Neheim. Wie Rafael Stern aus Venezuela neue Freunde in der Heimat seiner Vorfahren fand, lesen Sie hier
Exakt 8.047 Kilometer trennen Caracas, die Hauptstadt Venezuelas, von Neheim. Für Rafael Stern war es diesmal keine Reise ins Unbekannte, als er kurz vor Weihnachten das Flugzeug nach Portugal bestieg und von dort Ende Dezember nach Deutschland weiterflog.
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2014 war das noch ganz anders. Damals besuchte der Jurist, der in Caracas für eine Bank arbeitet, zum ersten Mal Neheim. Stern war auf der Suche nach den Wurzeln seiner Familie. Seine Großeltern Erich und Gerta Stern mussten zusammen mit ihrem einzigen Sohn Heinrich Hermann, dem Vater von Rafael Stern, 1939 Deutschland verlassen. Die Sterns waren Juden und mussten mit der dramatischen Flucht nach Venezuela der Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten entgehen.
Emotionaler Besuch
Auch Rafael Stern ist wie seine Vorfahren jüdischen Glaubens. Dementsprechend emotional war 2014 die Reise nach Deutschland – „das Land der Täter“. Zustande gekommen war der Besuch in Neheim durch die Recherchen von Alicia Sommer. Die heutige 2. Vorsitzende des Heimatbundes Neheim-Hüsten war damals noch Schülerin des St.-Ursula-Gymnasiums und hatte für eine Forschungsarbeit im Leistungskurs Geschichte überraschend in der Ruhr aufgefundene jüdische Grabsteine untersucht.
„Im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeiten ist es mir mithilfe von Stadt- und Landesarchiven, Datenbanken und der Recherche im Internet gelungen, einen Nachfahren des Ehepaares Julius und Bertha Goldberg, geb. Nordhaus, deren Namen auf einem Grabstein standen, ausfindig zu machen. Und das war Rafael Stern!“, erklärt Alicia Sommer. Unser pensionierter Redakteur Martin Schwarz hatte 2014 ausführlich über die Hintergründe der Kontaktaufnahme berichtet.
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Alicia Sommer spielte bei der Kommunikation dabei auch in die Hände, dass Rafael Stern nicht nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sondern gleichzeitig auch noch Deutsch spricht. Aus dem damaligen Besuch 2014, bei dem Rafael Stern Alicia Sommer persönlich traf und auch den Neheimer Heimatforscher Werner Saure kennenlernte, ist mittlerweile ein enger Kontakt zwischen den Familien Stern und Sommer entstanden. Man kann sogar von einer Freundschaft sprechen. „Wir haben regelmäßig Kontakt per WhatsApp und halten uns auf dem Neuesten“, erklärt Alicia Sommer. Und ihre Mutter Kornelia Sommer, die sich als Beisitzerin im Vorstand des Heimatbundes Neheim-Hüsten engagiert, ergänzt: „Wir haben sogar Silvester zusammen gefeiert und Ausflüge in die Region unternommen. Gemeinsam waren wir auch in Rüthen, wo eine Schule nach seinem Großonkel Dr. Hugo Stern benannt wurde“.
Weitere Treffen sind möglich
Rafael Stern war Ende Dezember nicht allein, sondern direkt mit seiner Ehefrau Myriam und seinem Sohn Rafael junior nach Deutschland gereist. Zur letzten Gedenkveranstaltung und Ausstellung am 9. November in der Synagoge in Neheim hatte Stern außerdem eine Video-Botschaft geschickt und allen Beteiligten dafür gedankt, dass diese die Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis und das Gedenken an die verfolgten Juden aufrechterhalten. „Es ist sehr wichtig, dass man es nicht vergisst“, wird Rafael Stern zitiert.
Für den nächsten Besuch Sterns in Neheim plant der Heimatbund gemeinsam mit dem Lehrer Meinolf Padberg ein Zusammentreffen mit Schülerinnen und Schülern der Agnes-Wenke-Sekundarschule und der Grundschule „Rote Schule“. Im Rahmen eines geplanten Rassismus-/Antisemitismus-Projektes könnte Rafael einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur liefern. „Da bald kein Überlebender und auch Täter des Nationalsozialismus mehr persönlich berichten kann, gehören die ‚Ohrenzeugen‘ der zweiten und dritten Generation in Zukunft mit zu den neuen Wegen der Erinnerungskultur“, erklärt Alicia Sommer.