Arnsberg/Kirikhan. Ein Mitglied des THW Arnsberg war mit einer Schnelleinsatzeinheit nach dem Erdbeben in der Türkei. Wie so ein Einsatz abläuft und was er erlebte.
Kaum einen Tag nach den verheerenden Erdbeben in der Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei machten sich 50 Helferinnen und Helfer sowie vier Rettungshunde des Technischen Hilfswerks (THW) bereits auf den Weg in eine vom Erdbeben betroffene Region in der Türkei. Ein Mitglied dieser Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA): Frank Cöppicus (51). Er ist Forstwirtschaftsmeister im FBZ in Neheim, seit über dreißig Jahren Mitglied des THW Arnsberg und seit vier Jahren Teil der SEEBA.
Die goldenen 100 Stunden, um Menschenleben zu retten
Sie mussten schnell agieren, um die „goldenen 100 Stunden“ zu treffen: In den ersten dreieinhalb Tagen ist die Wahrscheinlichkeit am größten, nach so einer Katastrophe noch Überlebende in den Trümmern zu finden. „Und dafür sind wir da, wir sind ein Search and Rescue-Team“, erzählt Frank Cöppicus. Mit den vier Suchhunden sowie modernen technischen Geräten haben sie in der Stadt Kirikhan in der Region Hatay in eingestürzten nach Überlebenden gesucht; stationiert waren sie dabei in einem Camp, welches die Hilfsorganisation ISAR Germany bereits errichtet hatte.
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Die SEEBA mit ehrenamtlichen Kräften aus NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz ist mit 14 Tonnen „Gepäck“ angereist: Verpflegung für alle Teammitglieder für 10 Tage, Zelte, Schlafgelegenheiten, Hygienemöglichkeiten und so weiter. Sie werden meist über die UN oder EU angefragt – die koordinieren auch vor Ort den Einsatz der Truppen, damit nicht nur an den gleichen Stellen organisiert wird. „Es war absolut erstaunlich, aus welchen Ländern Truppen zum Helfen kamen“, erinnert sich Cöppicus. Aus Amerika, Australien, Afrika kamen die Helferinnen und Helfer – sogar aus der Ukraine habe Cöppicus ein Flugzeug gesehen. „Da ist es egal, wo du herkommst. Politik lässt du zu Hause, da bist du nur dazu da, um den Leuten vor Ort zu helfen.“
Dankbare und hilfsbereite Bevölkerung
Die Bevölkerung: Dankbar und hilfsbereit. „Die haben nichts, und trotzdem geben sie dir noch was.“ So wollte ein kleiner Junge, ein Erdbebenüberlebender, Cöppicus dort einen Lolly schenken – aus Dankbarkeit, weil Frank als Teil des THW dort war. Ein Mann habe ihn umarmt, angefangen zu weinen, und sich tausendfach bedankt. „Ich spreche leider quasi kein Türkisch, da ist die Verständigung schwierig, aber wir sind klar gekommen – mit Händen und Füßen dann eben.“
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Samstag, den 12. Februar, dann die große Überraschung: In einem Haus kann das THW-Team, dem Frank angehört, eine ältere Frau lebend aus den Trümmern bergen. Fünf Tage war sie dort zwischen zwei Deckenplatten in einem Hohlraum eingesperrt. Doch sie ist nur eine. In den meisten Häusern finden sie keine Lebenszeichen, geben dann die Häuser frei zum Abräumen. Dazwischen immer wieder Ruhe, damit nach jeder abgeräumten Schuttschicht wieder nach Geräuschen unter den Trümmern gelauscht werden kann.
Respekt vor den Traditionen und Gepflogenheiten
Dabei sind die Helferinnen und Helfer den ganzen Tag im Schichtbetrieb im Einsatz, arbeiten Hand in Hand mit anderen Organisationen und Freiwilligen. „Die Leute wollen ja auch ihre Toten beerdigen“, sagt Cöppicus – und das bestenfalls nach drei Tagen, denn das ist in der Region Hatay religionsübergreifend eine Tradition. „Deswegen bergen die Überlebenden die Toten meist selbst“, sagt Cöppicus, „Aus Respekt vor den Traditionen und Gepflogenheiten.“
Insgesamt dauerte der Einsatz eine Woche an. Frank Cöppicus weiß das gar nicht mehr genau. „Im Einsatz schaut man nicht auf die Uhr oder aufs Handy“, sagt er, „Man agiert einfach nur, das ist wie ein Film.“ Gegessen werde, wenn was zu essen da sei, geschlafen, sobald sich eine Gelegenheit ergebe – genauso wird nur geduscht, wenn eine Dusche zur Verfügung steht. Die Helferinnen und Helfer helfen sich untereinander, kümmern sich umeinander und um die Hunde. Deswegen gibt es auch nicht nur eine medizinische Nachuntersuchung nach einem Einsatz, sondern auch psychologische Nachbetreuung, bei der er sich auch jetzt, knapp einen Monat nach Einsatzende, jederzeit melden könne. „Die Unterstützung ist grandios“, sagt Cöppicus, im Einsatz in der Einsatzeinheit oder auch jetzt in der Nachsorge.
Das Einsatzende war etwas ganz Besonderes:
Am Einsatzende hat die SEEBA alles in Kirikhan gelassen, was vor Ort gebraucht wird: Die übrige Verpflegung genauso wie Zelte und Schlafsäcke. „Die können das ja viel eher gebrauchen als wir.“ Zurück am Flughafen Köln/Bonn wurden die Helferinnen und Helfer von der kölnischen Türkischen Gemeinde empfangen, mit Dank, Süßigkeiten und Rosenblättern, die für sie verstreut wurden. „Das war etwas Besonderes, da hatte ich dann schon das eine oder andere Tränchen im Auge.“