Arnsberg/Sundern. Vereine in Arnsberg und Sundern sammeln Sachspenden für die Erdbebenopfer. Dabei haben viele der Helfenden selbst Freunde und Verwandte verloren.

In der kleinen Einfahrt vor dem Haus des Islamisch Arabischen Vereins in Neheim parken Autos mit offenen Türen und offenem Kofferraum. Sie sind beladen mit Kartons, diese werden nach und nach ausgeladen, ans Ende der Einfahrt gestellt – auf Plastiktüten, falls der gefrorene Boden doch noch auftaut. Damit es nicht nass wird. Eine Frau kommt noch ein zweites Mal, es haben nicht alle ihre Spenden auf einmal ins Auto gepasst.

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So sieht es am Mittwochmorgen aus: der Islamisch Arabische Verein in Neheim ist nur eine von mittlerweile vielen Stellen in Arnsberg und Sundern, an denen Sachspenden für die vom Erdbeben betroffenen Gebiete gesammelt werden. Viele Familien von Vereinsmitgliedern sind betroffen, viele von ihnen stammen aus den Regionen in der Türkei oder in Syrien.

Islamisch Arabischer Verein: Ein Mitglied hat Dutzende Familienmitglieder beim Erdbeben verloren

In der Familie eines Mitglieds seien „dreißig, vierzig“ Familienmitglieder in der Türkei dem Erdbeben zum Opfer gefallen, berichtet Vereinsvorsitzender Samawal Karkoutly. Auch auf syrischer Seite gibt es Verluste zu beklagen. „Wir beten für die Menschen dort.“

"Männerpullover" steht, frei übersetzt, auf einem der Kartons. Die Idee: Wenn die Spenden nicht nochmal umsortiert werden, kann im Katastrophengebiet direkt mit der arabischen Beschriftung gearbeitet werden. © WP | Katharina Kalejs

Die Familie von Ahmad Warak aus Syrien, der am Mittwoch beim Verein vor Ort ist, um Spenden anzunehmen, hatte mehr Glück: sie hat überlebt. „Zum Glück!“ Durch seine Familienmitglieder weiß er von dem Leid, welches dort vorherrscht – und weiß auch, dass die Lage besonders in Syrien schwierig ist. „Die Regierung ist quasi machtlos und das macht es umso schwieriger, dort zu helfen“, erklärt er, während er die Kartons beschriftet. Auf Deutsch und auf Arabisch, damit direkt damit gearbeitet werden kann, wenn die Spenden im Katastrophengebiet ankommen.

Die Situation in Syrien lässt nur wenig internationale Hilfe zu

Deswegen sammelt der Islamisch Arabische Verein speziell für die Betroffenen in Syrien: Schon am Mittwochnachmittag werden die Spenden nach Essen gebracht, von dort aus geht es noch Mittwochabend mit dem Flugzeug weiter. „Bedauerlicherweise gibt es in Richtung Syrien nur wenige Initiativen, weil es so schwierig ist, die Region zu erreichen“, erklärt Karkoutly.

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Anfang kommender Woche ist bereits ein weiterer Transport nach Essen geplant. „Wir kommunizieren auf Facebook, wann hier jemand vor Ort ist“, sagt Ahmad Warak dazu. Fest stehen jetzt schon die Zeiten am Freitag von 13 bis 14 Uhr nach dem Freitagsgebet und am Sonntag von 11 bis 15 Uhr. Dann finden die Arabischunterrichtsstunden für Kinder statt, die der Verein ehrenamtlich durchführt, erzählt eine Helferin, Mariam Khiata. „Wenn hier jemand da ist, dann können die Spenden auch angenommen werden.“

Anatolischer Kulturverein Sundern vernetzt sich für bestmögliche Hilfe

Von der schwierigen Hilfslage in Syrien berichtet auch der Anatolische Kulturverein Sundern. „Aufgrund der politischen und topographischen Situation und der religiösen und ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung, kommt Menschen in Nordsyrien keine ausreichende Hilfe zu Gute“, erklärt Murat Cakar vom Kulturverein, „Menschen versuchen dort mit bloßen Händen bei klirrender Kälte ihre Angehörigen aus den Trümmern zu befreien.“

Am Dienstagnachmittag kamen in fünf Stunden über vierzig Kisten mit Sachspenden zusammen. Khaleg Jafari, Musa Alp und Bülent Incesu (v.l.) helfen beim Sortieren und Beschriften.
Am Dienstagnachmittag kamen in fünf Stunden über vierzig Kisten mit Sachspenden zusammen. Khaleg Jafari, Musa Alp und Bülent Incesu (v.l.) helfen beim Sortieren und Beschriften. © Privat | Anatolischer Kulturverein

Der Kulturverein hatte am Dienstag zu einer Sachspendensammlung aufgerufen und so etwa vierzig Kartons direkt zur zentralen Sammelstelle in Werl bringen können. Wichtig dabei: Die Vernetzung. Cakar berichtet von einer Vernetzung „von Brilon bis Plettenberg und Siegen bis Lippstadt“, denn so könnten die gesammelten Spenden so bald wie möglich auf den Weg gebracht werden. Auch im Ort bekommt der Kulturverein Unterstützung, zum Beispiel vom TUS Sundern, der sich nicht nur mit Spenden, sondern auch mit Helfern an der Sammelaktion beteiligt.

Seuchengefahr in den vom Erdbeben zerstörten Gebieten: Keine gebrauchten Kleiderspenden

Spendenmöglichkeiten

Sachspenden können zum Beispiel beim Anatolischen Kulturverein in Sundern, In den Röhrwiesen 3, oder beim Islamisch Arabischen Verein in Neheim, Schleifmühlenweg 3, abgegeben werden. Da beide Sammelstellen von Ehrenamtlichen betrieben werden, gibt es keine festen Öffnungszeiten – diese werden kurzfristig in den sozialen Medien kommuniziert oder können erfragt werden.

Geldspenden sollen, so unsere Ansprechpersonen, bestenfalls direkt an Organisationen geschickt werden, die in den betroffenen Regionen im Einsatz sind. Das sind zum Beispiel das Bündnis Deutschland Hilft oder Caritas International. Eine Liste von Hilfsorganisationen, die in Syrien und der Türkei aktiv sind, finden Sie zum Beispiel auf der Website des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen.

Doch die gut gemeinten Sachspenden können auch Probleme bergen, weiß Cakar: „Aufgrund der Seuchengefahr nehmen die Hilfsorganisationen vor Ort keine getragene Kleidung mehr an.“ Bereits genutzte Kleidung müsste vor der Ausgabe desinfiziert werden, erklärt er, und das bringe unter den vorherrschenden Umständen eine erhebliche Verzögerung. „Deshalb wird um neue und unbenutzte Kleidungsspenden gebeten.“

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Cakar ist selbst Berufskraftfahrer und auch das hilft bei dem Transport: Die Roman Mayer Logistikgruppe, zu der auch Cakars Arbeitgeber gehört, hat eine Türkei-Abteilung, dort werde sich nun um den Straßentransport in die Türkei kümmert. Dadurch können auch langfristig Spenden beim Anatolischen Kulturverein gesammelt werden, so Cakar.