Arnsberg. Auch 75 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen ist es für den Heimatbund besonders wichtig, an das unermessliche Leid zu erinnern.

Der Heimatbund Arnsberg wird noch in diesem Jahr – voraussichtlich im November – am Ruhrtalradweg in unmittelbarer Nähe des Viadukts ein Mahnmal zum Gedenken an die vielen Menschen errichten, die den schweren alliierten Luftangriffen auf dieses strategisch wichtige Eisenbahn-Bauwerk zum Opfer fielen. Vor allem in den letzten Monaten des Krieges.

„Auch 75 Jahre nach diesen schrecklichen Ereignissen ist es besonders wichtig,“ sagt Heimatbund-Vorsitzender Werner Bühner, „den Blick auf das unermessliche menschliche Leid zu richten, das der Krieg damals anrichtete.“

Schließlich verloren allein in den Angriffen vom 9. Februar bis 19. März 1945 vermutlich mindestens 156 Arnsberger – die meisten aus Muffrika – ihr Leben, 315 Personen wurden verletzt. Beim verheerendsten Angriff am 9. Februar waren 75 Todesopfer und 163 Verletzte zu beklagen, rund 1500 Menschen wurden an diesem Tag obdachlos – und Muffrika war nur noch eine Kraterlandschaft.

Erinnerung auch an die Sinnlosigkeit kriegerischer Auseinandersetzungen

Die Zerstörung des Viadukts war für viele Arnsberger - besonders für die nahen Anwohner - letztlich auch eine Erleichterung.
Die Zerstörung des Viadukts war für viele Arnsberger - besonders für die nahen Anwohner - letztlich auch eine Erleichterung. © Fritz Schumacher/Archiv Werner Bühner

Genau daran, an die Sinnlosigkeit kriegerischer Auseinandersetzungen und von Gewalt soll das Mahnmal erinnern. Und zugleich Aufruf für ein friedliches Miteinander der Völker sein.

Auch der Kriegsgegner von einst, die Briten, wird sich daran beteiligen. „Unsere englischen Freunde werden eine Widmung für diese Gedenkstätte beisteuern,“ freut sich Bühner über dieses symbolträchtige Zeichen.

Die Einweihung des Mahnmals soll voraussichtlich im kommenden November erfolgen. „Wir gehen jedenfalls davon aus, dass es bis dahin fertiggestellt ist.“

Den Sockel fertigt übrigens der Arnsberger Steinmetz Ralf Hilligsberg an – aus Anröchter Stein. Gekrönt wird das Ganze dann durch eine Skulptur aus original Bruchteilen des am 19. März 1945 zerstörten Viadukts.

Das direkt am Ruhrtalradweg gelegene Mahnmal wird durch Spenden finanziert

An diesem Erinnerungsort wird der Heimatbund zudem eine Informationstafel errichten, „damit auch die vielen auswärtigen Nutzer des Ruhrtalradweges sich einen Eindruck von den damaligen schlimmen Geschehnissen machen können“. Auf der Tafel wird sich dann auch ein aktuelles Luftbild von Viadukt und Umgebung befinden, eigens dafür aufgenommen und kostenlos zur Verfügung gestellt von unserem Luftbild-Fotografen Hans Blossey.

Finanziert wird das Mahnmal durch Spenden. So hatte beispielsweise der verstorbene Apotheker Hermann Förster statt um Blumen um Spenden für den Heimatbund gebeten. „Und die Hinterbliebenen sind damit einverstanden, dass wir das Geld für diesen Zweck verwenden,“ so Bühner. Aber auch die Muffrikaber Hubertus-Schützen würden sich beteiligen.

Bis zu 10 Tonnen schwere Bomben sorgten letztlich für den Einsturz des Viaduktes

Kurzer Blick zurück: 2014 erhielt der Heimatbund ein Luftbild aus dem amerikanischen Staatsarchiv, das den zerstörten Ortsteil Muffrika im Frühjahr 1945 zeigt. Die aufnehmenden Kameras waren in einem großen kofferähnlichen Kasten unter den Rumpf der Flugzeuge geschraubt, was später zu der Bezeichnung „Trolley-Flight“ führte. Anlass für diese und ähnliche Aufnahmen war der fotografische Beweis der Zerstörung des Viaduktes.

