Arnsberg. Der historische Dachstuhl - bestehend aus 12 ineinander verwobenen Konstruktionen aus verschiedenen Jahrhunderten - ist bundesweit einzigartig.

Was ist schon die Kathedrale Notre Dame de Paris? Eine „junge Hüpferin“, zumindest was deren durch einen Brand zerstörtes Dach betrifft.

Denn das Dachwerk der Propsteikirche ist laut Denkmalpflege vier Jahre älter und hat jetzt in Rahmen von Restaurierung und Instandsetzung - der ersten Sanierung seit dem 18. Jahrhundert - zudem viele Geheimnisse freigesetzt. Einen großen Anteil daran hat Zimmermeister Franz-Josef Huckenbeck aus Greven, der mit seinem Team die erforderlichen Arbeiten an Langschiff und Turmhelm umgesetzt hat.

Bettina Heine-Hippler: „Die Geschichte dieses Bauwerks muss neu geschrieben werden“

Zimmermeister und Restaurator Franz-Josef Huckenbeck mit einem durchgefaulten Balkenstück. Die letzte Sanierung war übrigens im 18. Jahrhundert erfolgt.
Zimmermeister und Restaurator Franz-Josef Huckenbeck mit einem durchgefaulten Balkenstück. Die letzte Sanierung war übrigens im 18. Jahrhundert erfolgt. © WP | Achim Gieseke

„Die Geschichte dieses Bauwerks muss neu geschrieben werden, weil sich die Kirche nun in einem ganz anderem Licht präsentiert. Sie ist eine Kathedrale der Holzbaukunst,“ schwärmt Dr. Bettina Heine-Hippler als für das Gesamtprojekt Kloster Wedinghausen zuständige Denkmalpflegerin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).

Und auch die Arbeit der Restauratoren „ist von der Qualität und dem Ergebnis her fantastisch.“

Für den Normalo nicht sichtbar - und wohl auch nicht als solches erkennbar, befindet sich unter den Schieferschindeln eine laut Heine-Hippler „bundesweit einzigartige“ Dachstuhl-Konstruktion. Selbst europaweit gebe es davon nur noch sehr wenige.

Denn auf den mächtigen Mauern der Propsteikirche erheben sich, ineinander verwoben, 12 verschiedene Dächer - davon drei aus dem 13. Jahrhundert und ein Dach aus dem 17. Jahrhundert.

„Wir mussten uns immer neu in das Holz und das Vorgehen der Erbauer hineindenken“

Bauforscher Peter Bartholf präsentiert Thomas Mertz (Deutsche Stiftung Denkmalschutz), Zimmermeister Franz-Josef Huckenbeck und Dr. Bettina Heine-Hippler (von links) eine hölzernen Schindel aus der wohl ersten Dachbedeckung der Kirche. Sie wurde im Bauschutt auf dem Gewölbedach gefunden.
Bauforscher Peter Bartholf präsentiert Thomas Mertz (Deutsche Stiftung Denkmalschutz), Zimmermeister Franz-Josef Huckenbeck und Dr. Bettina Heine-Hippler (von links) eine hölzernen Schindel aus der wohl ersten Dachbedeckung der Kirche. Sie wurde im Bauschutt auf dem Gewölbedach gefunden. © WP | Achim Gieseke

Doch die Zeit hat an diesen Konstruktionen genagt. Durch eindringendes Regenwasser, bis vor einigen Jahren mit Kinderbadewannen aufgefangen, und Schutt, den Generationen von Handwerkern dort oben zurückgelassen haben. Dieser verhinderte an vielen Stellen das Trocknen des Gebälks, das so zu faulen begann.

Genau da setzte die Aufgabe des Teams um Zimmermeister Franz-Josef Huckenbeck ein. Die Experten mussten sich dabei mit Werkzeugen und neu einzusetzenden Balken oft akrobatisch durch den dichten Gebälk-Dschungel schlängeln, viele Arbeiten auf dem Rücken liegend erledigen.

„Wir mussten uns zudem immer wieder neu in das Holz und das Vorgehen der Erbauer hineindenken.“ Auch Fachmann Huckenbeck zollt den früheren Kollegen größten Respekt: „Das war und ist beste Handwerksarbeit.“

„Auch der Stolz der Handwerker auf ihre Arbeit und ihr tiefer Glauben sind erkennbar“

„Ein komplett neues Dach für die Propsteikirche wäre zwar sehr viel preiswerter gewesen,“ sagt LWL-Bauforscher Peter Barthold, „aber diese einzigartigen baugeschichtlichen Zeugnisse und damit der Respekt vor der handwerklichen Kunst früherer Generationen muss erhalten werden.“

So lassen sich beispielsweise durch jahrhundertealte Kennzeichnungen an den Balken wichtige Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen in längst vergangenen Zeiten ziehen. „Auch der Stolz der Handwerker auf ihre Arbeit und ihr tiefer Glauben sind erkennbar.“

Restaurierung der Dachstühle von Langschiff und Turmhelm erfordert 1,6 Millionen Euro

In einem dichten Dschungel aus Balken sind die verschiedenen historischen Dachkonstruktionen vereint.
In einem dichten Dschungel aus Balken sind die verschiedenen historischen Dachkonstruktionen vereint. © Unbekannt | Achim Gieseke

Die Restaurierung des Dachstuhls im Langschiff, seit 2016 in Etappen umgesetzt, wurde 2020, die des Gebälks im Turmhelm vor kurzer Zeit abgeschlossen. Allein in diese Aufgaben flossen, so Bettina Heine-Hippler, 1,6 Millionen Euro.

Davon kamen 80 Prozent vom Bistum und 160.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Den nicht geringen „Rest“ musste wie in diesen Fällen üblich die Gemeinde stemmen.

„Aber viele Bürgerinnen und Bürger haben dafür gespendet.“ Und ein Teil des Eigenanteils habe man durch zwei Entenrennen erwirtschaften können. „Doch ohne das Engagement der Stiftung Denkmalschutz wäre diese Sanierung - wie so vieles andere - nicht möglich gewesen.“