Arnsberg. Die Nassaussaat ist zwar nicht komplett neu, aber in der Forstwirtschaft innovativ. Jetzt wurde über ein Hektar Wald damit bestellt.

Rund ein Drittel der Fläche der Waldfläche, die vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW verwaltet wird, ist dem Fichtensterben zum Opfer gefallen – ein Grauen, das mittlerweile als Chance betrachtet wird. Das Arnsberger Forstamt ist ein Lehr- und Forschungsstandort; auch deswegen werden auf dem zirka 3000 Hektar großen Gebiet immer wieder neue Methoden zur Aufforstung und Wiederbewaldung ausprobiert und über Jahre hinweg beobachtet.

„Das, was wir hier machen, davon können viele andere Forstwirte profitieren“, sagt Forstamtsleiter Olaf Ikenmeyer. Denn die Erfahrungen mit verschiedenen Pflanzenkombinationen, Verfahren und Möglichkeiten können an andere Forstwirte weitergegeben werden, jetzt und in der Zukunft – denn viele Innovationen, die jetzt getestet werden, können eben erst in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zeigen, wie gut sie funktionieren.

Stellen das Projekt gemeinsam vor: Student Niklas Hackenbroich, Revierleiter Carsten Arndt, Heiner Heile vom Team Waldbau, Forstamtsleiter Olaf Ikenmeyer, Bender-Geschäftsführer Christian Bender und Revierleiter Christoph Grüner (von links).
Stellen das Projekt gemeinsam vor: Student Niklas Hackenbroich, Revierleiter Carsten Arndt, Heiner Heile vom Team Waldbau, Forstamtsleiter Olaf Ikenmeyer, Bender-Geschäftsführer Christian Bender und Revierleiter Christoph Grüner (von links). © WP | Katharina Kalejs

Eines dieser innovativen Verfahren in der Forstwirtschaft ist am 26. April auf einer Fläche zwischen Breitenbruch und Möhnesee-Neuhaus getestet worden: Zwei Kalamitätsflächen, also Schadflächen, mit insgesamt 1,4 Hektar Größe wurden hier mit Hydrosuspensionssaat bestellt. Das klingt erstmal sperrig, ist aber leicht erklärt: „Aus Wasser, Zellulose und Saatgut wird eine Mischung hergestellt, die dann mit einer Spritzweite von bis zu 50 Metern gleichmäßig auf die Fläche aufgetragen wird.“ So erklärt es Heiner Heile vom Team Waldbau des Landesbetriebs Wald und Holz. Er beschäftigt sich mit Waldbau- und Wiederbewaldungskonzepten und hat dieses Projekt mit begleitet.

Verfahren kommt ursprünglich aus der Straßenbegrünung

So neu ist die Idee des Nass-Saat-Verfahrens gar nicht. Die Firma Bender Rekultivierungen aus Rabenau in Hessen wendet dieses Verfahren schon seit vierzig Jahren in der Bepflanzung und Wiederbegrünung von Autobahnen, Bodendeponien und anderen schwer zugänglichen Flächen an. Damit sind sie in ganz Deutschland und im EU-Ausland erfolgreich unterwegs. „Alles, was ein Bagger zerwühlt hat, begrünen wir wieder“, erklärt Christian Bender. Er ist einer von drei Geschäftsführern der hessischen Firma und bei der Aussaat im Arnsberger Wald persönlich dabei.

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Die Mischung wird in einem speziellen Hydroseeder (zu Deutsch: Nassaussäher) vor Ort angemischt – die Fahrzeuge sind dabei alle geländefähig mit Allradantrieb, vom Sprinter mit 1000 Liter Füllvolumen bis zum größten Lkw mit 10.000 Liter Füllvolumen. Letzterer ist im Arnsberger Wald dabei. Er ist bereits mit Wasser gefüllt, vor Ort wird das Saatgut und die Zellulose dazugegeben. Zwei Rührarme sorgen für gleichmäßige Durchmischung der Komponenten – während des gesamten Sprühvorgangs. Die Vorbereitungszeit der Mischung: Etwa drei Minuten.

