Hüsten. Sie hatte sich das Kinderkriegen etwas anders vorgestellt. Doch heute ist Felizitas Bueltjes von ihrem Beruf ganz begeistert.

1834 Kinder kamen im Jahr 2021 in Krankenhäusern des Klinikums Hochsauerland zur Welt – so viele wie noch nie zuvor. Klar, dass Felizitas Bueltjes, Leiterin des Kreißsaals im Karolinen-Hospital Hüsten des Klinikums, auf ein bewegtes Jahr zurück blickt. Im Interview spricht die 59-Jährige über die Herausforderungen, die sich in den vergangenen Monaten gestellt haben, die Attraktivität des Hebammenberufes und Berufsperspektiven im Hochsauerland.

Frau Bueltjes, blicken wir in die Vergangenheit: War Hebamme immer schon ihr Traumberuf?

Felizitas Bueltjes: Nein, das war er nicht. Ich habe mein Abitur in Arnsberg gemacht und war dann der festen Überzeugung, ich müsse Lehrerin werden. Daraufhin habe ich auch angefangen, in Dortmund zu studieren. In den Semesterferien wurde dann ein Praktikum im Kreißsaal in Arnsberg angeboten – und das habe ich dann auch gemacht. Als ich meine erste Geburt gesehen habe, war ich aber ehrlich gesagt ein bisschen geschockt (lacht).

Was war denn so schockierend?

Also, ich hatte mir das Kinderkriegen damals ehrlich gesagt ein bisschen anders vorgestellt. Ein bisschen entspannter auf jeden Fall. Aber dass es dann so aussieht, da bin doch ein wenig nachdenklich geworden. Im Laufe der vier Wochen Praktikum hat mir das dann aber so viel Spaß gemacht, dass ich festgestellt habe, dass dieser Beruf wirklich etwas für mich wäre. Dazu kam, dass zu dieser Zeit viele Lehrer auf dem Arbeitsmarkt waren und die Berufsaussichten entsprechend bescheiden.

Was passierte dann?

Daraufhin habe ich mich dann initiativ einfach mal an einer Hebammenschule in Paderborn beworben – und habe direkt eine Zusage bekommen. Nachdem ich das Grundstudium zum Lehramt schon abgeschlossen hatte, habe ich dann auch sofort an der Hebammenschule angefangen und dort mein Examen gemacht. Danach war für mich klar, dass ich im Kreißsaal arbeiten möchte.

Trotzdem scheinen die Anfänge schwer gewesen zu sein. Wie kamen Sie vom „Schreckmoment“ der ersten Geburt zu der Erkenntnis, dass der Hebammenberuf der Job ist, den Sie unbedingt machen wollen?

Viele Hebammen fielen Hexenverfolgung zum Opfer

Die Tätigkeit einer Hebamme wird als einer der ältesten Frauenberufe angesehen.Tempelmalereien von der Drillingsgeburt der Pharaonenkinder des ägyptischen Sonnengottes Re aus dem 3.  Jahrtausend vor Christus sind eines der ältesten Zeugnisse der Hebammenkunst.Im ausgehenden Mittelalter entstanden Berufsordnungen für Hebammen. Ab dem 14. Jahrhundert sind schließlich Hebammeneide belegt, die der Verpflichtung gewerblicher Hebammen dienten.Aber auch das darf nicht vergessen werden: Nicht wenige Hebammen fielen der unsäglichen Hexenverfolgungen zum Opfer.

Dieser Prozess hat auf jeden Fall auch viel mit Erfahrungen zu tun. Ich wurde damals mit dieser Geburts-Situation konfrontiert, sah etwas komplett Neues und wurde überrollt von diesen Ereignissen, aber wenn man die Erfahrung sammelt, merkt man, dass es doch eine beherrschbare Situation sein kann. Je mehr Jahre man im Beruf ist, desto weitsichtiger wird man mit der Zeit. Zudem hatte ich immer großes Glück, dass ich erfahrene Kolleginnen an meiner Seite hatte, die mich gestützt haben und mir auch in schweren Situationen weiterhelfen konnten. Das war in der ersten Zeit im Beruf sehr wichtig für mich.

Was nehmen Sie aus dieser Erfahrung heraus mit in die Ausbildung neuer Hebammen?

Ganz viel! Wir versuchen, unsere Berufsanfängerinnen nach besten Kräften zu unterstützen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das ist vor allem beim Berufseinstieg ganz wichtig.

Was macht den Hebammenberuf für Sie weiterhin erstrebenswert?

Da muss ich kurz überlegen, weil eigentlich ist es für Hebammen im Moment generell eine schwierige Situation. Denn es besteht aktuell ein bundesweiter Hebammenmangel. Das ist dadurch begründet, dass manche Kolleginnen den Beruf verlassen, aufgrund der schlechten Verdienstverhältnisse, die im Gegensatz zu dem stehen, was sie leisten und verantworten müssen.

Wie ist die Situation hier im Kreißsaal in Hüsten?

Hier haben wir wirklich noch eine gute Personalsituation. Das liegt aber auch daran, dass wir als Team sehr gut funktionieren und uns gegenseitig helfen. Wir sind ein Team von 21 Hebammen, die sich vor allem auch in den vergangenen Monaten der Pandemie super unterstützt haben – auch wenn mal jemand krankheitsbedingt ausge­fallen ist.

Ärgert es Sie, dass sich von politischer Seite nichts zur Verbesserung der Arbeitssituation und den Verdienstverhältnissen tut?

Es ist schon so, dass die Pflege und die Hebammen mehr erwarten. Ich finde, dass da politisch auf jeden Fall etwas mehr passieren muss. Vor allem – und das ist meine persönliche Haltung – halte ich es für schwierig, ein Krankenhaus als ein Geschäftsunternehmen zu sehen. Auch das, finde ich, sollte politisch noch mal überdacht werden.

Kommen wir auf das geburtenreiche vergangene Jahr zu sprechen – wie haben sich die vielen Geburten im Klinikum Hochsauerland in Ihrem Kreißsaal ausgewirkt?

Die Zahl an sich war wirklich noch mal ein Quantensprung im Vergleich zum Vorjahr mit rund 1700 Geburten. Klar, das ist auch mit mehr Arbeit verbunden, und es gab auch mal personell herausfordernde Situationen im Kreißsaal. Aber: Da haben unsere Mitarbeiterinnen als Team super funktioniert. Das muss ich an dieser Stelle nochmals besonders herausstellen, wie die Mitarbeiterinnen auch in herausfordernden Situationen an einem Strang gezogen haben.

Und auch die Geschäftsführung hatte immer ein offenes Ohr – und wir haben dann gemeinsam nach Lösungen gesucht und dann auch noch mal neue Kolleginnen eingestellt. Im Grunde hat das aufgrund des guten Teamworks alles gut geklappt.

Warum sollten junge Frauen und Männer den Hebammenberuf ergreifen?

Es ist einfach etwas total Schönes, in einem solch besonderen Moment wie der Geburt den Eltern Beistand zu leisten.

Es ist ein sehr anspruchsvoller Job mit viel Verantwortung, aber die Dankbarkeit, die man von den Eltern und Familien erfährt, ist einfach unglaublich schön.