Hüsten. Für Thora Meißner ist es eine herzzerreißende Situation: Sie darf ihren Sohn, der sich beide Arme brach, im Krankenhaus nicht besuchen.

Wie emotional belastend ein Besuchsverbot im Krankenhaus in Corona-Zeiten sein kann, bescheibt die 42-jährige Hüstenerin Thora Meißner. Ihr 18-jähriger Sohn hatte sich beide Arme gebrochen und wird nun in einem weit entfernten Krankenhaus behandelt. Die Hüstener Mutter, die beruflich als Online-Redakteurin und Lehrerin für Deutsch als Zweitsprache tätig ist, berichtet über ihre jetzige Situation folgendes:

„Donnerstagmittag, 29. Oktober. Als sei es nicht schon schlimm genug, überhaupt von einem Unfall des eigenen Kindes zu hören, übertrumpfte diese Hiobsbotschaft: Besuchsverbot! Corona.

Mein Sohn ist 18 Jahre alt und damit bin ich meine Rechte los. Beide Arme seien gebrochen, so die telefonische Info. Er müsse sofort operiert werden. Ich solle mir keinen Kopf machen und brauche auch nicht kommen. Es brauche eh seine Zeit. Und außerdem bestünde ein Besuchsverbot. Man könne mich eh nicht zu ihm lassen.

Dennoch: Ich packte ihm ein paar Dinge ein - Kopfhörer, Kekse, Kleidung. Was man halt so mitgibt. Dass er seine Kekse gar nicht selbstständig essen können wird - wusste ich da noch nicht. Dass er sogar Hilfe beim Aufsetzen seiner Kopfhörer brauchen wird, ebenso wenig. Eigentlich wusste ich gar nichts.

Eine Fahrstunde später - verwirrt schaut man mich an: „Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass Sie nicht kommen müssen!?“

Wie in Trance fuhr ich zurück

Na, jetzt mal ehrlich: Interessiert mich das als Mutter? Kein einziges meiner Argumente nützte. Ich durfte nicht zu ihm. Er sei noch im OP.

Es zerreißt einem schlicht das Herz zu wissen, dass das eigene Kind vielleicht 50 Meter von einem entfernt liegt, man aber nichts machen kann. Wie in Trance fuhr ich zurück, den Kopf voller Fragen. Fragen, die mir zu diesem Zeitpunkt niemand beantworten konnte.

Zuhause angekommen rief ich direkt im Krankenhaus an. Man vertröstete mich. Er sei noch nicht auf der Station. Zwei Stunden später - immer noch nix.

Eine Stunde später endlich der erlösende Anruf. Mein Sohn selbst. Ihm geht es schlecht. Seine Stimme zittert. Er hat Schmerzen. Seine Hände kann er nicht bewegen, darf es auch gerade nicht. Vollgepumpt mit Medikamenten fühlte er sich schwach. Er wollte nach Hause. Ich wäre sofort wieder zu ihm gefahren. Durfte es aber nicht!

Angst, die Telefonverbindung könnte unterbrechen

Freitagmorgen. Immer noch unter Schmerzen. Heimweh.

Dazu noch die Angst, die Telefonverbindung könnte unterbrechen - schließlich kann er alleine nichts am Handy machen. Seinen Zimmernachbarn wollte er nicht immer fragen. Also Standleitung, 13 Stunden lang. Tag für Tag.

Irgendwie mussten wir das Problem des Besuchsverbots ja lösen. Wir haben ihm beim Schlafen zugehört, beim Unterhalten mit dem Zimmernachbarn, bei der Physio und auch bei den danach eingetretenen Schmerzen.

Wir haben versucht ihn aufzumuntern, haben gescherzt und auch er hatte einige Momente, in denen er lachen konnte. Da und doch nicht da! Nur wegen Corona!

Zuhause wird er seine Hände immer noch nicht nutzen können und extrem eingeschränkt sein - aber wenigstens zu Hause. In gewohnter Umgebung - mit seiner Familie und seiner Freundin!

Kein Corona - und doch „corona-geschädigt“.

Corona-Krise und Lockdown aus wechselnder Perspektive

Im Corona-Tagebuch wollen wir die Coronakrise und Lockdown-Folgen ganz nah aus der Sicht der Betroffenen beleuchten.

Täglich sollen unterschiedlich­ste Menschen aus der Region ihre Sorgen und Nöte während der Pandemie schildern.