Heiner Heile vom Team Waldbau zeigt die verschiedenen vorbereiteten Saaten vor der Zugabe in den Hydroseeder.
Heiner Heile vom Team Waldbau zeigt die verschiedenen vorbereiteten Saaten vor der Zugabe in den Hydroseeder. © WP | Katharina Kalejs

Die Vorbereitungszeit der Waldfläche hat etwas länger gedauert. „Samen brauchen Kontakt zum Mineralboden, um zu keimen und sich mit den nötigen Nährstoffen zu versorgen“, erklärt Heiner Heile. Da sich aber auf den Brachflächen bereits dichte, für Samen undurchdringliche Gräser angesiedelt hatten, wurden die Flächen zuvor mit einer ferngesteuerten Mähraupe oberflächlich aufgelockert und umgegraben. „Die Raupe bringt dabei weniger Druck auf den Boden als ein menschlicher Fußabdruck“, erklärt Heile, „Das Verfahren ist also sehr bodenschonend.“

Folgende Baumarten werden ausgesät: Auf verschiedene Arten und Weisen

Auf jeder der beiden Flächen werden jeweils vier Hauptbaumarten ausgebracht, jeweils zwei Nadel- und zwei Laubbaumarten – das ist so im NRW-Waldbaukonzept verankert. Welche genau das sind, wird durch die Boden- und Witterungsverhältnisse der jeweiligen Fläche bestimmt; Nässe, Wind, Sonneneinstrahlung und viele andere Faktoren bedingen die Auswahl der zu pflanzenden Arten. „Bei den Baumarten gilt nicht Wünsch-dir-was, sondern Das-ist-so“, sagt Heile.

So sieht die Nassaussaat nach dem Aufbringen auf die Fläche aus.
So sieht die Nassaussaat nach dem Aufbringen auf die Fläche aus. © WP | Katharina Kalejs

So werden per Nassaussaat auf der einen Fläche mehr, auf der anderen weniger Weißtannen ausgebracht. Neben den Weißtannensamen werden auch Douglasie, Bergahorn und Sandbirke ausgesät. Die Sandbirke ist dabei eine „ergänzende Vorwaldbaumart“: Sie ist schnellwachsend, und soll so optimale Bedingungen für die nachwachsenden Bäume schaffen. Nach und nach sollen dann auch die Europäische Lärche dort angepflanzt werden; und die Fichte als Vorbaumart wird sich dort sicher wieder ansiedeln. Schon jetzt zeigen sich auf den Flächen erste kleine Lärchen. „Als Experimentierbaumart werden wir hier außerdem die Baumhasel anpflanzen“, erklärt Heiner Heile. Hier wird aber zu händisch gepflanzten Jungbäumen gegriffen, da die Haselnüsse für eine Nassaussaat zu grob sind.

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„Die Nassaussaat bietet das Potential einer schnellen Wiederbewaldung mit ansprechender Flächenleistung“, so Heile weiter. Das Trägerfahrzeug kann auf den Forstwegen bleiben, mit über 250 Metern Schlauchlänge komme man trotzdem fast überall hin – so wird weniger Wald beschädigt. Außerdem werden weitere Vorteile wie die natürliche Wurzelentwicklung der Pflanzen im Vergleich zu vorgezogenen Setzlingen vermutet.

Projekt wird wissenschaftlich begleitet und von der EU gefördert

Das Projekt Hydrosuspensionssaat wird dabei von Niklas Hackenbroich, einem Studierenden der Georg-August-Universität Göttingen wissenschaftlich begleitet: Für seine Masterarbeit wird er sich mit dem waldbaulichen Erfolg der Maßnahme beschäftigen. Das Projekt ist außerdem Teil des EU-Projekts SUPERB. In dem Projekt kooperieren 36 Partner in 12 verschiedenen Ländern, um wissenschaftliches und praktisches Wissen umzusetzen, um den europäischen Wald zu schützen, nachhaltig zu bestellen und einen transformativen Wandel zum Wald der Zukunft zu schaffen. Das Zentrum für Wald und Holzwirtschaft in Arnsberg ist einer der Projektpartner.

Alle Beteiligten an der Nassaussaat im Arnsberger Wald legen große Hoffnungen in das fast ein Jahr lang geplante Projekt. Eine neue Patentlösung soll die Nassaussaat allerdings nicht werden. „Wir dürfen uns nicht auf eine Methode beschränken“, sagt Heile. „Die gute Mischung aus verschiedenen Varianten ist wichtig, ähnlich wie beim Energiemix.“

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