Arnsberg/Sundern. Apotheken im Raum Arnsberg/Sundern sind bereit. Mediziner befürchtet holprigen Start. App ist kein Zwang

Der 1. September rückt näher – und damit auch die Testphase sowie die Einführung des E-Rezepts (elektronisches Rezept). Künftig wird es möglich sein, Rezepte digital von Arztpraxen zu Apotheken zu übermitteln. Patientinnen und Patienten müssen dafür eine App auf ihrem Handy installieren. Vorab gilt aber: Keine Sorge.

Wer nicht über ein Smartphone oder das nötige Know-how verfügt, kann auch weiterhin Rezepte erhalten und einlösen. Wann man sich gänzlich vom analogen Verfahren verabschiedet, steht dieser Tage noch in den Sternen. Für die Zukunft ist die Übermittlung der „E-Rezepte“ über eine „E-Gesundheitskarte“ geplant, doch auch hier ist nicht abzusehen, wann dies flächendeckend eingeführt wird.

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Zunächst würde also die App-Option bleiben, bzw. könnte man einen Ausdruck des „E-Rezepts“ erhalten. Welches dann natürlich nicht mehr seinen ursprünglichen Sinn erfüllen würde.

Ablauf fast unverändert

„Für die Patientinnen und Patienten ändert sich nicht viel am Ablauf. Nach wie vor erhalten sie in der Arztpraxis ein Rezept, das sie dann in ihrer Apotheke vor Ort einlösen können, nur eben auf digitalem Wege“, sagt Apothekerin Carolin Stephani, Sprecherin der Apothekerschaft im Altkreis Arnsberg.

Am 1. September startet jedoch zunächst die sogenannte „Rollout-Phase“, also ein Testzeitraum, in dem die KVWL (Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe) insgesamt 250 Arztpraxen intensiv bei der Einführung betreut. Das bedeute jedoch nicht, dass nur 250 Praxen im KVWL-Gebiet bereits mit dem E-Rezept arbeiten. Beginnen könne jeder, der technisch dazu ausgerüstet und befähigt ist, ab sofort, heißt es aus der Pressestelle der KVWL.

Auch nachdem die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) in der vergangenen Woche ihren Rückzug aus dem E-Rezept-Rollout angekündigt hat, bleibt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) vorerst weiter an Bord. „Wir respektieren natürlich die Entscheidung unserer Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein, allerdings werden wir vorerst nicht aus dem Projekt aussteigen.

Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens besser ist, auf dem Fahrersitz zu sitzen und den Kurs mitzubestimmen – damit wir möglichst unfallfrei durch diese Entwicklung kommen“, sagt Thomas Müller, Vorstand der KVWL und unter anderem für IT und Digitalisierung zuständig.

Welche Praxen im Raum Arnsberg/Sundern bereits am 1. September mit dem E-Rezept an den Start gehen oder gar an der „Rollout-Phase“ teilnehmen, konnte die KVWL vorab nicht bekannt geben.

Dr. Decker gegen „kopflosen Start“

Hans-Heiner Decker, Facharzt für Innere Medizin in Arnsberg und hiesiger Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung, arbeitet selbst auch noch nicht mit dem E-Rezept. Er sei zwar durchaus Verfechter der fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens, ein kopfloser Start des E-Rezepts bringe seiner Meinung nach aber niemanden etwas. Im Gegenteil: „Ein holpriger Start kann auch lähmen. Das hat nichts mit einer Verweigerung zu tun, es ist eher eine Mahnung, koordiniert und bedächtig bei der Einführung des E-Rezepts vorzugehen“, so Dr. Hans-Heiner Decker.

Gerade mit Blick auf die eben erst eingeführte elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die den Mitarbeitenden noch immer mal wieder technische Probleme bereite, die Überlastung des Personals durch die Coronapandemie sowie die anstehenden Impfungen im Herbst, möchte er die Anfänge des E-Rezept gerne den ausgewählten Praxen der „Rollout-Phase“ überlassen. „Wir haben jetzt weder etwas davon, wenn Praxis-Personal noch überlasteter und frustrierter wird, noch, wenn die Patientenversorgung unter den Umständen leidet“, sagt der Mediziner. Außerdem gibt er zu bedenken, dass die Hauptinanspruchnehmer von Rezepten älteren Semesters sind, und vermutlich nur wenige das E-Rezept über eine App abwickeln können.

„Grundsätzlich sollten wir das Projekt aber pragmatisch angehen. Der Blick ins europäische Ausland zeigt ja, dass das vermeintliche Problem dort längst gelöst ist“, so Dr. Hans-Heiner Decker.