Voßwinkel. Ute Balkenohl aus Arnsberg leidet nicht nur unter Long Covid, sondern auch darunter, dass sie von manchen Leuten deshalb belächelt wird.

Ute Balkenohl (44) stand bis vor einem halben Jahr als engagierte Sozialpädagogin mit beiden Beinen im Berufsleben. In ihrer Freizeit leitete sie die Holy-Spirit-Gospel-Singers aus Arnsberg. Doch seit September letzten Jahres müssen Arbeit als auch Chor pausieren. Der Grund: Long Covid hat sie völlig aus der Bahn geworfen.

„Wenn es mir schlecht geht, verbringe ich 20 Stunden am Tag im Bett“, verrät die 44-Jährige. Sie leidet am meisten unter starken Erschöpfungserscheinungen und einer Belastungsintoleranz. „Länger als eine Stunde kann ich mich auch nicht auf dieses Interview einlassen“, sagt sie. Dann fiele es ihr zunehmend schwerer, sich zu konzentrieren und sie bekäme Wortfindungsstörungen. Dazu kommen Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Vergesslichkeit. „Ich vergesse sogar die Liedtexte des Gospelchors.“

>>>Stammzellenspende: Rettung für Retter<<<

Ute Balkenohl leidet unter Post Covid
Ute Balkenohl leidet unter Post Covid © WP | Anja Jungvogel

Die Arnsbergerin ist verzweifelt. Sie hat Angst, dass sie nie wieder richtig gesund wird und für den Rest ihres Lebens auf die Hilfe anderer angewiesen bleibt. Die sonst so agile Powerfrau sinkt in ihren Sessel zurück. Sie schaut traurig aus. Selbst ihre Augen lachen nicht wie sonst. „Zum Glück habe ich Freunde, die mir helfen.“ Auch ihre Hausärztin hielte zu ihr. Aber es gäbe auch Leute, die ihr nicht glaubten und ihre Krankheit bagatellisierten. „Stell´ Dich nicht so an“ oder „Das schaffst Du schon“, hört Ute nur zu oft. Dabei fühlt sie sich manchmal nach dem Duschen so kaputt, dass sie sich nicht einmal anziehen oder die Haare föhnen kann. „Dann muss ich mich sofort wieder hinlegen“, gesteht sie.

Haushalt, Einkaufen - alles wird zu viel

Die Sozialpädagogin lebt allein. Der Haushalt, Einkaufen oder Autofahren - all das ist ihr manchmal zu viel. „Daher habe ich mir jetzt eine Spülmaschine angeschafft. Und wenn ich keine Kraft zum Kochen habe, dann esse ich eben einen Müsli.“

Eine Reha-Maßnahme bei der Rentenkasse ist längst beantragt, doch die Bewilligung zieht sich hin. „Und wenn man dann bei den Kliniken anfragt, wann man frühesten kommen könnte, hört man nur, dass alle Plätze über Monate hinweg besetzt sind“, verrät sie.

Sie will auf das Problem hinweisen. Andere Menschen sensibilisieren. „Denn es gibt bestimmt viele, denen es so geht wie mir. Long-Covid-Ambulanzen gibt es in einzelnen Großstädten, wenn man Glück hat, geben die noch Termine heraus und man muss nur ein paar Monate warten, bis man hin kann. Doch wie ich die Fahrt nach Essen überstehen und dann noch an Untersuchungen teilnehmen soll, das weiß ich nicht.“

Angefangen hatte das Drama nach einer Corona-Infektion, Ende August letzten Jahres. Milder Verlauf, die Nase lief und Kopfschmerzen. Neun Tage lang war Ute „positiv“. Dann wollte sie wieder zur Arbeit gehen. „Doch acht Wochen später war ich immer noch nicht wieder den Beinen.“

Nichts half, Medikamente bekam sie nicht. Sie war sogar beim Neurologen. Doch auch dieser konnte ihr nicht helfen. „Dann bin ich nach Lissabon in den Urlaub gefahren und dachte, dort könnte ich mich vielleicht besser erholen.“

>>>Hagen: Innovatives Dorf<<<

Sie hat sich eine Spülmaschine angeschafft, weil sie es oftmals nicht schafft, ihr Geschirr von Hand zu spülen.
Sie hat sich eine Spülmaschine angeschafft, weil sie es oftmals nicht schafft, ihr Geschirr von Hand zu spülen. © WP | Anja Jungvogel

Nach ihrer Rückkehr ging Ute wieder zur Arbeit. Zwei Tage lang, dann kam der erste Rückfall. „Ich habe drei bis vier Wochen lang nur im Bett gelegen und kam überhaupt nicht hoch.“ Und so geht es ihr bis heute. „Das kann doch nicht so weitergehen“, sagt sie.

Aktionstag für Betroffene

Jährlich findet am 12. Mai der internationale Aktionstag für Patientinnen und Patienten statt, die an Long- beziehungsweise Post-Covid und somit häufig an Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue (chronische Erschöpfung) erkrankt sind. „Die Patienten leiden nicht nur an ihren Symptomen, sondern auch daran, dass sie von vielen Menschen nicht ernst genommen werden. Diese Krankheit ist keine Einbildung. Ich wäre froh, wenn ich endlich gesund wäre“, erklärt Ute Balkenohl.