Holzen. Inka Bertram aus Holzen lebt bei einer Gastfamilie in Baltimore. Sie erzählt, wie ihr der Start in den USA gelungen ist und was sie erwartet.

Was haben Schlangen, Schrottkarren, Betten und überteuertes Shampoo gemeinsam? Inka Bertram. Sechs Wochen ist es her, dass wir mit Inka über ihren einjährigen Auslandsaufenthalt als Junior-Botschafterin im parlamentarischen Patenschafts-Programm für junge Berufstätige sprachen (wir berichteten). Mittlerweile hat sie sich eingelebt – und Zeit für ein kleines Resümee gefunden.

22.53 Uhr zeigt die Uhr, als Inka Bertram den Video-Call mit dieser Zeitung beendet – bei ihr ist es gerade einmal 16.53 Uhr. Sie ist nun auf dem Sprung, muss sich noch frisch machen. Denn heute Abend geht´s mit der Gastfamilie auf ein Konzert – während Arnsberg sich auf einen wohligen Tiefschlaf vorbereitet. „Naja, Open-Air-Veranstaltung trifft es wohl besser – eine Band bzw. ein Sänger singt auf einer großen Wiese neben dem Supermarkt“, erzählt Inka. Gäste sitzen schlichtweg auf Campingstühlen, essen gemeinsam, trinken etwas und genießen die Musik. Heute findet dies zum letzten Mal statt. Deshalb möchte Inka es auf keinen Fall verpassen.

Von Holzen nach Baltimore: Ankommen im Land der Träume

Die ersten drei Tage verbringt Inka in Washington DC. Ein Einführungsseminar steht auf dem Plan. Eine „coole Zeit“, wie Inka sie beschreibt. Danach geht´s weiter nach Baltimore – nicht direkt in die über 600.000 Einwohnerstadt, sondern noch leicht davon entfernt. Aufs Land. Das nächste Haus ist fußläufig etwa 20 Minuten weit weg. Dort angekommen, lernt sie ihre Gastfamilie endlich persönlich kennen. „Meine Gastfamilie ist ein Traum“, sagt Inka, „Char und Keith helfen mir, wo immer sie können“. Ob es um den Führerscheineintausch geht, um Alltägliches oder auch um den Autokauf – ihre Gasteltern unterstützen sie rundum.

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Nur gegen die anfängliche Langeweile können sie nichts unternehmen. „Die ersten Wochen ist nichts passiert, außer das Formelle“, so Inka, „ das College startete erst später und bis dahin hatte ich schon viel Langeweile“. Sie habe dann mit ihrer Mutter telefoniert, die einen unschlagbaren Tipp für sie gehabt habe: „Such dir eine Beschäftigung!“ Und das macht Inka.

Arnsberg vs. Baltimore: Alles etwas gemächlicher

Das Wäschewaschen und Aufräumen des eigenen Zimmers und Bades gehören zu Inkas täglichen Aufgaben. Um Langeweile zu vermeiden, bietet sie daher ihre Hilfe auch im Haushalt der Gasteltern an. Sie mäht den Rasen. Hilft in der Küche. Sogar mit dem Familienhund freundet sie sich an, obwohl sie es sonst „nicht so mit Tieren hat“. Inka lebt sich ein und ist mittendrin. „Naja, beim Kochen nicht ganz so“, gibt Inka zu. „Die Familie legt sehr viel Wert auf gesundes Essen, was so gar nicht zum fettigen und kalorienhaltigen Essen in Restaurants und Fastfood-Buden passt“.

Das zweitätige interkulturelle Training vor der Reise hilft Inka nicht direkt weiter. „Meine Gastfamilie scheint die Klischees nicht zu erfüllen“, sagt sie und lächelt. „Sie sind religiös, rennen aber nicht jeden Sonntag in die Kirche. Sie sind Amerikaner, aber nicht nach Fastfood süchtig“. Was Inka jedoch auffällt ist, dass in Baltimore, Maryland, alles etwas gemächlicher abläuft. Ob an der Kasse, in der Bankfiliale oder sonst wo – das Arbeiten sei anders als in Deutschland. Gemächlicher. „Aber beim Autofahren wird gedrängelt“, sagt Inka und lacht. Ins Fettnäpfchen habe sie bisher noch nicht getreten.

