Arnsberg/Hochsauerlandkreis. In Absprache mit seinen Kollegen gibt der Arnsberger Dr. Ortwin Ruland seine Leitungsfunktion zum 1. August auf – kehrt aber bei Bedarf zurück.
Dr. Ortwin Ruland gibt seine Tätigkeit als einer von drei medizinischen Leitern des HSK-Impfzentrums in Olsberg zum 1. August auf. „Wir müssen alles tun, um die restlichen 20 Prozent der Bevölkerung, die sich bisher nicht haben impfen lassen, schnell von den Vorteilen einer Impfung zu überzeugen“, formuliert der Mediziner aus Arnsberg zum Abschied eine klare Botschaft.
Scheinbare Widersprüche besser erklären
Ein ganz aktuelles Beispiel für suboptimale Vorgehensweisen während der Pandemie sind die Impfungen der Kinder/Jugendlichen ab 12 Jahren, für die in den Impfzentren andere Auflagen erfüllt werden müssen als in den Arztpraxen, sagt Dr. Ruland.Auch die scheinbaren Widersprüche zwischen RKI und der STIKO (ständige Impfkommission) einerseits und den politischen Entscheidungsträgern andererseits hätten besser erklärt werden können, so der Arnsberger Mediziner weiter.
Stichwort Abschied: „Schon im Dezember vorigen Jahres hatte ich den Wunsch geäußert, mich im August und September dieses Jahres meinem Segel-Hobby zu widmen. Während meines Berufslebens habe ich mich immer auf ‘später’ vertröstet – und jetzt ist ‘später’, so Dr. Ruland im Gespräch mit dieser Zeitung. Die ärztliche Leitung brauche – bei nun geringerer Inanspruchnahme der Impfzentren – nicht mehr unbedingt drei Personen.
„Die beiden Kollegen Dr. Hüttemann sen. und jun. sind deshalb meinen privaten Wünschen entgegengekommen und werden die Funktion zu zweit fortsetzen. Sollte schon im Oktober oder später wieder ein Bedarf bestehen, stehe ich selbstverständlich wieder sehr gern voll zur Verfügung“, meint der Arnsberger mit Blick auf die nahe Zukunft. Mit Blick zurück auf seine bisherige Tätigkeit zeigt er sich sehr zufrieden mit der „hervorragenden, reibungslosen Zusammenarbeit mit den Vertretern des Kreises, den Apothekern und den Arztpraxen:
Jeder hat sein Bestes gegeben
„Das lief wirklich Hand in Hand – jeder hat sein Bestes gegeben.“ Man habe (Stand Mittwoch, 28. Juli) – gemeinsam im Hochsauerlandkreis eine überdurchschnittliche Impfquote erreicht: 143.335 vollständig Geimpfte (57 Prozent) und 171.373 Erstgeimpfte (68 Prozent).
„Die gesamte Situation der Pandemie mit den neuen Impfstoffen und einer so noch nie praktizierten Impfaktion war und ist ja eine Einmaligkeit ohne jedes Vorbild“, betont Ortwin Ruland: „Alle haben dabei gelernt, und es wird sicher am Ende noch eine Analyse geben, um im Wiederholungsfalle alles noch besser machen zu können.“
Gefehlt habe ihm allerdings eine strukturiertere Öffentlichkeitsarbeit der Entscheidungsträger (Ministerien, Robert Koch Institut, Ständige Impfkommission etc.), mit der sie ihre Beschlüsse und Anweisungen nachvollziehbar erklärt hätten.
Auch die unterschiedlichen Bedingungen für das Impfen in Arztpraxen und Impfzentren (Stichwort: Altersgruppen und Impfstoffverwendungen) hätten für Verwirrung in der Öffentlichkeit gesorgt.
In der unmittelbaren Zukunft werde jeder auf kurz oder lang mit dem Corona-Virus in Kontakt kommen: „Ungeimpfte haben da natürlich eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit auf eine lebensbeeinflussende, sehr ernsthafte Erkrankung. Auch an die Verantwortung jeder ungeimpften Person, das Virus nicht an Risikopersonen weiterzugeben, sollte erneut erinnert werden“, mahnt Dr. Ruland.
Langfristig müsse noch die Frage nach einer sogenannten Auffrischimpfung beantwortet werden: „Hierzu fehlt uns aber derzeit noch eine Untersuchungsmöglichkeit. Wir haben bisher keinen Test, um beurteilen zu können, wer wann eine Auffrischimpfung braucht, um die Immunität gegen Covid-19 aufrecht zu erhalten.“
Kommt eine Impfpflicht? Eine Impfpflicht gegen bestimmte Infektionskrankheiten gebe es für definierte Berufsgruppen ja schon lange – „das wäre im Grundsatz nichts Neues und bedeutet keine Impfpflicht für jeden“, so der scheidende Leiter des HSK-Impfzentrums.
Es geht auch ohne Pflicht
Wenn freiwillig ein hoher Prozentsatz solcher Berufsgruppen mit intensiven persönlichen Kontakten geimpft ist, geht es auch ohne Pflicht. Eine Gemeinschaft kann es aber andererseits nicht zulassen, wenn Multiplikatoren mit intensiven Kontakten ernsthafte Erkrankungen verbreiten können oder selbst durch solche Krankheiten gefährdet werden, gegen die es eine Impfung gibt. Das würde eine Impfpflicht für bestimmte Personen begründen.
Die alleinige Orientierung an der Inzidenz sei problematisch, meint der Mediziner mit Blick auf künftiges Handeln, „weil sie abhängig ist von der Testintensität – und die Schwere der Erkrankungen nicht berücksichtigt.“ Man wisse mittlerweile auch um die Dunkelziffer der Covid-19 Erkrankungen. „In der Beurteilung der Pandemiesituation sind deshalb zusätzlich die Krankenhausbehandlungsregister zu berücksichtigen. Von einer Abschätzung der Zahl und der Ernsthaftigkeit der Erkrankungen hängt ab, ob ein erneuter Lockdown notwendig wird. All das wiederum hängt von der Geschwindigkeit ab, wann wir das Ziel einer 85-prozentigen Durchimpfung erreichen können.“