Arnsberg/Sundern. Apothekerin Imke Jansen schlägt Alarm: Mangel an Medikamenten lässt vor allem Kinder leiden.
„Wir sind jedes Mal völlig fertig, wenn wir den verzweifelten Eltern keine Medikamente für ihre Kinder mitgeben können“, berichtet Imke Jansen vom Team der heimischen Jansen-Apotheken. Doch leider sei diese Situation inzwischen keine Ausnahme mehr, sondern werde immer mehr zur Regel, hat die Apothekerin beobachtet – und schlägt Alarm:
Unwirtschaftlichkeit
Kostendruck im Gesundheitswesen führt zu den Lieferengpässen: Weil es wegen steigender Produktionskosten unwirtschaftlich wird, das Arzneimittel zu den von den Kassen bezahlten Festbeträgen zu produzieren und zu vertreiben, sind Hersteller gezwungen, Preise zu erhöhen.
In anderen Fällen – etwa bei Fiebersäften – ziehen sie sich aus der unrentablen Produktion zurück.
Die aktuelle Situation der Lieferengpässe sei absolut nicht mehr zumutbar, heißt es in einem Facebook-Post auf der Homepage des Familienverbundes, der an den Standorten Arnsberg, Balve, Ense, Hamm und Sundern insgesamt sechs Apotheken betreibt. „Nicht für Sie / Euch als Eltern und Patienten, nicht für die verschreibenden Ärzte und nicht für uns, als Apotheken vor Ort“, hat Imke Jansen alle Betroffenen auf dem Schirm. „Es kann nicht sein, dass kranke Kinder und Babys keine fiebersenkenden Mittel mehr bekommen können, weil schlichtweg nichts auf dem deutschem Markt mehr verfügbar ist – oder dass Eltern es vermeiden, mit dem kranken Kind ins Krankenhaus fahren zu müssen, weil aktuell keine Behandlungskapazitäten mehr da sind“, bringt Imke Jansen die kritische Situation auf den Punkt.
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Kritisch, weil es Engpässe bei Insulin und weiteren lebensnotwendigen Medikamenten gibt. Fiebersenkende Mittel wie Paracetamol und Ibuprofen sind zwar in Tablettenform erhältlich, als Zäpfchen oder Säfte jedoch fast vergriffen (was die jüngsten Patienten mit voller Wucht trifft): Aktuell betreibe man eine Mangelverwaltung, jongliere täglich mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen: „Wir telefonieren bei fast jedem Rezept mit Praxen, Ärzten, anderen Apotheken, Großhändlern und Herstellern, um irgendwo noch Ware oder Alternativen aufzutreiben“, beschreiben die Jansens den derzeit schwierigen Alltag ihres Berufs.
Ursachenforschung
Welche Ursachen sorgen für diesen Mangel?, haben wir die Jansens gefragt. Wirkstoffe wie Paracetamol würden häufig nur noch im Ausland produziert, lange, komplexe Lieferketten seien eine Folge – das mache unser Land abhängig und nicht mehr autark, hat Imke Jansen eine mögliche Erklärung – und fordert:
„Es muss sich dringend etwas ändern.“ Heimische, aber auch Landes- und Bundespolitiker haben die Jansens mit der Problematik konfrontiert, auch die gesetzlichen Krankenkassen sind aus ihrer Sicht gefordert, zu handeln. „Wir könnten Fiebersäfte und -zäpfchen auch selbst herstellen, sofern Ausgangs- und Hilfsstoffe lieferbar sind“, regt Imke Jansen eine mögliche Alternative an. Allerdings sei das mit enormem Zeit- und Personalaufwand – u.a. aufgrund der hohen bürokratischen Auflagen bei der Herstellung – verbunden; und verursache hohe Kosten, von denen die Kassen zumindest einen Anteil übernehmen müssten.
Preis für Antibiotika-Säfte steigt
Wie der Apothekerverband Westfalen-Lippe mitteilt, wird die Lage jetzt sogar noch schwieriger: Ein Hersteller habe die Preise seiner Antibiotika-Säfte für Kinder erhöht. Weil die Kassen aber nur bis zu einer festen Grenze die Kosten erstatten, müssten die Patienten die Differenz – unter Umständen – nun aus eigener Tasche bezahlen.
„Die Apotheken sind in vielen Fällen gesetzlich dazu verpflichtet, diese Mehrkosten von den Patienten zu verlangen. Wir sind an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden und haben keinerlei Spielraum, weil wir sonst aufsichtsrechtliche Konsequenzen riskieren“, bittet Andreas Vogd, Vorsitzender der Bezirksgruppe Hochsauerland im AVWL, Eltern um Verständnis.
Die jeweilige Apotheke selbst habe nichts von diesen Mehrkosten, unterstreicht Vogd – und betont:
„Es darf nicht sein, dass Familien künftig zusätzlich belastet werden! Apotheker in Westfalen-Lippe fordern die Politik darum dringend auf, Lösungen zu finden.“