Hüsten. Kirmesguru Günter Menke trägt all die Geschichten der Hüstener Kirmes in sich. Mir verrät er sie und lässt mich an seinen Erinnerungen teilhaben.

Verschleierte Sicht. Graues Nass. Doch der Geruch frischer Zuckerwatte und gebrannter Mandeln bahnt sich seinen Weg durch die dicken Regentropfen. Reflektierende Lichter in strahlenden Farben. Laute Musik – von links und rechts. Schon auf der Ruhrbrücke ist der Kirmestrubel spürbar. Die Hüstener Kirmes ist das jährliche Highlight für alle Hüstener – und vielen Menschen von nah und fern. Das zweite September-Wochenende gehört allein ihr. Und nach zwei Jahren Pause ist dieses Gefühl der Unbeschwertheit, des reinen Spaßes und gemeinsamen Feierns wieder da. Endlich wieder Kirmes. Trotz des Wetters.

Jemand, den das besonders berührt, ist Günter Menke. Er hat seine Reha in Bad Driburg pünktlich zur Hüstener Kirmes beendet, um dabei sein zu können. Erst im August bekam er eine neue Hüfte. Auch die Menschen in und um Hüsten scheinen die Kirmes sehr vermisst zu haben. Denn trotz des Regens füllt sich nach und nach der Platz. Die Schausteller fahren ihre Geschäfte ein. Langsam beginnt der Samstagstrubel.

Hüstener Kirmes: 67 Jahre mittendrin

Günter Menke ist jemand, der all die Geschichten rund um die Hüstener Kirmes in sich trägt. Die monatelangen Planungen, die Herrichtung des Kirmesplatzes und auch das Gefühl des abfallenden Stresspegels, wenn sich die Fahrgeschäfte endlich drehen. Die drei Wochen vor der Hüstener Kirmes seien am anstrengendsten. Erinnerungen, die er nicht missen möchte – und die er nun bei einem Treffen auf der Kirmes mit dieser Zeitung teilt.

Die Hüstener Kirmes im Jahre 1957. Günter Menke ist seit 2 Jahren dabei.
Die Hüstener Kirmes im Jahre 1957. Günter Menke ist seit 2 Jahren dabei. © Kirmesgesellschaft

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Irgendwie ein erstaunlicher Anblick, als er auf seinem Elektromobil um die Ecke rauscht. „Ich bin 88 Jahre alt und nicht mehr so gut zu Fuß“, erklärt er später. Sein Elektromobil parkt er unter einem großen Schirm, hofft, dass sein Sitz nicht wieder nass wird. „Ach, ist das ein blödes Wetter“, sagt er und stützt sich auf seinem Gehstock ab. Mit der anderen Hand wischt er sich die Tropfen von der Jacke. Er trägt eine schwarze Jacke mit großem Kirmes-Emblem auf dem Rücken. Vorne, traditionell, blitzt der Kirmes-Pin. Das Wetter sei für die Schausteller eine Katastrophe.

Hüsten: Camper aus dem Schlamm gezogen

Zusammen mit Heiner Vogel, 2. Vorsitzender der Hüstener Kirmes-Gesellschaft, erinnert Günter Menke sich an ein sehr verregnetes Kirmesjahr. „Damals standen die Wohnwagen der Schausteller noch auf der Wiese“, so Menke, „in einem Jahr hat es so viel geregnet, dass wir die Wagen dienstags aus dem Matsch ziehen mussten“. Heute nutzen die Schausteller den neuen Parkplatz am Hochschulzentrum im Bildungscampus „Petrischule“. „Da ist das Campen für die Schausteller angenehmer und sauberer“, ergänzt Heiner Vogel.

Unterwegs mit Günter Menke (li.) und Heiner Vogel, 2. Vorsitzender der Hüstener Kirmes Gesellschaft.
Unterwegs mit Günter Menke (li.) und Heiner Vogel, 2. Vorsitzender der Hüstener Kirmes Gesellschaft. © Thora Meißner

Im nächsten Moment wirkt Günter Menke jedoch wieder optimistischer: „Es ist noch früh!“ Freitagabend sei er bis 23.30 Uhr auf der Kirmes gewesen – zum Glück mit seinen Töchtern. Sie hätten ihm hinterher seinen Sitz getrocknet. Auch sie sind Jahr für Jahr auf der Kirmes. „Sie sind alle immer hier, wenn Kirmes ist“, so Menke, „und das, obwohl sie einen weiten Weg hierherkommen“.

