gewesen – die Sprache, die Regeln, das Land, alles war neu für ihn. Und dennoch musste er sich durchboxen. „Es war gut, die Beratung an der Seite zu haben“, sagt er, „heute habe ich eine große Wohnung, ein Auto, ein Leben – ohne diese hätte ich heute gar nichts.“

Regeln und Sprache wichtig in Arnsberg

Alireza Gholami hält die Eigeninitiative geflüchteter Menschen jedoch für ebenso wichtig wie die beratende Unterstützung. „Wenn man in einem Land leben will, muss man auch die Sprache und die Regeln lernen – sonst ist man blind und taub“, sagt er. Durch die hartnäckige Beratung habe sich sein Leben komplett geändert – zum Guten gewendet. „Man muss auch verstehen, dass die einem nur Gutes wollen, nichts Schlechtes – ich wollte nicht blind und taub sein.“

In Afghanistan regele „die Familie“ alles für einen – man müsse sich nicht selbst in alles hängen. Das sei hier anders. Seine Eltern, die er sehr zu vermissen scheint, leben aktuell im Iran. Einer der wenigen Punkte, die ihm heute noch Sorgen bereiten. Denn während er hier in Sicherheit lebt und sein eigenes Geld verdient, sind seine Eltern in einem Land untergekommen, das aktuell selbst vor großen Problemen steht. Politisch wie auch menschlich. „Ich kann meine Eltern nur ein Mal die Woche erreichen – wenn überhaupt“, sagt er, „das Internet ist sehr schlecht dort.“

Unterstützung für den Förderverein

Der ökumenische Förderverein für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg e.V. finanziert sich und insbesondere die Mitarbeiterin Shahin Kiumarssi über Spenden. Daher ist die Beratung maßgeblich davon abhängig, dass sich Kooperationspartner und/oder Spender finden.

Aktuell sind dies der SKF, der mit Gabi Röhrig eine Mitarbeiterin für einen Tag in die Beratungsstelle entsendet, die Lions, der Rotary Club Arnsberg und der Ursel Steinberg Verein.

Weitere Kooperationspartner sind der Internationale Arbeitskreis e.V. (IAK) und die Stadt Arnsberg.

Wer Mitglied im ökumenischen Förderverein werden möchte oder einen Geldbetrag spenden möchte, findet Infos unter:

fluechtlingshilfe-arnsberg.de

Eine Chance, seine Eltern per Familienzusammenführung nach Deutschland zu holen, hat er nicht. „Ich hoffe immer, dass es meinen Eltern gut geht“, sagt Alireza Gholami, „sie leben in einer der kritischen Gegenden im Iran.“ Bei diesen Sorgen können Shahin Kiumarrsi und Gabi Röhrig innerhalb der Beratung des ökumenischen Fördervereins für Flüchtlinge in der Stadt Arnsberg e.V. nur bedingt helfen.

Berliner Platz: Netzwerken in der Beratung großer Bestandteil

„Auch unsere Beratung hat natürlich Grenzen“, sagt Gabi Röhrig, „für die psychosomatische Beratung sind wir nicht ausgebildet.“ Sie ist Mitarbeiterin des SKF (Sozialdienst katholischer Frauen) und immer montags im Beratungsbüro am Berliner Platz 4a tätig. Gemeinsam mit Shahin Kiumarssi, finanziert über den Förderverein, kümmert sie sich um alle Belange rund um das Alltagsleben geflüchteter Menschen in Arnsberg. „Unsere Beratung soll zu mehr Stabilität und Sicherheit bei den Ratsuchenden führen“, so das Beratungsteam, „wir alle haben Grundbedürfnisse nach Kontrolle und Sicherheit. Das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit, z.B. nach gesicherter Nahrung und einem Dach über dem Kopf.“

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Diese Bedürfnisse seien oft bereits durch die Ankunft in Deutschland befriedigt – doch dann tauche ein anderes Gefühl von Unsicherheit auf. Neben den menschlichen Gefühlen wie Überforderung durch Sprachbarrieren, Ängste und Nöte um im Herkunftsland verbliebene Familienmitglieder oder aber auch eigene Zukunfts- bzw. Existenzängste sind es auch die organisatorischen Dinge, die eine sehr große Hürde darstellen. „Ein Asylantrag muss gestellt werden, es muss sich um rechtliche Dinge gekümmert werden, die Kinder müssen im Kindergarten oder in der Schule angemeldet werden, ein Sprachkurs muss gefunden werden“, so Gabi Röhrig.

Finanzierung der Flüchtlingsberatung in Arnsberg-Hüsten

„Ich kann mich sehr gut in die Menschen einfühlen“, sagt Shahin Kiumarssi, „es geht ihnen wie mir vor 25 Jahren.“ Denn sie selbst stammt aus dem Iran. Seit vielen Jahren kümmert sie sich daher um genau die Menschen, die – wie sie – vor einem großen Scherbenhaufen ihres Lebens stehen und diese Scherben zunächst einmal auffegen müssen, um sie nach und nach wieder zusammenzusetzen – um nach und nach ein selbstbestimmtes und erfülltes, vor allem aber ein sicheres Leben in Arnsberg zu finden.

Netzwerken in der Hilfe Geflüchteter ist ein elementarer Bestandteil der Beratungsarbeit. Hier kommen der IAK (Internationaler Arbeitskreis Arnsberg), der ökumenische Förderverein und die Stadt Arnsberg (Integrationsbüro) zusammen. 
Netzwerken in der Hilfe Geflüchteter ist ein elementarer Bestandteil der Beratungsarbeit. Hier kommen der IAK (Internationaler Arbeitskreis Arnsberg), der ökumenische Förderverein und die Stadt Arnsberg (Integrationsbüro) zusammen.  © Thora Meißner

Daher freut sich Shahin Kiumarssi auch darüber, dass sie dank der vielen Kooperationspartner und Sponsoren ihre Stelle aufstocken konnte, um nun nicht mehr nur ein Mal die Woche, sondern insgesamt dreimal die Woche vormittags im Beratungsbüro sitzen zu dürfen. Die Finanzierung sei nur aufgrund der Kooperation mit den Lions, den Rotarys und dem Ursel Steinberg Verein möglich, die für eine gewisse Zeit lang eine finanzielle Unterstützung zugesichert hätten.

Alireza Gholami ist einer von vielen Menschen, die sich Woche für Woche von Shahin Kiumarssi und Gabi Röhrig beraten lassen – allein in diesem Jahr seien es bis dato nur montags 137 Beratungen, mittwochs und donnerstags 290 Beratungen gewesen. Um zu gewährleisten, dass die fundierte und vor allem wirkungsvolle Beratung geflüchteter Menschen in Arnsberg des ökumenischen Fördervereins e.V. auch zukünftig noch vielen Menschen innerhalb ihrer Alltagsbewältigung und Integration helfen wird, ist der Verein aber auf Spenden und/oder neue Mitglieder angewiesen.