Arnsberg. Ist der Job der Tagesmutter nur den Frauen vorbehalten? - Einen Tagesvater gibt es wohl in Arnsberg: Jörg verrät, wie sich das anfühlt.

Die Vorstellung der Rollenteilung in der Berufswelt hält sich bis heute: Jedenfalls scheint der Job der Tagesmutter ausschließlich den Frauen vorbehalten zu sein. Ausschließlich? - Einen einzigen Tagesvater gibt es wohl in Arnsberg. Wie fühlt es sich als Mann in dieser Frauendomäne an?

„Dieser Job ist nichts für Angeber.“ Jörg Schröder (53) ist Arnsbergs einziger Tagesvater und für ihn ist dies eher eine Berufung als nur gewöhnliche Arbeit.

Kochen, füttern, Windeln wechseln - all das erledigt Tagesvater Jörg im Handumdrehen. “Seine“ fünf Kinder werden montags bis freitags ab 8 Uhr gebracht und verbringen mehrere Stunden bei und mit ihm. „Wir beginnen den Tag mit einem gesunden Frühstück und dann wird gespielt. Im besten Falle bin ich dabei überflüssig und darf zugucken“, verrät er.

<<<Lesen Sie auch: Bürgerbusverein hat Geldprobleme<<<

Wochentags betreut Jörg Schröder von morgens bis in die Mittagsstunden hinein fünf Tageskinder. Anja Jungvogel
Wochentags betreut Jörg Schröder von morgens bis in die Mittagsstunden hinein fünf Tageskinder. Anja Jungvogel

Alles, was blinkt, hupt und piepst, kommt bei ihm nicht ins Spielzimmer. Vielmehr gibt es hier Raum für Ursprüngliches: Ein Krabbeltunnel und Dinge zum Ertasten nehmen hier einen Hauptbestandteil ein. Es wird geforscht, gefühlt und jede Ecke mit neugierigen Kinderaugen und Händchen erkundet. „Gegen 11 Uhr werden die Kleinen müde und schlafen dann eine Zeit lang“, erklärt der 53-Jährige den strukturierten Tagesablauf.

Alles, was blinkt, hupt und piepst

Jörg stammt ursprünglich aus Köln und war dort als freischaffender Musiker tätig. Der Job des Tagesvaters ist ursprünglich nicht sein Traumberuf gewesen. Doch vor dreizehn Jahren zog er mit seiner Frau von der Großstadt ins Sauerland und hat hier einen Qualifizierungskurs für Tagesmütter und -väter absolviert. „Auch da war ich das einzige männliche Wesen in der Runde, aber noch lange nicht der Hahn im Korb.“

<<<Auch interessant: Corona: Eine Frau kämpft um Hilfe>>>

Vielmehr wird er oftmals kritisch beäugt. Ein Mann, der sich für kleine Kinder interessiert, scheint auf irgendeine Weise gleich innere Vorbehalte zu wecken. Woher stammen eigentlich die altbackenen Bedenken, dass ein Mann für die Kindererziehung nicht gut genug sei? - „Keine Ahnung, alles Vorurteile vielleicht“, meint Jörg und stellt die ironische Gegenfrage, ob wir Menschen wohl die ersten Lebewesen auf der Welt seien, die ohne ein Fachbuch zu lesen, mit der Aufzucht des Nachwuchses überfordert seien.

Kochen, füttern, Windeln wechseln

Jörg ist übrigens selbst Vater von drei Söhnen und hat nach der Geburt seines ersten Kindes, vor knapp 30 Jahren, kein einziges Buch über Erziehung oder Didaktik gelesen. Trotzdem sei aus ihm etwas geworden.

„Als ich mit diesem Job anfing, schlugen Freunde von mir die Hände über dem Kopf zusammen und dachten dass ich bestimmt mit Kindergeschrei, Spielzeug-Chaos und vollen Windeln überfordert sei.“

Weit gefehlt, wer Jörg in seiner alten Villa in Alt-Arnsberg besucht, spürt gleich am Eingang, dass in diesem Haus die Ruhe und Gelassenheit herrscht. In der groß geschnittenen Küche duftet es fast immer nach frischgebackenem Brot oder es brutzelt etwas Leckeres auf dem Herd. Die kleine Clara (2) isst hier sogar Brot, obwohl sie zuhause Teigwaren verschmäht.

Der dreifacher Vater ist halt ein Profi in seinem Beruf, der ihm bei männlichen Bekannten zwar nicht unbedingt Anerkennung einbringt, ihm aber dennoch viel Spaß bereitet. Mittlerweile hat der 53-Jährige fast 40 Kleinkinder mit großgezogen. „Ich bin froh, dass ich mich nicht mehr im großen Job-Haifischbecken tummeln muss und ständig irgendeinem Konkurrenzkampf unterworfen bin“, sagt er.

Einen Burnout will Jörg nicht mehr bekommen

Einen „Burnout“ hat er nämlich hinter sich. „Lange Zeit her, damals noch in Köln“, verrät er. „Muss ich nicht noch einmal haben.“ Daher kümmert sich der Arnsberger Tagesvater doch lieber um den Nachwuchs anderer und winkt den Eltern zum Abschied hinterher, wenn diese in ihre Autos steigen und eilig zur Arbeit düsen.

Nicht nur die Kleinen mögen Jörg Schröder sehr. Katharina Bertelmeier, Mutter von Charlotte (1), meint: „In der Regel übernehmen Frauen ja die Erziehung. Das fängt im öffentlichen Leben schon im Kindergarten an. Und auch in der Grundschule gibt es hauptsächlich Lehrerinnen. Daher bin ich froh, dass es wenigesten einen Tagesvater in Arnsberg gibt. Zudem ist er einfach klasse. Die Kinder mögen ihn sehr und das ist die Hauptsache.“

Katharina Bertelmeier mit Charlotte (1) und Katharina Mielke mit Clara (2) sind begeistert von Tagesvater Jörg. Anja Jungvogel
Katharina Bertelmeier mit Charlotte (1) und Katharina Mielke mit Clara (2) sind begeistert von Tagesvater Jörg. Anja Jungvogel

Ähnlich denkt auch Katharina Mielke darüber, die mit ihrer Tochter Clara (1) zur Eingewöhnung bei Tagesvater Jörg ist. Und was hält das Jugendamt von Männern in diesem Beruf? - Jens Zurmühl von der Stadtverwaltung Arnsberg freut sich erst einmal, dass das Interesse an den aktuell anstehenden Qualifizierungsmaßnahmen für die Kindertagesbetreuung hoch ist. „Die nächsten tätigkeitsvorbereitenden Kurse der VHS und KefB sind ausgebucht“, verrät er. Allerdings sei auch diesmal kein einziger Mann dabei. Und dabei hat die Stadt einen ganzen Bus plakatieren lassen, ausdrücklich mit Werbung für Tagesmütter und -Väter. „Das hat leider gar nichts gebracht“, so Zurmühl. Auch er würde sich über männliches Interesse in diesem Berufsfeld freuen. „Vielleicht braucht es noch seine Zeit, bis sich in den Köpfen die Vorstellung über Rollenverteilung verändert“, meint er.

Die Buswerbung des Jugendamtes der Stadt Arnsberg brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Die Buswerbung des Jugendamtes der Stadt Arnsberg brachte nicht den gewünschten Erfolg.