Arnsberg. Ihre Augen funkeln, als der Name „klimaflügel“ fällt. Sie ist Expertin für Nachhaltigkeit in Arnsberg. Mit Christina Hermes im Gespräch.
Ihre Augen funkeln, als der Name „klimaflügel“ fällt. Auf Instagram heißt sie so. Die Arnsbergerin ist Expertin für Nachhaltigkeit.
Ihr Trenchcoat ist von Sellpy – einem Second Hand Onlineshop. Das Top, auf das ihr blondes schulterlanges Haar fällt, nicht. Auch ihre Mom-Jeans nicht. Und dennoch strahlen ihre Augen, wenn sie über ihr nachhaltiges Sein spricht. Über das Thema, das viele Menschen als Trend abtun. Träumerin oder Realistin?
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Christina Hermes (25) lächelt. „Das ist das Schlimmste, das man mir sagen kann“, sagt sie, „aber DU fährst ja noch Auto. Und DEIN Kühlschrank ist auch nicht der Effizienteste.“ Sie erzählt von Vorwürfen, die ihr immer wieder begegnen. Und von dem, was diese mit ihr machen. „Die Vorwürfe von Dingen, die ich nicht perfekt mache, die tun mir einfach jedes Mal emotional weh“, erklärt sie, „weil ich ja auch besser werden will, aber nicht in allen Dingen besser werden kann.“ Ein energieeffizienter Kühlschrank ist ihr aktuell zu teuer. Und so ginge es vielen anderen Menschen auch.
Arnsbergerin sagt: „Negative Klimagefühle hemmen“
Ihr Auto bewegt sie nur, wenn sie etwas transportieren muss. Ansonsten fährt sie mit den „Öffis“ (Bus und Bahn). Und ihre Klamotten? „Das Top und die Jeans habe ich schon seit Jahren. Ich finde es nachhaltiger, die Sachen dann zu behalten und nicht wegzuschmeißen, um das nachhaltige Image irgendwie aufrecht zu erhalten“, sagt sie. Diese Vorwürfe brächten niemanden etwas – brächten die Menschen nur dazu, in Scham zu versinken.
„Scham ist ein Klimagefühl, das einen hemmt und nicht weitermachen lässt.“ Wenn sie von Klimagefühlen spricht, stützt sie sich nicht auf -lapidar ausgedrückt- Hirngespinste, sondern auf das gleichnamige Buch der Klima-Psychotherapeutinnen Lea Dohm und Mareike Schulze.
Klimafreundlicher werden ist ein Prozess
„Klimagefühle – das sind Wut und Trauer, aber auch Freude und Hoffnung“, sagt Christina Hermes. Ihre Antriebswelle sei oft Wut. Wut beispielsweise auf politische Akteure, die keine Verantwortung übernehmen würden. Nichts tun würden. Aber auch Freude. Freude darüber, was sie alles schon erreicht habe. Was sie schon klimafreundlich tue. Das sei nicht immer einfach.
„Wir müssen aufhören uns fertigzumachen, weil wir immer weiter und weiter und weiter müssen - mit Veränderungen. Und verzichten müssen und all das“, sagt sie, „wir sollten unsere Energie besser woanders reinstecken, nämlich dahin, das System zu verändern. Und das beispielsweise, indem ich mich einem Ehrenamt anschließe. Indem ich Petitionen unterschreibe. Indem ich mich politisch engagiere.“
Ein Beispiel dafür sei der Einsatz für kostenfreie Bahnfahrten. Oder für den Ausbau der „Öffis“.
„Ich könnte jetzt überall hinlaufen oder mit dem Fahrrad fahren –über die ganzen Berge und völlig verschwitzt–, um auf das Auto zu verzichten. Oder ich setze mich dafür ein, dass Bus und Bahn kostenlos werden. Dass hier mehr Busse fahren.“
Klimafreundlicher zu werden sei ein Prozess. Ein Prozess, indem auch sie noch stecke. „Ich habe einen nachhaltigen Rasierer – einen Rasierhobel. Der spart so viel Plastik und auch Plastik, dass so nicht recycelt werden kann. Aber ich habe Monate gebraucht, um das zu benutzen, weil ich halt an meine Rasierer gewöhnt war und nicht aus meiner Komfortzone herauswollte.“ Doch als sie es endlich gemacht habe, sei es völlig normal geworden. Alltag.
