Arnsberg. Ab 1961 sind die ersten Gastarbeiter gekommen. Darunter die Marokkaner Mohamed Marrouh und Musa Al Musaui

1961 kommen die ersten sogenannten „Gastarbeiter“ nach Arnsberg. Ein Begriff, der das seinerzeit Gewünschte bereits aussagt, nämlich: zu Gast arbeiten.

Ein großer Bestandteil in den Anwerbeabkommen mit den verschiedensten Ländern beinhaltet daher eine zeitliche Begrenzung des jeweiligen Arbeitszeitraums. Was damals nicht bedacht wird, ist die Dynamik einer solchen Arbeitsmigration. Die Tatsache, dass es sich um Menschen handelt, deren Leben sich durch diese Anwerbeabkommen grundlegend verändern.

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1965 zählt Arnsberg rund 330 Italiener, 135 Griechen, 197 Spanier, 40 Portugiesen und acht Türken zu ihren „Gastarbeitern“. Trotz des Anwerbestopps 1973 blieben viele dieser ausländischen Arbeitnehmer - und weitere kamen hinzu.

Eine Türkin in Arnsberg: „Mein Leben ist hier!“>>>

Darunter auch Familiennachzügler. So zählt Arnsberg im Jahr 1979 rund 627 Türken, 947 Italiener, 1133 Portugiesen, 411 Jugoslawen (ehemaliges Jugoslawien) und 238 Griechen zu ihren Mitbürgern. Heute nennen Menschen aus knapp 110 Nationen Arnsberg ihr Zuhause.

Besonderheiten bei Abkommen

Im Gegensatz zu den Anwerbeabkommen mit den westlichen Ländern weisen die Abkommen mit Tunesien, der Türkei und Marokko einige Besonderheiten auf. Beispielsweise ist es vorgesehen, nur unverheiratete Menschen anzuwerben. Zudem ist ein Familiennachzug beziehungsweise die spätere Familienzusammenführung explizit ausgeschlossen. Die Dauer ist auf zwei Jahre beschränkt. Ursprünglich.

So zieht es auch marokkanische Interessierte nach Arnsberg – und das bereits vor dem Anwerbeabkommen zwischen der BRD und dem Königreich Marokko im Jahr 1963. Auch sie kommen, um zu arbeiten und bleiben teilweise, um zu leben. Die ersten unter ihnen gründen später (2002) den Verein „Marokkanischer Kulturverein Arnsberg e.V.“. Mit dabei Musa Al Musaui und Mohamed Marrouh. Letzterer ist der erste Marokkaner, der in Arnsberg einen Job antritt und sich hier ein Leben aufbaut.

Leben auf den Kopf gestellt

21 Jahre jung ist Musa Al Musaui, als er über das Anwerbeabkommen nach Deutschland kommt und in Arnsberg seine Stelle bei Cosack antritt. Eine Entscheidung, die sein Leben völlig auf den Kopf stellen sollte. Denn aus den anfänglich geplanten zwei Jahren werden 32 Jahre in der Produktion. Ohne Sprachkenntnisse.

<Musa Al Musaui
© Unbekannt | Unbekannt

Die deutschen Vorarbeiter machen es vor – die marokkanischen Arbeiter machen es nach. Auch, als 1973 der Anwerbestopp greift, bleibt Musa Al Musaui. „Die Firma behielt mich, also blieb ich“, juxt er. „Die Menschen waren alle sehr nett zu uns“, sagt er. Den Begriff „Integration“ verwendet er dennoch nicht. Darauf angesprochen, lächelt er: „Wir waren zum Arbeiten da“. Gewünscht hätte er sich, so sagt er heute, mehr kommunale Unterstützung innerhalb der Integration, bestenfalls Deutschkurse.

Doch dafür ist neben dem Acht-Stunden-Arbeitstag keine Zeit. Noch heute spricht er kaum ein Wort Deutsch – Rochdi Koubaa vom Verein „Marokkanischer Kulturverein Arnsberg e.V.“ übersetzt. Ein ausschlaggebender Grund dafür, dass er 2002 an der Gründung des marokkanischen Kulturvereins in Arnsberg beteiligt ist. Der Verein bietet Nachhilfe für Schüler und Schülerinnen, Sprachkurse auf Deutsch und Arabisch sowie Muttersprachunterricht und eben auch die Unterstützung bei den Behörden. Also das, was ihm in seinen jungen Jahren in Arnsberg fehlt.

Es gibt viele Menschen in Arnsberg, die Unterstützung anbieten – jedoch sind auch ihnen die Hände gebunden. Trotzdem: Musa Al Musaui fühlt sich wohl in Arnsberg. Und auch, wenn er heute wieder in seiner marokkanischen Heimat lebt, so besucht er das kleine sauerländische Städtchen regelmäßig und verbringt Zeit mit „alten Freunden“. Heute ist er dankbar dafür, dass er in Arnsberg arbeiten und seine Familie finanziell unterstützen konnte. Und weiterhin steht er für den interkulturellen und interreligiösen Austausch – unterstützt daher auch den Bau der Moschee in Hüsten als Zeichen der Willkommenskultur.

Zurück nach Arnsberg

Mohamed Marrouh, 83 Jahre alt, ist der erste marokkanische „Gastarbeiter“ in Arnsberg. Arbeitet bei Cosack bereits 1962, sprich vor dem Anwerbeabkommen 1963. Bis zur Pleite bleibt er dem Unternehmen treu. Arbeitet um 1968 herum nur zwei Jahre lang in Berlin, bis „man mich zurück nach Arnsberg holte“, so erzählt er stolz.

Biografien der Einwanderung

Auch Arnsberg und Sundern sind Einwanderungsstädte. Seit Jahrzehnten leben hier Menschen, die aus verschiedensten Gründen aus anderen Ländern hierher gekommen sind.In einer losen Serie wollen wir verschiedene Biografien vorstellen – von Gastarbeitern, Geflüchteten oder Migranten, die hier aus diversen Motiven eine neue Heimat gefunden haben.Den Auftakt macht Hasibe Hansoy. Sie stammt aus der Türkei.

Auch er bleibt nach dem Anwerbestopp 1973 in Arnsberg. Arbeitet und lebt. Gründet eine Familie und erhält nach Jahren seines Aufenthalts auch die deutsche Staatsbürgerschaft. „Wir sind Deutsche, die im Herzen Marokkaner sind“, sagt Hanan, seine jüngste Tochter. Identitätsprobleme gibt es nie. Zwar mache die Familie regelmäßig Urlaub in Marokko, am Ende denke sie jedoch nicht über eine Auswanderung nach.

„Wir möchten unsere Chancen in Deutschland wahrnehmen!“, sagen er und Hanan. Rassistische Anfeindungen bestätigt weder Mohamed Marrouh noch Musa Al Musaui. „In Arnsberg waren alle immer sehr nett zu uns“, sagt Hanan. „Anders als in manchen Großstädten.“