Neheim-Hüsten. „Der Weg ins Neue e.V.“ heißt der frisch gegründete Verein, den Olga Dyck aus Neheim und ihr engagiertes Team gründeten. Das sind die Ziele.

Mittagszeit. Drei Frauen sitzen vor Olga Dyck und ihren beiden ehrenamtlichen Kolleginnen. Zwei der Frauen möchten heiraten und benötigen dafür Unterstützung. Welche Papiere werden benötigt? Wie bekomme ich diese? Aus der Ukraine? Von der Botschaft? Was muss ich beachten?

All dies und mehr wird an den Tischen des eigentlichen Stadtbüros Hüsten geklärt. Denn hier arbeitet vorübergehend der frisch gegründete Verein „Der Weg ins Neue e.V.“ - ein Verein zur Unterstützung, Navigation und Koordination der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Lesen Sie auch <<<Videokalender gibt Menschen auf der Flucht eine Stimme>>>

„Meine Familie steht voll hinter mir“, sagt Olga Dyck, „mein Mann unterstützt mich auch in vielen Dingen - zum Beispiel bei Umzügen.“ Anders wäre es für die vierfache Mutter auch gar nicht möglich, ihr Herzensprojekt umzusetzen. Denn sie ist ehrenamtliche „Integrationsmanagerin“ - und mit dem neu gegründeten „Navigationszentrum“, wie sie es nennt, auch in der Lage, viele Menschen aktiv zu unterstützen.

Olga Dyck gründete den Verein
Olga Dyck gründete den Verein "Der Weg ins Neue e.V.", um eine Brücke zwischen Arnsberger Akteuren und Geflüchteten zu schlagen. Ihre Teamkolleginnen kümmern sich um die Fragen der ukrainischen Frauen, die heute ins „Navigationszentrum“ gekommen sind. © Thora Meißner

Krieg in der Ukraine bricht Herzen

Als vor zirka 14 Monaten der Krieg in der Ukraine ausbricht, kann Olga Dyck diesen einschneidenden und lebensverändernden Schritt gar nicht glauben. „Ich schaue so gut wie keine Nachrichten“, sagt sie, „aber dennoch kam diese Nachricht von allen Seiten auf mich zu.“ Sie ist geschockt, gelähmt. Sprachlos. „Es dauerte ein paar Tage, bis ich alles realisiert habe.“

Indes kommen viele ukrainische Frauen, Kinder und auch ein paar Männer nach Arnsberg. Olga Dyck spricht Russisch und fackelt nicht lange herum. „Seit Mitte März etwa war ich dann aktiv - für Übersetzungen zuständig, für die Unterstützung bei Behörden- oder Arztgängen“, erzählt sie, „ich konnte diesen Menschen nur auf diese Art und Weise helfen.“

Politisch äußert sich die Mittvierzigerin nicht, denn auch wenn sie die aufgestaute Wut der betroffenen Menschen absolut nachvollziehen kann, so „dürfen wir den Konflikt nicht nach Deutschland tragen“ - schließlich ginge es hier ums Ankommen, ums Ausruhen und vor allem um die Entscheidung, wie die jeweils persönliche Zukunft aussieht. „Und das gilt für jeden Menschen mit Migrationshintergrund in Arnsberg, der aus einem fernen Land hierher gekommen ist.“

Völlig egal, woher ein Mensch kommt

Es liegt ihr schlichtweg am Herzen, diese Menschen zu unterstützen. „Dafür arbeite ich!“ Und das nicht zu knapp, denn auch diesmal weiß sie nicht, wann ihr Arbeitstag enden wird. Während ihre Vereinsunterstützerinnen um 14 Uhr ihre Beratertätigkeit vor Ort beenden, sprintet Olga Dyck nach Arnsberg zu einem Termin. Auch abends wird sie noch aktiv sein. „Wahrscheinlich mache ich dann so um 21 Uhr oder 21.30 Uhr Feierabend.“

Sie ist erfahren auf dem Gebiet der psychologischen Beratung. Denn bevor sie zur Unterstützerin der ukrainischen Geflüchteten wurde, beriet sie die Angehörigen von Menschen mit Behinderung. „Ich habe ja selber einen behinderten Sohn“, sagt sie, „der ist aber schon erwachsen - da kamen aber viele Menschen auf mich zu. Auch Kindergärten, die mich baten, mit Eltern bezüglich entsprechender Förderkindergärten zu sprechen.“ Eine entsprechende Weiterbildung im therapeutischen Bereich soll ihr die Möglichkeit eröffnen, auch therapeutisch zu unterstützen. Doch dann ändert sich ihr Plan.

