Neheim. Im Corona-Tagebuch berichtet der Neheimer Allgemeinmediziner Dr. Jochen B. Müller über den Praxisalltag in Pandemiezeiten.
Der niedergelassene Allgemeinmediziner Dr. Jochen B. Müller führt eine Praxis am Neheimer Markt. Der 47-jährige Arzt berichtet von einem typischen Morgen in Pandemie-Zeiten in seiner Praxis. Er berichtetet von einem Alltag zwischen Corona-Test, Lieferengpässen, eigenen Sorgen und verunsicherten Patienten.
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6. 20 Uhr: Der Wecker klingelt. Frühstück, dann Hund ausführen. Ungewöhnlich warm draußen, kein „Umsatzwetter“. Eine ruhiger Wochenstart? Sohn Julian schreibt gleich eine Arbeit. Die letzte dies Jahr?
7.50 Uhr: Meine Frau und ich starten zur Praxis. Ich grüble: Sind die bestellten Corona-Antigen-Schnelltests (Virusnachweis nach 15 Minuten) eingetroffen? Wir haben noch vier Tests da, die Nachfrage ist groß, weil der Labor-PCR-Test bis eine Woche braucht.
8.10 Uhr: Gestern ist ein Fax der kassenärztlichen Vereinigung eingetroffen: Wieder Überarbeitung der sechsseitigen Corona-Vorschriften: Die Schwierigkeit liegt nicht im Abstrich, sondern in korrekter Dokumentation und Abrechnung.
Corona-Krise und Lockdown aus wechselnder Perspektive
Im Corona-Tagebuch wollen wir die Coronakrise und Lockdown-Folgen ganz nah aus der Sicht der Betroffenen beleuchten.
Täglich sollen unterschiedlichste Menschen aus der Region ihre Sorgen und Nöte während der Pandemie schildern.
8.40 Uhr: Erstaunlich ruhig. Ein Effekt des Lockdowns? Des Wetters? Doch vermehrt Telefontermine. Der Lieferdienst war noch nicht da, wir müssen Leute umbestellen.
9.50 Uhr: Zweiter Engpass: Obwohl bestellt, haben wir für Labor-PCR-Tests keine Abstrichtupfer mehr.
9.55 Uhr: Ich rufe Patienten von letzter Woche an, deren Testergebnisse gefaxt wurden. Sie wissen aber schon via Corona-App Bescheid. Umsonst angerufen. Naja, doppelt hält besser. An dieser Stelle: Kompliment an das Gesundheitsamt HSK, die Zusammenarbeit im Falle positiv getesteter Patienten ist top. Ich staune über die Belastbarkeit der Mitarbeiter.
10 Uhr: Die Sprechstunde läuft weiter. Bei den „normalen“ Infekten merke ich die Unsicherheit der Patienten. Das Bauchgefühl sagt „es ist kein Corona“, die Angst der Leute verlangt einen Test. Zwischendurch: Fenster auf, Durchzug und Durchatmen. Der Wind verdrängt die Sorge, sich selber vielleicht anzustecken.
10.20 Uhr: Der Lieferdienst bringt Schnelltests und Abstrichtupfer.
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10.30 Uhr: Montags eine Seltenheit: Ich esse etwas – alleine, weil wir im Team nur mit FFP-2-Masken begegnen dürfen. Die Sorge vor einem Praxis-Lockdown fährt trotzdem mit. Besser nochmal Hände und Flächen desinfizieren.
10.40 Uhr: Der Vormittag nimmt Fahrt auf. Aber das Team beweist Engelsgeduld. Für diese Mitarbeiter bin ich dankbar!
10.55 Uhr: Telefonat mit einem Patienten. Schüler setzen sich über Corona-Regeln hinweg, kommen krank zur Schule. Rücksichtslos, denke ich, wie im Straßenverkehr: Regeln sind für andere da...
11.30 Uhr: Eigentliche Infekt-Sprechstunde: Maske und Schutzkleidung. Beraten und Beruhigen. Desinfizieren und Lüften.
13 Uhr: Mittagspause! Gleich habe ich Home-Office. Immerhin habe ich, obwohl es Montag ist, die WC-Lampe wechseln können, unser Hausmeister ist krank …