„Er spielte mit der Schlange“

Es gebe viele Dinge, an die sie sich gewöhnen müsse. So zum Beispiel auch an die freilaufenden Tiere. Oft käme es vor, dass Rehe im Garten ihrer Gastfamilie stünden. Gar nicht so schlimm. „Doch beim Sonntagsspaziergang stand ich plötzlich vor einer Schlange“, sagt Inka. Keine riesige Schlange, aber schon so groß wie eine aus dem Zoo. „Ich bin weggerannt!“ Keith, ihr Gastvater, sei jedoch einfach hingegangen und habe mit der Schlange gespielt.

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Außerdem sei alles extrem teuer. Aktuell sei der Dollar genauso viel wert wie der Euro. Sie habe für Shampoo 16 Dollar bezahlt. „Klar sind die Packungen hier etwas größer, aber trotzdem war ich geschockt“, sagt sie. Der Autokauf habe sich ebenfalls als sehr schwierig herausgestellt. „Ich wollte einen Mini – nun fahre ich eine Mazda3-Schrottkarre“. Es gebe nur kaputte Autos für einigermaßen wenig Geld. „Selbst der Wagen war teuer!“ Besser als nichts, denn sie braucht ein Auto, um zum College zu kommen.

„Sprache ist noch hart“

Die ersten Tage ist Inka völlig überfordert. „Sprache ist noch hart. Ich habe gar nichts verstanden“, sagt Inka. Der eine nuschele, die andere spreche sehr schnell. Nur Keith, ihr Gastvater, merkt schnell, dass sie ihn nicht versteht. Er passt seine Sprachgeschwindigkeit und Ausdrucksweise an. „Ihn verstehe ich klar, auch die Lehrer verstehe ich gut“. Freunde habe sie noch nicht gefunden. Einerseits, so denkt Inka, wegen der Sprache und andererseits sei es aufgrund der kurzweiligen Kurse recht schwierig, neue Leute kennenzulernen. Neben ihr besuchen aber noch weitere Juniorbotschafterinnen und -botschafter aus Deutschland dasselbe College. Außerdem steht ihr das zuständige Büro des Austauschprogramms jederzeit bei Fragen zur Seite. Sie ist also nicht allein.

Das College bietet ihr zwei Englischkurse (Förderung in Lesen, Förderung in Schreiben), in denen sie ihre sprachlichen Fähigkeiten vertiefen kann. Neben diesen Kursen hat sie noch Sport, was eher einem Besuch im Fitnessstudio gleiche und einen Gesundheitskurs. Von montags bis donnerstags laufen ihre Kurse. Freitags hat sie frei. Umstellen muss sich Inka, was die Arbeitsweise auf dem College betrifft. „Das gesamte College läuft hier online ab“, sagt sie, „natürlich sind die Kurse in Präsenz, aber alles andere ist digitalisiert“. Sollte sie einmal krankheitsbedingt einen Kurs verpassen, kann sie sich diesen online anschauen.

Ehrenamt ist Teil des Aufenthalts in Baltimore

Das Patenschafts-Programm PPP sieht auch ein ehrenamtliches Engagement vor. Inka beteiligt sich daher am Projekt „Betten für die Kinder“ der Non-Profit-Organisation „Sleep in heavenly peace“ in Kooperation mit „Lowel´s“ in Baltimore. So ungeheuerlich sich dieses Ehrenamt anhört, so wahrhaftig ist es. Denn in den USA schlafen viele Kinder auf dem Boden. Haben kein Bett. Inka ist Teil dieser ehrenamtlichen Aktion. Gemeinsam mit vielen anderen Menschen baut sie Betten für die Kinder in Baltimore. Insgesamt 40 ehrenamtliche Stunden werden von ihr im Rahmen des Programms erwartet.

Ein weiterer Part besteht darin, Kontakt zu einem abgeordneten Politiker aufzunehmen. „Das gestaltet sich gerade etwas schwierig“, sagt Inka, „bisher habe ich noch keine Antwort erhalten“. Doch Inka gibt nicht auf. Der tägliche Kontakt zu ihrem Freund in Deutschland hilft ihr dabei. Auch der Kontakt zur Mutter. Nur mit ihren Großeltern konnte sie noch nicht sprechen – diese müssen erst ihr Smartphone aktivieren. „Am Anfang war schon ein wenig Heimweh da. Ich habe mich allein gefühlt, weil ich nichts verstanden habe. Ich habe dann mit meiner Mama telefoniert“, erzählt Inka.

Auch ihr „Abschiedsbuch“ hilft. Das Buch, in dem alle liebsten Verwandten, Freunde und Bekannte einen persönlichen Gruß hinterlassen haben.„Meine Gasteltern haben mit reingeschaut – sie waren begeistert von all den kreativen Einträgen und Fotos“, sagt Inka. Wir sind gespannt, was Inka die nächsten Wochen erleben wird.