Nicht radikal, sondern real
„Positives Denken gleich gutes Wohlbefinden“ kann Christina Hermes Motto in etwa bezeichnet werden. Denn sie rät nicht zur Radikalveränderung, sondern dazu, mit Kleinigkeiten beginnen: „Man könnte seinen Konsum einschränken und Kaufentscheidungen überdenken (Second Hand); Onlineshops mit Nachhaltigkeitskriterien“, sagt sie, „auch ein Ökostromvertrag kann bis zu einer Tonne Co²-Emission einsparen – und ein Vertragswechsel dauert 5 Minuten.“
Mit etwa 16 Jahren wird eine ihrer Freundinnen Veganerin. Christina Hermes ist neugierig – und erfährt von ihr, wie die Tiere am Ende der Nahrungskette behandelt werden. Ein Schock. Kurzerhand entschließt sie sich, ebenfalls vegan zu leben. Damals wie heute sind der Klimaschutz und die Nachhaltigkeit nicht fest im Schullehrplan verankert. Dies wünscht sie sich. „Vielleicht wäre es kein so großer Schock für mich gewesen, hätte ich es zuvor in der Schule schonmal gehört“, meint sie. Sie würde sogar in der Grundschule beginnen. Denn Kinder gingen noch unvoreingenommen und naturverbundener an die Dinge heran.
Und sie hätten eine echte Macht gegenüber ihren Eltern. „Wenn ein Kind nach der Schule nach Hause kommt und sagt: ‚Mama, ich will eine Zukunft‘. Wow.“
Mittlerweile kooperiert Christina Hermes auch mit der Stadt Arnsberg. Aktuell bereitet sie sich auf besondere Workshops vor, die sie im Stadtlabor Arnsberg durchführt: „Bring deinen ökologischen Handabdruck auf die Leinwand!“ und „Nimm deine Klimagefühle wahr“.
Workshops buchbar
Der Workshop von und mit Christina Hermes „Bring deinen ökologischen Handabdruck auf die Leinwand!“ findet am Donnerstag, 9. März, ab 17.30 Uhr im Stadtlabor Arnsberg statt.
Ein weiterer Workshop „Nimm deine Klimagefühle wahr“ findet am Donnerstag, 30. März, statt.
Anmeldung möglich unter:
freiraum@arnsberg.de
Klimaflügel und Christina Hermes Sustainability Consulting
Sie spricht nicht nur mit Worten – sondern auch mit ihren Händen. Euphorisch. Schon fast ideologisch. Und dennoch scheint sie genau zu wissen, was sie sagt. Vor allem aber, was sie will. „Ich habe meinen Job gekündigt und wollte etwas machen, das mich erfüllt, womit ich aber gleichzeitig auch Geld verdienen kann. Denn anders kann man in diesem System nicht überleben“, sagt sie, „und dann habe ich mich in die Ideenfindung begeben.
Immer mehr stellte sich das Konzept ‚Klimaflügel‘ heraus.“ Das erste Event: nachhaltige Weihnachtsbäume (wir berichteten). Das alles erfüllt sie. „Aber gleichzeitig hat es mich aufgeregt, dass ich mich die ganze Zeit fragen muss, wie ich damit Geld verdienen kann. Klimaflügel ist keine kapitalistische Organisation, das hier ist mehr.“
Mit Klimaflügel möchte sie Menschen zusammenbringen. Durch die Taten andere Menschen bewegen, sich anzuschließen. Und eine immer größer werdende Community in Arnsberg schaffen. Sie denkt an eine Bürgerinitiative - sogar an eine Vereinsgründung, später, vielleicht.
Und dennoch muss sie Geld verdienen. Also gründet sie „Christina Hermes Sustainability Consulting“, um als Nachhaltigkeitsmanagerin für kleine und mittelständische Unternehmen aktiv zu werden. Mit dem Bachelor in BWL, einer Ausbildung zur Kauffrau für Dialogmarketing und einer zusätzlichen Weiterbildung zur Nachhaltigkeitsmanagerin möchte sie nun durchstarten.
Nachhaltigkeitsmanagerin für kleine und mittelständische Unternehmen
Ihre Stimmfarbe ändert sich. Sie schlägt die Hände übereinander. Ihr Blick wirkt ernster. Zahlen kommen auf den Tisch. Fakten. Statt der eben noch ideologischen jungen Frau sitzt da nun eine realistische Business-Frau.
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„Es darf nicht alles an Privatpersonen hängen bleiben. Das denken wir gerne - aber was mich immer wieder schockiert, ist, dass 100 Konzerne auf dieser Welt gut 70 Prozent der gesamten Co²-Emission ausstoßen“, sagt sie, „und wir überlegen uns, ob wir einen nachhaltigen Rasierhobel nutzen oder nicht. Das muss man in Relation setzen.“
Ihr Ziel: Kleine und mittelständische Unternehmen zu finden, die ihr die Chance geben, sich als Nachhaltigkeitsmanagerin zu beweisen und zu behaupten.
Auch, wenn diese bislang von der Verpflichtung, ab 2024 über ihre Nachhaltigkeit berichten zu müssen, befreit seien, so sehe sie schon Wettbewerbsvorteile. „Auch kleine und mittelständische Unternehmen müssen sich also umorientieren. Oft fehlen dazu aber die fachlichen wie auch personellen Kapazitäten. Da eine Beraterin zu haben, die flexibel ist und das Fachwissen mitbringt, ist effizient.