„Heinrich schaute auf jeden Zentimeter“

Trüge er kein weißes Haar, einen Gehstock und führe kein Elektromobil, sähe man ihm sein betagtes Alter nicht an. Was ihm jedoch anzusehen ist, ist seine Freude. Er ist eben ein echter Kirmes-Guru. Seit 67 Jahren ist Günter Menke dabei – mischt Jahr für Jahr vor und auf der Hüstener Kirmes mit. In den letzten Jahren nicht mehr – das Alter. Dabei ist er trotzdem. Heute erinnert er sich an seine Anfänge:

UDie Hüstener Kirmes im Jahre 1920.
UDie Hüstener Kirmes im Jahre 1920. © Kirmesgesellschaft

„Heinrich schaute auf jeden Zentimeter“, sagt Günter Menke, „da musste alles ganz genau sein“. Als junger Spund habe er geholfen, die einzelnen Schaustellerplätze auszumessen. „Ich hatte damals zwei beste Freunde – einer von ihnen war Heinz Beckschäfer. Sein Vater, Heinrich, war Vorsitzender der Hüstener Kirmes-Gesellschaft“. Heinrich Beckschäfer gründete 1936 den Verein zum Erhalt des traditionellen Volksfestes und der Landestierschau, denn diese drohte, während der Nazi-Herrschaft zu verpuffen.

Rasant und lecker: die Hüstener Kirmes

Der Sohn, Heinz, ist Günter Menkes bester Freund. „Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten“, so Menke. Er ist der Freund, der ihn in den Bann des Kirmestrubels zieht. Heinz Beckschäfer ist der Vater von Ingo Beckschäfer, dem heutigen 1. Vorsitzenden der Hüstener Kirmes-Gesellschaft. Heinrich damit der Großvater.

„Wir sind früher alles gefahren, was schnell ging“, schwärmt Günter Menke. „Round up, Music-Express – alles. Zum Lieblingsessen gehörte die Bratwurst, später Currywurst“, Zuckerwatte jedoch habe er noch nie gegessen. Damals sei die Kirmes noch auf der anderen Seite der Arnsberger Straße gewesen. Als 1985 die Nordtangente gebaut wird, zieht die Kirmes von der Riggenweide auf die gegenüberliegende Seite der Arnsberger Straße. Den heutigen Standpunkt.

Die Hüstener Kirmes im Jahre 1997.
Die Hüstener Kirmes im Jahre 1997. © Kirmesgesellschaft

Zwischen all dem Kirmestrubel, all den Schaustellern und all den begeisterten Menschen ist heute am Rande der Ruhrbrücke der Bürocontainer der Hüstener Kirmes-Gesellschaft zu finden. Die Anlaufstelle für die Schausteller während des Kirmesaufbaus – sozusagen. „Früher haben wir in einem engen VW-Bus gesessen. Das war sehr unbequem“, sagt Günter Menke.

Tierschau in Hüsten im Aufbau

Heiner Vogel klinkt sich ein: „Die Armen müssen bei diesem Wetter die Tierschau aufbauen“. Er schreibt gerade mit den Menschen, die sich über das gesamte Wochenende hinweg seit Donnerstag um den Aufbau des Kirmes-Highlights am Montag kümmern: die Tierschau. „Im Grunde haben die Jungs vom gesamten Kirmeswochenende nichts, denn am Montag geht´s wieder direkt an den Abbau.

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Am Dienstag genießen sie die Kirmes“. Merklich, welch familiärer Aufwand Jahr für Jahr hinter der Hüstener Kirmes steht. Für all diejenigen, die involviert sind. Und auch für die Schausteller, die dieses Leben „auf dem Rummel“ seit Generationen leben.

Baby in Stapelbehälter

Beim Bummel zu den „Fressbuden“ ist der ein oder andere rote Stapelbehälter, ausgepolstert mit einer weichen und kuscheligen Decke zu sehen. Das Baby darin scheint es nicht zu stören. Es hat seine Rassel. „Ja, das gibt es öfter“, bestätigt Günter Menke. „Die Babys und Kleinkinder können ja auch nicht allein im Wohnwagen bleiben. Früher hatten die Schausteller oft mehr Personal – heute, nach Corona, sind viele Mitarbeiter weg“.

Samstagabend auf der Hüstener Kirmes. Trotz ungemütlichem Wetter sind der Platz und die Karussells rappelvoll.
Samstagabend auf der Hüstener Kirmes. Trotz ungemütlichem Wetter sind der Platz und die Karussells rappelvoll. © Thora Meißner

Es gibt so viele Erinnerungen, die Günter Menke teilen kann und möchte – doch irgendwann ist auch jedes noch so schöne Gespräch und Schwelgen in der Vergangenheit zeitlich begrenzt. Außerdem lichtet sich der Himmel gerade und der Platz füllt sich mit Menschen. Für mich als eine, die selbst in Hüsten aufgewachsen ist und lebt, ist dieses Treffen ein Ausflug „in eine andere Zeit“. Interessant. Amüsant. Und auf jeden Fall eine Wiederholung wert. Für alle Fans, die nachlesen möchten, gibt es „Das Kirmesbuch“ (An Möhne, Röhr und Ruhr, Heimatbund Neheim-Hüsten e.V. – Sonderdruck 2020) und natürlich kirmes-info.de im Web.