Neheim. Den Autor des Buchs „Ich war Hitlerjunge Salomon“ verband eine enge Freundschaft zu SUG-Lehrer Fabian Timpe. Wie es dazu kam, erfahren Sie hier
In der vergangenen Woche ist der israelische Autor Sally Perel im Alter von 97 in Tel Aviv gestorben. Berühmt wurde Perel, der deutsche Wurzeln hatte und im niedersächsischen Peine 1925 geboren wurde, durch seine Autobiografie „Ich war Hitlerjunge Salomon“. Darin beschrieb Perel in eindrucksvollen Worten, wie es ihm gelang, seine jüdische Identität zu verheimlichen und somit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Später wurde das Buch sogar verfilmt.
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Sally Perel hatte auch eine Verbindung zu Arnsberg: Zwei Mal kam der Holocaust-Überlebende an das St.-Ursula-Gymnasium nach Neheim, um dort als Zeitzeuge mit bewegenden Schilderungen über die Verbrechen der Nazis zu sprechen. Initiiert hatte diese Besuche Geschichtslehrer Fabian Timpe. „Ich habe den Film „Hitlerjunge Salomon“ 1998 das erste Mal gesehen und war direkt von der Geschichte fasziniert. Mit der Zeit habe ich mich immer intensiver mit der Lebensgeschichte von Sally Perel beschäftigt und habe natürlich auch das Buch gelesen“, berichtet Timpe.
Intensive Recherche führt zum Erfolg
Einige Zeit verging, ehe das Interesse Timpes neuen Schwung bekam. In der Talksendung von Markus Lanz war Perel 2014 zu Gast. „Ich habe die Sendung verfolgt und in mir wuchs direkt der Wunsch, Kontakt mit Herrn Perel aufzunehmen und ihn kennenzulernen.“ Mit ein bisschen Internetrecherche fand er Perels Facebook-Seite. „Doch wie konnte ich mit so einer großen Persönlichkeit überhaupt ins Gespräch kommen?“, fragte sich Fabian Timpe. „Ich konnte dann herausfinden, dass er zwei Jahre lang im belarussischen Grodno gelebt hatte. Da ich selbst dort im Rahmen der Kriegsgräberfürsorge gewesen bin, hatte ich einen Anknüpfungspunkt gefunden. Sally Perel antwortete mir auf meine Anfrage. Über seinen Agenten konnte ich ihn für einen Besuch in Neheim am SUG gewinnen, was mich sehr glücklich und dankbar machte“, schildert der Geschichtslehrer die Hintergründe.
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Nach seinem Erstbesuch 2015 in Neheim kam der israelische Autor später noch ein weiteres Mal an die Schule. Im Laufe der Zeit besuchten sich Timpe und Perel auch im privaten Rahmen, es entstand eine enge Freundschaft, die von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägt war. „Immer wenn er in NRW war, haben wir uns zumindest einen Nachmittag oder Abend getroffen, er war auch mehrfach zum Abendessen zu Gast in meinem Elternhaus in Niedereimer. Darüber hinaus hat er mich beispielsweise eingeladen, an einer echten jüdischen „Shalom Shabatt-Feier“ in der jüdischen Gemeinde Oberhausen teilzunehmen. Das war für mich eine eindrucksvolle Erfahrung.“
Unglaubliche Aura
Besonders in Erinnerung geblieben, sei Timpe Perels offene, freundliche und den Menschen zugewandte Art. „Er hatte eine unglaubliche Aura und war ein ‚Menschenfischer‘ im besten Sinne. Er wollte junge Menschen zu sogenannten Zweitzeugen machen, damit niemand die Taten der Nazis vergisst. Diese Mission hat er mit Hingabe verfolgt“, erklärt Fabian Timpe.
Wenn man Timpe über Perel sprechen hört, spürt man den großen Respekt vor dessen Lebenswerk. „Ich bin natürlich sehr ergriffen, dass Sally nun nicht mehr lebt, gleichzeitig bin ich aber auch unfassbar dankbar, dass ich ihn persönlich kennenlernen, erleben und als meinen Freund bezeichnen durfte. Ich weiß dieses Privileg sehr zu schätzen!“
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In der Schule habe Sally Perel einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sogar ehemalige Schülerinnen und Schüler hatten sich noch am Tag der Todesnachricht bei Fabian Timpe gemeldet, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Die Mission Perels, junge Menschen zu ebenjenen „Zweitzeugen“ zu machen, sei damit sicherlich erfüllt worden. Und Fabian Timpe ist sich sicher, dass diese ihre Erfahrungen und ihr Wissen als Multiplikatoren auch an andere Menschen weitergeben werden. „Leider arbeitet die Zeit gegen die Zeitzeugen wie Sally Perel. In ein paar Jahren wird niemand mehr von ihnen leben. Umso wichtiger ist es, ihre Erinnerungen wach zu halten.“ Neben den erwähnten „Zweitzeugen“ sei auch die Digitalisierung ein Verbündeter, um Informationen zu erhalten und der Nachwelt zur Verfügung zu stellen. Allein über Sally Perel gebe es zahlreiche Dokumentationen, Interviews und Aufzeichnungen.
Fabian Timpe hat das schon spontan im Unterricht genutzt, um Schülerinnen und Schülern mehr über Perel zu zeigen. „Ich hatte den Eindruck, dass von diesen Erinnerungen eine große Faszination auf die jungen Menschen ausging. Die Nachfragen waren so groß, dass wir sogar einen Teil der Pause genutzt haben, um darüber zu sprechen. Das war für mich persönlich bei aller Trauer über den Verlust eines Freundes ein sehr positives Gefühl der Hoffnung. Mit Sally Perel ist eine ganz große, außergewöhnliche Persönlichkeit von uns gegangen die es verdient, dass wir ihr Andenken bewahren und ihre Mission weiterführen!“