„Wir möchten Brücken bauen zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und beispielsweise Behörden, Vereinen und den vielen weiteren Akteuren in Arnsberg“, sagt Olga Dyck. Und dabei sei es völlig egal, woher ein Mensch komme - denn im Grunde stehe jeder Einzelne vor denselben Hürden: Vor der Bürokratie in Deutschland. „Wir fragen nicht nach Herkunft, Religion oder Sprache“, sagt sie, „wir fragen nach Ressourcen, Wünschen und Problemen.“

Stadt Arnsberg unterstützt Verein

Es ginge um die Erstausstattung von Wohnungen, Umzügen, Behörden- und Institutionsvermittlung, Arbeitsmarkt, Sachspenden, Übersetzungen etc. - zu diesem Zweck wird der Verein „Der Weg ins Neue e.V.“ auch zukünftig mit sogenannten Koordinatoren zusammenarbeiten, um auch den arabischen, persischen und türkischen Sprachraum abzudecken.

Mehr erfahren

Der Verein berät montags bis donnerstags in der Zeit zwischen 9 und 14 Uhr; freitags von 14 Uhr bis 18 Uhr im „Stadtbüro Hüsten“.

Interessierte Unterstützerinnen und Unterstützer können sich per Telefon (0176/24072728) oder via E-Mail o.dyck@dwin-ev.de erkundigen.

Eine offizielle Eröffnung ist für den 3. Juni in der Schützenhalle Bruchhausen geplant.

Doch nicht nur die pragmatischen Dinge, die am Anfang stünden, seien ausschlaggebend für ein weitgehend glückliches Leben in Arnsberg. „Auch die zwischenmenschliche Vernetzung ist wichtig“, sagt Olga Dyck. Dazu hat der Verein bereits während der Gründung die unterschiedlichsten Aktionen ins Leben gerufen, so dass es mittlerweile schon einen Malkurs mit einer ukrainischen ehemaligen Kunstlehrerin (Uni) gebe, eine Rückenschule und auch Kinder-Akrobatik im JBZ Arnsberg. Einmal im Monat finde ein Kreativworkshop für alle Interessierten statt. „Hier kann dann jeder kreativ werden und sich mit den anderen Menschen vernetzen“, sagt sie, „einfach etwas zu tun haben und menschliche Kontakte pflegen.“ Hierfür vernetzt auch der Verein selbst sich und arbeitet mit den verschiedensten Institutionen zusammen.

Und auch die Stadt Arnsberg selbst unterstützt tatkräftig. Nicht nur, dass Olga Dyck und ihr Verein die Räumlichkeiten des Stadtbüros Hüsten nutzen darf, bis hier das Stadtbüro selbst wieder aktiv wird, auch unterstützt Bürgermeister Ralf Paul Bittner den Zweck. „Ich bin Herrn Bittner sehr dankbar, dass er sich so für unseren Verein eingesetzt hat“, sagt sie. „Als Bürgermeister, aber auch als Arnsberger bin ich stolz und froh über so viel persönliches soziales Engagement!“, sagt Ralf Paul Bittner, „Es hilft vielen Menschen in schwierigen Situationen.“

Immobilie gesucht

Insgesamt ist die Stadt Arnsberg in engem Kontakt mit Olga Dyck und unterstützt die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für den Verein. Im Fokus steht beispielsweise der alte Kiosk gegenüber des Kirmesplatzes in Hüsten. Das Gebäude befindet sich im Eigentum der Stadt. Allerdings seien hier noch einige Fragen zu klären, insbesondere weil ein höherer Handlungsbedarf zwecks Renovierung und Co. im Raum stünde als anfangs bekannt.

Daher prüfe die Stadt Arnsberg gerade Möglichkeiten in alle Richtungen, so die Pressesprecherin Ramona Eifert. Sofern hier jemand eine Immobilie anzubieten habe, könne dieser sich gerne an die Stadt Arnsberg wenden.

Auch interessant <<<Grenzen sind nur imaginäre Linien>>>

Auch für die Zukunft hat der „Der Weg ins Neue e.V.“ schon einiges geplant. Unter anderem eine Umzugs- und Renovierungshilfe, die für alle bedürftigen Menschen angeboten werden soll. Sprich, nicht ausschließlich für Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung. Hierfür seien, so erzählt Olga Dyck, auch Projektgelder bei Leader beantragt worden - um einen Vereinsbulli anzuschaffen.

„Auch dieser Verein ist natürlich von Mitgliedern und Spendengeldern abhängig“, sagt Olga Dyck, „jeder, der Interesse hat, uns zu unterstützen, kann mich anrufen.“ Denn aktuell arbeitet der Verein auch noch an einer aussagekräftigen Internetpräsenz, die schon bald online gestellt werden soll.