Holzen. Optikerin aus Holzen nimmt am parlamentarischen Patenschafts-Programm für junge Berufstätige (PPP) teil. Sie wird ein Jahr in den USA leben.

Völlig entspannt sitzt sie vor ihrer Eisschokolade. Fast schon so, als ginge es sie gar nichts an. Doch Inka Bertram, 21 Jahre jung, fliegt am Dienstag in die USA - nach Baltimore (Maryland), um genau zu sein. Dort wird sie ein Jahr lang bei einer Gastfamilie wohnen und die amerikanische Kultur kennenlernen. Jedoch hat sie auch eine Aufgabe: Sie wird Deutschland als Junior-Botschafterin in den USA präsentieren.

Abschiedsbuch gut gefüllt

„Ich glaube, dass ich bestens vorbereitet bin“, sagt Inka Bertram. Sie meint damit nicht nur die vorangegangenen Formalitäten, sondern auch privaten Empfindungen. „Ich habe mein Abschiedsbuch“, so Inka. „Wenn es mir mal nicht gut geht oder ich Heimweh bekomme, lese ich es“.

Das Abschiedsbuch ist eine von ihr selbst ins Leben gerufene Idee. Alle ihre Freunde, Verwandten und Bekannten lassen ihr einen persönlichen Gruß da. Eine verrückte Anekdote, die sie mit ihr verknüpfen. Oder aber auch einfach nur eine persönliche Motivation für schlechte Tage. Erst in den USA wird sie das Buch öffnen und lesen. Gut gefüllt wird es ihr ein guter Kummerbrecher sein.

Politische Wertvorstellungen festigen

Das parlamentarische Patenschaftsprogramm für junge Berufstätige (PPP) ist ein zweiseitiges Austauschprogramm des Deutschen Bundestages und des US-Kongresses. Jährlich werden neben High School-Stipendien für Schülerinnen und Schüler auch 75 Stipendien für junge Berufstätige aus Deutschland und den USA für ein Austauschjahr im jeweils anderen Land vergeben.

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Ziel der Stipendien ist es, ein Netzwerk persönlicher Verbindungen zwischen Menschen in den USA und in Deutschland aufzubauen, um gemeinsame politische Wertvorstellungen zu festigen und unterschiedliche Lebensweisen im anderen Land kennenzulernen.

„Ich gucke, was auf mich zukommt“, sagt Inka aus Holzen relaxt und zieht am Strohhalm ihrer Eisschokolade. Ihre Gasteltern, bei denen sie ein Jahr lang leben wird, hätten ihr bereits Pläne bis zu Weihnachten geschickt. „Ich erwarte nichts Spezielles“.

Zick-Zack-Leben führt sich fort

Inka Bertram bleibt ihrer Lebenslinie treu. Denn auch ihr bisheriger Werdegang ist keinesfalls strukturiert und gradlinig. Damals kämpft sie mit der Realschule um die mittlere Reife inklusive der Qualifikation zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Leider gewinnt sie diesen Kampf zu spät und verliert ihren Platz am Gymnasium.

Kurzerhand fällt die Entscheidung zu einer Ausbildung in der Augenoptik. Und nach drei Jahren schließt sie diese erfolgreich ab. Der Grundstein für das USA-Stipendium ist gelegt, denn das Programm richtet sich explizit an junge Menschen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren, die zum Zeitpunkt der Ausreise eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen.

Am Berufskolleg Arnsberg holt sie ihr Abitur nach und arbeitet nebenher als Aushilfe im Edeka-Markt. Nach dem Austauschjahr möchte sie gerne auf Lehramt für die Berufsschule im Bereich Augenoptik studieren. Doch wer weiß schon, was sich im kommenden Jahr ergeben wird. „Ich lasse mich einfach darauf ein“, sagt sie.

Inka Bertram liebt das Abenteuer. Ob Skidiving oder Boulder. Wenn es spannend wird ist Inka dabei - hier in der Boulderwelt Dortmund. 
Inka Bertram liebt das Abenteuer. Ob Skidiving oder Boulder. Wenn es spannend wird ist Inka dabei - hier in der Boulderwelt Dortmund.  © Foto: privat

College und Job in den USA

In der Rolle als Junior-Botschafterin wird sie Deutschland im Ausland vertreten, die andere Kultur und Lebensweisen kennenlernen, das Verständnis füreinander sowie den interkulturellen Austausch vertreten. Verpackt in einem strukturierten Ablauf.

Die ersten vier Monate verbringt sie nach einem dreitägigen Starterseminar in Washington DC am Community College of Baltimore Country. Den zweiten Teil des Austauschs dann im praktischen Berufsleben. „Ich würde gerne als Optikerin arbeiten, kenne aber natürlich den Arbeitsmarkt dort noch nicht“, sagt Inka. Nebenher wird auch noch ein gewisses ehrenamtliches Engagement eingefordert.

Glückskissen landet im Handgepäck

Während Inka Bertram selbst keine Angst vor dem Austauschjahr hat, geht es ihrer Familie näher. Ihre Mutter freut sich natürlich für sie und ist sehr stolz, wird sie aber natürlich vermissen. Da ihre Mutter erst kürzlich ihren Segelschein gemacht hat, haben Inka und sie in den letzten Wochen viel Zeit auf dem Boot verbracht.

Die Großeltern, die über Jahre hinweg auch aufgrund der Alleinerziehung durch die Mutter einen gewissen Lebensmittelpunkt für Inka Bertram darstellen, sehen die Lage etwas Skeptischer. „Mein Opa geht da eigentlich relativ relaxt mit um - meine Oma jedoch macht sich Sorgen“, erzählt sie. Die über 80-jährige Oma hat Angst, Inka nicht mehr wiederzusehen. Inka Bertram schweigt, während sie mit den Augen spricht und den letzten Schluck ihrer Eisschokolade genießt.

Kein Wunder also, dass es auch herzliche Glücksbringer mit auf Reisen gibt. „Das Glückskissen werde ich wohl ins Handgepäck nehmen“, sagt Inka. Denn sie darf nur einen Koffer (23 kg) und ein Handgepäck (8 kg) mitnehmen.

Bewerbungen für 2023/24 möglich

Inka Bertram ist motiviert, sich sprachlich wie auch kulturell weiterzuentwickeln und ihr wohl bisher größtes Abenteuer einzugehen. „Mein Englisch ist echt schlecht“, scherzt sie. Ihr Englisch sei grottenschlecht - aber schon bald wird sich das ändern.

Wer, wie Inka, Interesse am PPP hat, ein gewisses Interesse an Politik, Gesellschaft, Kultur und das Leben in den USA hat, kann sich noch bis zum 9. September 2022 auf der Webseite https://usa-ppp.de/ informieren und bewerben.