Arnsberg/Sundern. Viele Apotheken schließen. Auch in Arnsberg und Sundern kämpfen sie um ihr Überleben – und streiken am 14. Juni. Das sagen Apotheker und Kammer.

Es wirkt schon etwas befremdlich, wenn Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern streiken. Wie sieht dann die Notfallversorgung aus? Dasselbe können sich Betroffene am 14. Juni fragen, wenn sie vor den geschlossenen Türen der Apotheken stehen. Denn dann protestieren Apothekerinnen und Apotheker gegen die rapide verschlechternde Lage der Präsenzapotheken in Deutschland.

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Dementsprechend muss am Protest-Tag auch in Arnsberg und Sundern mit Einschränkungen in der Medikamentenversorgung und lediglich einem Apotheken-Notdienst gerechnet werden. „Wir wollen uns nicht dumm und dämlich verdienen“, sagt Christoph Tillmann, Inhaber der Hirsch-Apotheke an der Hüstener Marktstraße, „wir wollen nur geschätzt werden“. Schließlich ginge es nicht um ein Päckchen Zucker, dass Apotheken anböten, sondern um Medikamente. Medikamente, die Krankheiten heilen (kurativ), lindern (palliativ) oder auch verhüten (präventiv).

Schon vor etwa drei Wochen sprach Christoph Tillmann mit dieser Zeitung – auf Nachfrage bezüglich der nicht lieferbaren Antibiotika-Kindersäfte (wir berichteten). „Die Situation hat sich bislang nicht geändert. Eher verschlechtert“, so der Apotheker. Denn auch viele Paracetamol-Präparate seien aktuell nicht lieferbar – insbesondere in der Darreichungsform für Kinder. Dies bestätigt auch Sebastian Sokolowski, Pressesprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe: „Wer Kinder hat weiß, dass diese nicht wirklich mit Tabletten behandelt werden können, sondern einen Saft benötigen.“

Westfalen-Lippe: Viele Apotheken schließen

Schlimmer sei der aktuell andauernde Lieferengpass jedoch in Bezug auf Krebsmedikamente oder auch Medikamente, die „nicht einfach so“ gegen andere Präparate ausgetauscht werden können oder sollen (z.B. Schilddrüsenhormone). Bei Krebs ginge es schließlich um Leben und Tod. Ebenfalls ein Desaster ist die kontinuierliche Schließungsrate von Apotheken in Westfalen-Lippe, dem auch die Kommunen der Bezirksregierung Arnsberg angehören. Laut Apothekerkammer Westfalen-Lippe ist bereits seit 17 Jahren ein Rückgang bei Präsenzapotheken zu verzeichnen. Jedoch haben die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine die Situation noch verschärft.

„Im Jahr 2021 verzeichnete die Apothekerkammer vier Neueröffnungen in den Städten Bielefeld, Erwitte, Greven und Hamm. 34 Apotheken schlossen ihre Pforten dauerhaft. Mehr als jede vierte Apotheke wird inzwischen als Filiale geführt (474 Filialapotheken zum Stand 31.12.2021)“, so akwl konkret (kammerinterne Zeitung). Aktuell zählt die Kammer nur noch 1.760 öffentliche Apotheken (Stand: 31. Dezember 2022) – wovon 473 sogenannte Filialapotheken darstellen.

Im Jahr 2022 schlossen also weitere 37 Apotheken in Westfalen-Lippe. Zu rechtfertigen ist dies jedoch nicht nur mit „äußeren Umständen“ durch vorgenannte Gegebenheiten, sondern auch durch die aktuelle Gesundheitspolitik – wogegen sich nunmehr der Protest-Tag stellen soll. Was eine Apotheke jeweils an einem Medikament „verdient“, ist rechtlich geregelt und nach Einkaufspreis gedeckelt. „Im Durchschnitt bekommen wir dann 7 bis 8 Euro je Medikament“, erklärt Christoph Tillmann, „plus eine dreiprozentige Pauschale.“

Hüstener Apotheker: „Die Rezeptgebühr geht direkt an die Krankenkassen“

Die Rezeptgebühr in Höhe von fünf Euro führe man jedoch nur ab. „Die Rezeptgebühr geht direkt an die Krankenkassen.“ Viele Leute wüssten dies gar nicht und dächten, dass diese Gebühr für die Apotheken sei. Das „Überleben“ ließe sich teils nur über Masse bewerkstelligen. Sprich, durch den Kauf großer Medikamenten-Mengen und die entsprechende Kundschaft. „Medikamente zu bestellen ist manchmal aber wie eine Auktion“, so Christoph Tillmann weiter, „da muss man schnell sein, da ein Medikament teilweise schon nach drei Minuten weg ist.“ Der Großhandel verteile dann nach Gießkannenprinzip, damit die Apotheken auch flächendeckend versorgt seien.

Online-Apotheken halten sowohl Christoph Tillmann als auch Kammersprecher Sebastian Sokolowski nicht für eine adäquate Alternative, wettern aber auch nicht dagegen. Was jedoch beide sagen, ist, dass Präsenzapotheken einen entscheidenden Vorteil haben: nämlich die Aug‘-in-Aug‘-Beratung. „Da würde ich mir etwas mehr Respekt gegenüber der Gesundheit wünschen“, sagt Christoph Tillmann, „wenn ich in einer Versandapotheke shoppe, kaufe ich ja kein Paar Schuhe, sondern Gesundheitspräparate.“

Präsenzapotheke vs. Versandapotheke

Auch wenn er es niemandem verübeln könne, der auf die Preise achte und chronisch einzunehmende Medikamente online bestelle, weist er dennoch auf die Tatsache hin, dass eine individuelle Beratung in einer Präsenzapotheke tiefgründiger ist. „Wir können einfach vor Ort eventuelle Wechselwirkungen – mit anderen Medikamenten oder sonstigen Umständen – klären“, sagt Christoph Tillmann. Beispielsweise sehe eine Versandapotheke nicht, ob die Person, die gerade ein Medikament bestellt, vielleicht schwanger ist.

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Zudem würden Versandapotheken keine Notdienste übernehmen, der Versand an sich würde Tage dauern und es würde auch keine Beratung hinsichtlich möglicher anderer oder auch ergänzender Präparate erfolgen.

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe weist zudem darauf hin, dass viele Versandapotheken ihren Sitz nicht in Deutschland hätten und auch dort entsprechende Lieferengpässe gegeben seien. Selbst, wenn das Medikament auf „lieferbar“ stünde. „Wir haben Hinweise darauf, dass schon Rezepte zur Versandapotheke geschickt wurden, die dann mit dem Vermerk zurückkamen, dass das Medikament derzeit nicht lieferbar sei“, so Sebastian Sokolowski, „bis der Kunde oder die Kundin das dann erfährt, sind auch wieder ein paar Tage vergangen.