Arnsberg. CDU-Kandidatenkür: Wie Friedrich Merz den Frust über die Bundespolitik genutzt hat. Und warum Patrick Sensburg doch noch auf den Bundestag hofft.

Nach dem Sieg bedankt er sich mit einem kleinen Scherz. „Ganz ehrlich“, sagt Friedrich Merz im Stadion „Große Wiese“ in Arnsberg, „es ist schön, auch mal wieder eine Wahl zu gewinnen.“ Zweimal ist der 65-Jährige knapp mit dem Versuch gescheitert, Bundesvorsitzender der CDU zu werden. Jetzt hat er endlich eine satte Mehrheit geholt: 327 Delegierte aus dem Hochsauerlandkreis stimmen für Merz, nur 126 für den aktuellen Abgeordneten Patrick Sensburg. Und weil seine Heimat seit jeher eine CDU-Hochburg ist, steht so gut wie fest: Merz wird im Herbst wieder in den Bundestag einziehen.

Dann will er die Politik in der Hauptstadt aufmischen. Daran lässt der Arnsberger in seiner gut 20-minütigen, von bundespolitischen Inhalten geprägten Rede keinen Zweifel. Ein Satz wie „Der Zustand unseres Landes ist kritisch, und die Existenz der CDU als Regierungspartei ist gefährdet“ darf als klare Kampfansage an jene in der Partei betrachtet werden, die Merz noch vor wenigen Monaten als „Establishment“ bezeichnete.

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„Wir müssen Klartext reden. Die CDU hat ihren Kompass verloren“, sagt er und spricht von einem selbstverschuldeten politischen Lockdown. Er will ein besseres Management der Corona-Krise und weniger Bürokratie in den Betrieben, er will die CDU wieder zur Volkspartei der Mitte machen. „Wir müssen wieder den Mut haben, eine stinknormale bürgerliche Politik zu machen, statt dem flüchtigen Zeitgeist atemlos hinterherzulaufen. Dieser Zeitgeist ist ein flüchtiger Geselle“, sagt Merz. Das geht gegen die Grünen, aber auch gegen CSU-Chef Markus Söder.

Eine neue Aufbruchsstimmung will Merz vermitteln

Bei den Delegierten kommt das gut an. Viele von ihnen sind enttäuscht von der eigenen Partei, vom aktuellen Kanzlerkandidaten-Geschacher, vom Abwärtstrend bei den Umfragen. Merz vermittelt eine neue Aufbruchstimmung und verspricht ihnen, keinen „bequemen und angepassten Abgeordneten“ zu bekommen. Etwas verklausuliert bringt er sich für einen Ministerposten ins Gespräch. Sogar als er ein bisschen überdreht und über die Gendersprache polemisiert („Frau-oh-Frau statt Mann-oh-Mann? Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland? Spielplätze für Kinder und Kinderinnen?“) klatschen die meisten Zuhörer. Merz trifft den konservativen Ton.

Merz will mindestens 45 Prozent erreichen

Er strebe im September ein „überdurchschnittliches Ergebnis“ im Sauerland an, „also mindestens 45 Prozent“, sagt er später dieser Zeitung. „50 plus x“ seien aber auch machbar. Er wolle nun aus dem Sauerland dabei helfen, die Partei zu erneuern.

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Kontrahent Sensburg hält eine gute Rede, aber ohne Emotionen, nicht mitreißend. Er stellt vor allem seine Leistungen für den Wahlkreis in den vergangenen zwölf Jahren in den Vordergrund, betont seine gute Zusammenarbeit mit den Gruppierungen der CDU: Senioren, Junge Union, Frauen, Mittelstand. Hunderte Male habe er sich mit allen getroffen. Und säßen an diesem Tag mehr weibliche Delegierte im Stadion „Große Wiese“, vielleicht hätte der 49-Jährige ein paar Stimmen mehr einsammeln können. Aber auf der Tribüne frieren vor allem Männer im Alter von 50 plus bei Temperaturen von knapp vier Grad.

Friedrich Merz wird mit 72 Prozent der Stimmen zum CDU-Bundestagskandidaten für den HSK gewählt: Hier gibt es weitere Informationen

Doch eigentlich kam es auf die Rede gar nicht mehr an. Die Sauerländer wollen ihre Lichtgestalt zurück. „Friedrich Merz hat den Frust der Basis über die Bundespolitik und die aktuellen Probleme der Union genutzt“, sagt Sensburg dieser Zeitung nach seiner Niederlage. Der Briloner hatte darauf gehofft, dass den Delegierten ihr Wahlkreis wichtiger ist als die katastrophale Lage der Partei in Berlin. Vergeblich.

Mit einem so deutlichen Votum für seinen Kontrahenten habe er nicht gerechnet, räumt er ein und holt sich nach dem Parteitag erst einmal eine Currywurst. Seit gut zwölf Jahren ist Sensburg Abgeordneter für das Hochsauerland, jetzt weiß er, dass im Oktober wahrscheinlich Schluss ist. Wahrscheinlich? Als Professor für öffentliches Recht hat er eine Rückkehrmöglichkeit in den Staatsdienst, vielleicht ist seine Polit-Karriere aber doch noch nicht zu Ende.

Aus dem Wahlkampf heraushalten

„Bei einem aussichtsreichen Listenplatz bei der Bundestagswahl würde ich nicht Nein sagen“, erklärt er. Aus dem Wahlkampf im Hochsauerland will er sich heraushalten. „Viele in der CDU sehen Friedrich Merz als Retter“, sagt Sensburg. „Jetzt muss er zeigen, was er kann.

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Das war überraschend deutlich: Mit 72 Prozent der Stimmen ist Friedrich Merz am Samstag in Arnsberg zum CDU-Bundestagskandidaten für den Hochsauerlandkreis gewählt worden. Für den früheren Unions-Fraktionschef votierten 327 Delegierte, für den aktuellen Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg 126.

„Ganz ehrlich: Es ist schön, auch mal wieder eine Wahl zu gewinnen“, sagte Merz nach der Abstimmung. Bei der Wahl zum CDU-Bundesvorsitzenden war der 65-Jährige zweimal gescheitert. Der Hochsauerlandkreis ist eine CDU-Hochburg.

Bundestagskandidat Friedrich Merz will die CDU erneuern

Merz´ Chancen, nach der Bundestagswahl wieder in das Parlament einzuziehen, stehen sehr gut. Er strebe im September ein „überdurchschnittliches Ergebnis“ im Sauerland an, „also mindestens 45 Prozent“, sagte er nach der Wahl dieser Zeitung. Es sei jedoch auch ein Ergebnis von „50 plus x“ erreichbar.

Im Arnsberger Stadion „Große Wiese“ hielt Merz vor rund 460 Delegierten eine emotionale und von bundespolitischen Elementen geprägte Rede. „Eines steht fest“, betonte er. „So kann es mir der CDU nicht weitergehen.“

Patrick Sensburg (CDU), Noch-Mitglied des Bundestags, musste sich Friedrich Merz deutlich geschlagen geben.
Patrick Sensburg (CDU), Noch-Mitglied des Bundestags, musste sich Friedrich Merz deutlich geschlagen geben. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen