Arnsberg. Apotheker in Arnsberg und Sundern dürfen Menschen nun auch gegen Grippe impfen. Damit soll die Quote erhöht werden – doch Ärzte äußern Kritik.

57 Jahre alt und in ihrem Leben noch nie gegen die Grippe geimpft worden: An ihre erste „Impfpatientin“ erinnert sich Maria Bertelsmann, Fachapothekerin in der Engel-Apotheke in Neheim, gerne. Die Frau wurde von ihrer Krankenkasse auf das neue Angebot hingewiesen. Denn ab sofort können sich Versicherte der AOK Nordwest ohne Termin in Apotheken im Hochsauerlandkreis gegen die Influenza impfen lassen.

Im Rahmen des Masernschutzgesetztes hat die Krankenkasse in Kooperation mit dem Apothekerverband Westfalen-Lippe das Modellprojekt nun auch im HSK gestartet. Ähnliche Vorhaben laufen bereits in anderen Bundesländern wie Niedersachsen oder Berlin.

Die Grippeschutzimpfungen bei den Hausärzten beeinflusst das nicht. Das betont auch die Fachapothekerin Maria Bertelsmann im Gespräch mit dieser Redaktion: „Es geht auf keinen Fall darum, die Grippeimpfungen der Ärzte zu ersetzen, sondern mit ihnen Hand in Hand zusammenzuarbeiten.“

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Ziel ist es, mit einem „niederschwelligen Angebot“ die niedrige Impfquote in Deutschland zu steigern. Für die Altersklasse der Menschen ab 65 Jahren, denen ein Schutz besonders empfohlen wird, liegt die Quote der Grippeschutzimpfungen in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei rund 35 Prozent. Wünschenswert wäre jedoch ein Wert von rund 75 Prozent.

Grippeimpfung in Arnsberg und Sundern: Arztpraxen beklagen Lieferengpässe

Im europäischen Vergleich, wo beispielsweise in Großbritannien, Dänemark und Frankreich bereits Apotheken in die Grippeimpfungen eingebunden wurden, konnte mit ähnlichen Modellprojekten die Quote erhöht werden. „Wir wollen die erreichen, die man sonst nicht erreicht“, sagt die Neheimer Fachapothekerin Maria Bertelsmann.

Die Apothekerinnen Maria Bertelsmann und Nicole Kampschulze impfen in der Engel-Apotheke in Neheim gegen Influenza. Das Projekt ist Teil eines Modellvorhabens der AOK und des Apothekerverbandes.
Die Apothekerinnen Maria Bertelsmann und Nicole Kampschulze impfen in der Engel-Apotheke in Neheim gegen Influenza. Das Projekt ist Teil eines Modellvorhabens der AOK und des Apothekerverbandes. © Westfalenpost | Nicolas Stange

Aber wer ist das? Im vergangenen Jahr war die Nachfrage nach einer Grippeschutzimpfung hoch. Und auch in diesem Jahr bemerkt beispielsweise Dr. Frauke Gehring ein steigendes Interesse an einer Impfung, wie die Ärztin aus Hüsten berichtet. Zwischen 800 bis 1000 Menschen pro Quartal impft ihr Team in der Gemeinschaftspraxis mit Dr. Irene Kaufmann-Herdieckerhoff. Bislang haben sie rund 150 Spritzen verabreicht.

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Doch jetzt stockt der Prozess wegen Lieferengpässen bei den Grippe-Impfstoffen. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, kritisiert die Apotheken dafür. Sein Vorwurf: Sie sorgten für eine „künstliche Verknappung des Impfstoffs“, schreibt er in einer Mitteilung am Freitag. Auch Dr. Frauke Gehring sieht das neue Modellvorhaben in den Apotheken kritisch: „Wenn die Patienten nach der Impfung in einer Apotheke Probleme bekommen, dann gehen sie danach zu mir“, sagt sie, „wir sind für die Komplikationen zuständig und das finde ich politisch gesehen schlecht“.

Bundesweite Quote bei der Grippeimpfung niedrig

Für Ärger in der Ärzteschaft sorgt außerdem die unterschiedliche Vergütung der Grippeimpfungen. Auf Nachfrage erklärt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, dass die Ärzte aufgerundet acht Euro pro Impfung erhalten, die Apotheker laut Branchenverband 12,61 Euro.

Das Modellprojekt

Drei Jahre lang werden die AOK und der Apothekerverband in einem Vorhaben nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards testen, ob sich durch Impfungen in Apotheken die Quote erhöhen lässt. Das ist politischer Wille. Der Gesetzgeber hat das mit dem Masernschutzgesetz möglich gemacht hat.

Die Voraussetzung für die Impfung: Die Person muss mindestens 18 Jahre alt und bei der AOK (mit-)versichert sein.

In Arnsberg und Sundern sind neben der Engel- und Rats-Apotheke in Neheim, noch die Maxmo-Apotheke Bruchhausen sowie die Gesundleben-Apotheke in Sundern Projektpartner.

Die Kritik am fehlenden „Know-How“ hält die Fachapothekerin Maria Bertelsmann indes für ungerechtfertigt. Immerhin sei das Modellprojekt politischer Wille und nicht aktiv von den Apothekern forciert worden. Sie und ihre Kollegin Nicole Kampschulze, die in der Engel-Apotheke in Neheim auch Grippeimpfungen verabreicht, hätten sich medizinisch fortbilden lassen.

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So nehmen sich die Beiden bei jeder Anfrage etwa 15 Minuten Zeit für ein Aufklärungsgespräch. Dabei wird entschieden, wer in der Apotheke gegen Influenza geimpft werden kann und wer einen Arzt aufsuchen sollte. Für Maria Bertelsmann ist klar: „Wenn ich bei einem Patienten ein ungutes Gefühl habe, dann gebe ich ihm die Grippeimpfung nicht, sondern sende ihn zum Arzt.“ Nach der Spritze, die in einem separaten Behandlungszimmer gesetzt wird, bleibt der Patient noch mal eine Viertelstunde zur Nachbeobachtung in der Apotheke. Für den Notfall, wie einen allergischen Schock, sei die Apotheke mit einem sogenannten EpiPen ausgestattet, so die Fachapothekerin weiter.

Sie betont vielmehr das gemeinsame Ziel von Apothekern und Ärzten: „Eine gesteigerte Impfquote ist das höchste Gut, woran wir gemeinsam arbeiten müssen.“