Müschede. Männliche Entbindungshelfer sind rar in der typischen Frauendomäne. Bis jetzt: Vom Industriemeister zur Hebamme
Groß und kräftig. Langes Haar und Vollbart. Rustikaler Wohnstil. Hobby-Autoschrauber. Party-Camper im Vorgarten. Einst gelernter Industriemechaniker inklusive Weiterbildung zum Industriemeister Metall. Man könnte meinen, man habe es hier mit einem hartgesonnenen, waschechten Biker zu tun. Doch dieses Klischee erfüllt Markus Müller keineswegs. Er zeigt seinen weichen Kern, sein Einfühlungsvermögen und seine persönlichen Erfahrungen: als DER Hebamme.
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Markus Müller ist 38 Jahre alt und Vater von sieben Kindern. Als seine Frau „Susa“ ihre Hebammen-Ausbildung beginnt, steckt er beruflich zurück und nimmt Elternzeit in Anspruch. Plötzlich ist er fürs gesamte Familienleben zuständig - beginnend beim Wäschewaschen, hinweg über das Kochen bis hin zur Organisation des Familienkalenders. „Das war eine ganz schöne Umstellung - plötzlich musste ich kochen“, sagt er und lacht. Abends erzählt ihm seine Frau vom Ausbildungsalltag. „Langsam aber sicher fing ich an, mich für ihren Beruf zu interessieren“, so Markus Müller.
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Irgendwann fragt er bei einer Party in die Runde: „Könnt ihr euch vorstellen, dass ich Hebamme werde?“ Die spontane Antwort verwundert ihn: Ja! Immer mehr beschäftigt sich Markus Müller mit dem Beruf, recherchiert seine Ausbildungsmöglichkeiten und bewirbt sich letztendlich an drei renommierten Hebammen-Schulen. Er kehrt nicht zurück in seinen Beruf als Industriemechaniker, sondern beginnt im September 2019 mit seiner Ausbildung zum Entbindungshelfer. Erst nach dem Hebammenreformgesetz vom 1. Januar 2020 werden Hebammen und Entbindungshelfer akademisch im Rahmen eines dualen Studiums ausgebildet und einheitlich „Hebammen“ genannt. „Auf meinem Abschlusszeugnis steht leider noch Entbindungshelfer“, sagt Markus Müller, „aber ich bin einfach eine Hebamme!“
Männliche Hebammen sind eine Ausnahme
Wie viele männliche Hebammen deutschlandweit aktiv sind, lässt sich nur vermuten. Denn in den Statistiken tauchen sie nicht auf. Meldungen zur Folge sollen es zwischen 6 und 22 sein.
Markus Müller ist einer von ihnen. Er steht Frauen in Arnsberg und Umgebung, Hachen, Ense, Bestwig, Brilon und Umgebung zur Verfügung.
Erreichbar montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr und an Wochenenden nach Absprache.
Wer sich über Markus Müller erkundigen und sein Angebot durchforsten möchte, kann dies via:
www.der-hebamme.de oder www.hebammenpraxis-nona.de.
Telefonisch erreichbar unter:
0170/2776036.
Ihn störe es absolut nicht, in einer typischen Frauendomäne zu arbeiten. „Es gibt doch auch männliche Gynäkologen, warum dann nicht auch männliche Hebammen?“ Im August 2022 schließt er seine dreijährige Ausbildung ab und beginnt, zunächst nebenberuflich in der Hebammenpraxis seiner Frau zu arbeiten. „Ich fange erstmal klein an“, sagt er, „später dann möchte ich als selbstständige Hebamme in die Praxis meiner Frau und ihrer Partnerin einsteigen“.
Die Grundsteine sind gelegt. Denn in „der großen Villa“, der Hebammenpraxis Nona in Brilon richtet er sich gerade einen stilvollen Raum für seine Behandlungen ein. Erste Kundinnen bekam er über seine Frau, deren Kapazitäten zeitweise ausgeschöpft waren. „Mein Mann ist bald Hebamme“, sagt sie zu einer Interessentin, angeknüpft an die Frage, ob es für sie in Ordnung wäre. „Ja klar, gerne“. Markus Müller ist endlich in seinem Traumjob angekommen, auch wenn er vor der Ausbildung seiner Frau zur Hebamme niemals darüber nachdachte, Hebamme zu werden.
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Jetzt erfüllt ihn der Job. Mehr als jemals das Dasein als Industriemechaniker. Die Frauen sehen in ihm als Hebamme einen einfühlsamen, respektvollen und wohlwollenden Zeitbegleiter - während der Schwangerschaft, hinweg über die Geburt bis hin zur Nachsorge. Und das absolut ohne Scheu, Hintergedanken oder Abneigung. Er selbst musste sich anfangs natürlich überwinden, vaginale Untersuchungen an wildfremden Frauen durchzuführen. „Aber das gehört halt zur Ausbildung, ebenso wie eine Krankenschwester das Blutabnehmen lernt“, sagt Markus Müller. Er behalte immer eine gewisse Distanz zu den Frauen. „Wenn das Stillen beispielsweise nicht klappt, dann greife ich nicht ungefragt zur Brust, sondern erkläre erst einmal mit Händen und Füßen, wie sie es probieren kann. Wenn das dann nicht reicht, frage ich sie, ob ich sie anfassen und ihr so helfen darf“, sagt er. Die Frauen empfänden dies als positiv - eben nicht „einfach so angetatscht“ zu werden.
Beruf entschleunigt
Für Markus Müller ist der Beruf etwas Besonderes, denn er entschleunige auch das Leben. „Selbst meine Frau sagte mir, dass ich die Ruhe selbst sei, wenn ich aus dem Kreißsaal komme“. Für die Zukunft hat Markus Müller einiges geplant. Neben der Renovierung und dem Ausbau seines Behandlungsraums in der Hebammenpraxis Nona und der Begleitung schwangerer Frauen bzw. Frauen im Wochenbett, feilt er an neuen Ideen. Beispielsweise ist angedacht, statt eine Vorbereitungsstunde für schwangere Pärchen auch Männergruppen anzubieten. Gruppen, in denen die Männer und werdenden Väter all ihre Fragen, ohne Hemmungen, loswerden könnten. Denn vielleicht fällt ihnen dies leichter, „wenn sie mit einer männlichen Hebamme sprechen“, meint Markus Müller.