Westenfeld. Die Westenfelderin Luisa Schauerte tritt in die Fußstapfen ihrer Vorfahren und stellt Schuhe her. Warum sie sich dafür entschied, lesen Sie hier
Ein Laden mit Tradition. 1864 machte sich Kaspar Schauerte aus Schmallenberg auf den Weg, kaufte ein Haus in Westenfeld und ließ sich als Schuhmacher nieder. Genau dort, wo heute das Schuhhaus Schauerte steht. 159 Jahre später steigt seine Ur-Ur-Ur-Enkelin Luisa Schauerte ins Geschäft ein. Zu Beginn des Jahres bestand die 22-Jährige ihre Gesellenprüfung zur orthopädischen Schuhmacherin. Sie ist die sechste Generation im Familienbetrieb.
Sechste Generation
Luisa Schauerte startete ihre Schullaufbahn noch auf der damaligen Grundschule in Westenfeld. Von dort wechselte sie auf die Realschule Sundern und nach der Klasse 10 auf das Berufskolleg am Berliner Platz auf das berufliche Gymnasium für Wirtschaft und Verwaltung.
2019 verließ sie das Kolleg nach der Klasse 12 mit dem Fach-Abitur, um mit der Ausbildung zu beginnen.
Nach ihrer Gesellinnenprüfung stieg sie in sechster Generation in den Familienbetrieb ein. Nach Kaspar, August, Fritz, Ernst und Gereon ist sie die erste Frau in der Reihe der Schauertschen Schuhmacher.
Als Luisa im Jahr 2019 die Familie zusammentrommelte, hatte sie was zu sagen. Kaum hatte sie begonnen, ihren Eltern mitzuteilen, dass sie sich entschlossen habe, das Berufskolleg mit dem Fach-Abitur zu verlassen, um eine Ausbildung zur orthopädischen Schuhmacherin zu beginnen, brach Opa Ernst vor Freude in Tränen aus. „Ich habe den Satz nicht ganz ausgesprochen, da musste er schon weinen“, erzählt Luisa Schauerte. Sein Lebenswerk wird über eine weitere Generation fortgesetzt. Bei Luisa hatte es irgendwann Klick gemacht: „Ich mag Kundenkontakt und wollte nicht im Büro sitzen“, sagt sie, „und ich war doch als Kind schon immer mit Papa und Opa in der Werkstatt. Das hat mich immer interessiert“.
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Das Ende der Ausbildung von Luisa hat der Großvater leider nicht mehr erlebt. Schon sein Sohn Gereon (52) - Luisas Papa - hat die orthopädische Schuhmacherei in den Betrieb als festes Merkmal eingeführt. Dass nun die Tochter ebenfalls in dieses spezialisierte Handwerk einsteigt, ist quasi die Zukunftsgarantie für das Geschäft. „Das nämlich ist unser Alleinstellungsmerkmal“, sagt Gereon Schauerte. Ohne den orthopädischen Schwerpunkt, hätte ein Schuhgeschäft an diesem Standort wohl kaum noch Perspektive.
Die aber öffnet sich nun sehr wohl für die junge Westenfelderin. „Das ist ein Beruf mit Zukunft“, sagt sie. Und das liegt auch am Gesundheitszustand der Gesellschaft. „Es gibt leider immer mehr Kinder mit Fußproblemen“, weiß Gereon Schauerte. Der Bedarf nach Einlagen oder Spezialschuhen sei da vorprogrammiert.
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Unten in der Werkstatt der Schauertes sind viele verschiedene Leisten ein Zeugnis von Fehlstellungen, Erkrankungen und Unfallfolgen, die eine Unterstützung durch orthopädische Schuhmacherei bedürfen, damit die Menschen trotzdem gut gehen können. „Und hinter jedem Leisten steckt eine eigene Geschichte“, so Gereon Schauerte.
Anatomie und Medizin lernen
Seine Tochter Luisa musste daher in der Ausbildung auch kräftig büffeln. „Da war in der Berufsschule viel Medizin und Anatomie zu lernen“, erzählt sie. Ihre Ausbildungsstelle trat sie in Geseke im Schuhhaus Büsse an. „Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“, sagt sie. Sie zog in ihre erste eigene Wohnung, lernte Selbstständigkeit und einen anderen Betrieb kennen. „Von zu Hause kannte ich ja schon was. Jetzt bekam ich aber auch eine zweite Sichtweise und kann viel mit nach Westenfeld bringen“, sagt sie.
Für sie steht der Plan, dass sie den elterlichen Betrieb übernehmen möchte, in dem auch ihre Mutter Stephanie im Verkauf arbeitet. Bis dahin will sie aber sowohl zu Hause lernen und helfen als auch weitere Erfahrungen anderswo sammeln. Aktuell arbeitet sie als Gesellin 20 Stunden in Westenfeld und 20 Stunden im „Laufgut“ Allagen. „Da lerne ich andere Technologien kennen“, erzählt sie, „da wird schon viel digital gemacht“. In ein oder zwei Jahren will sie dann die Meisterschule besuchen.
Wichtiges Segment
Vater Gereon profitiert davon. „Da müssen wir natürlich auch mal was ausdiskutieren“, sagt er. Aber grundsätzlich sei es gut und wichtig, dass auch neue Impulse in den Betrieb kommen. „Luisa muss ja wissen und mitreden, wie es hier weitergeht“, so der Papa. Eines aber wird bleiben: Das Schuhhaus lebt von der Qualität. „Wir versorgen auf der höheren Schiene und nicht nur mit Kasseneinlagen“, so Gereon Schauerte. Das würde Kundschaft aus der gesamten Region weit über das Stadtgebiet hinaus anziehen. „Wir sind hier eine Art Insel“, so Gereon Schauerte. Das Schuhhaus, das auch Konfektionsware anbietet, habe allein 4500 Kunden im Orthopädie-Segment in seiner Kartei.
Der Bedarf nach orthopädischem Schuhwerk wächst. Und der nach Personal. „Es müssten noch viel mehr das Handwerk lernen“, sagt Gereon Schauerte. Der Fachkräftemangel trifft auf zunehmende Bürokratie, resultierend aus dem „jedes Jahr neu aufgeladenen“ Medizinproduktegesetz, die vor allem die Familienbetriebe sehr belastet. „Da bringt jede Einlage inzwischen ein achtseitiges Dokument mit sich“, weiß Gereon Schauerte.
Die junge Handwerkerin wird sich auch damit auskennen und auseinandersetzen müssen. Bis dahin hat sie noch Zeit, sich weiter zu qualifizieren und zu lernen. Sie kann zusammen mit ihrem Vater ihre Zukunftsideen für das Geschäft entwickeln. Der Familienbetrieb geht weiter. Opa Ernst Schauerte wäre stolz wie Bolle auf seine Luisa.