Da zur Zeit der britischen Angriffe auf den Viadukt keine exakte Zielführung möglich war, hatte der durch die Entwicklung der „Bouncing Bomb“ (Zerstörung der Möhne-Sperrmauer 1943) bekannt gewordene englische Ingenieur Barnes Wallis die „Earthquake Bombs“ konstruiert:

Die „Tallboy“ und die „Grand Slam“ bezeichneten Bomben mit jeweils 5 und 10 Tonnen Sprengstoff sorgten für die „Erdbeben“, die am 19. März 1945 zum Einsturz des Viaduktes führten.

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Die Opferzahlen liegen vermutlich deutlich höher als damals offiziell angegeben

Eine Auflistung der Opferzahlen und der Luftangriffe im Frühjahr 1945 auf den Viadukt.
Eine Auflistung der Opferzahlen und der Luftangriffe im Frühjahr 1945 auf den Viadukt. © Allied Bomber Command

Die Zahlen der Opfer und der Verletzten liegen, so ist man sich heute sicher, aber deutlich höher als damals veröffentlicht. Die Gründe dafür sind vielfältig:

„Die damaligen offiziellen Angaben durften nicht demoralisierend wirken und so der NS-Propaganda schaden,“ erklärt Werner Bühner. „Und weil über die Angaben der Tabelle (siehe Foto links) hinaus täglich weitere Angriffe stattfanden und auch Verwundete später ihren Verletzungen erlagen, war die Feststellung der Opferzahlen schwierig.“

Vor diesem Hintergrund sei heute umso mehr die dringende Bitte der Arnsberger zu verstehen, die Bombardierungen sollten endlich ein Ende finden.

„Eine Bitte, die öffentlich natürlich niemand äußern durfte. Aber in der Propsteikirche, so heißt es, hätten viele Arnsberger heimlich diesen Wunsch ins Gebet eingeschlossen.“

Werwolf-Aktionen aus dem Eichholz heraus verursachen weitere Luftangriffe

Das tatsächliche Ende der Angriffe nach der Zerstörung des Viadukts sei jedoch, „wie uns Zeitzeugen bestätigten“, nur vorläufig gewesen, weil das Elend des Krieges bis zum Mai 1945 und zum Teil sogar darüber hinaus kein wirkliches Ende gefunden habe. „Unvergessen bleiben die Einzelangriffe der kleineren einmotorigen Jagdbomber mit ihrem Maschinengewehrfeuer auf ,alles, was sich bewegte‘.“

Was eigentlich vermeidbar gewesen wäre, weil diese Angriffe „nicht zur großen Strategie gehörten.“ Aber: Sogenannte „Werwölfe“ - bestehend aus von den NS-Machthabern durch Endsieg-Fantastereien aufgehetzten Hitlerjungen - hätten aus dem Eichholz heraus in Richtung der vorrückenden Truppen geschossen. Die Reaktion darauf: Tieffliegerattacken - auch auf Zivilisten.

Funde der letzten Jahre machen das Ausmaß der SS-Verbrechen deutlich

Was von Muffrika übrig blieb. Ein apokalyptischer Anblick, der die Sinnlosigkeit von Kriegen versinnbildlicht.
Was von Muffrika übrig blieb. Ein apokalyptischer Anblick, der die Sinnlosigkeit von Kriegen versinnbildlicht. © Archiv Werner Bühner

Erst in den letzten Jahren machten Funde im Sauerland das Ausmaß der Verbrechen von SS-Kommandos deutlich, die im Arnsberger Wald in der Nähe von Warstein viele Zwangsarbeiter erschossen hatten. Werner Bühner:

„In Arnsbergs näherer Umgebung kamen kurz nach Kriegsende ehemalige Zwangsarbeiter ,in Kämpfen‘ ums Leben, die begonnen hatten, die Anwohner - von der amerikanischen Besatzung zunächst geduldet - zu berauben. Auch diese Kriegsopfer sind nicht Teil der offiziellen Statistik.“

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Menschenverachtend

So seien Aufnahmen vom zerstörten Viadukt sicherlich weniger bedeutsam, als die Bilder der auf dem Museumshof aufgestellten Särge kurz vor der Beisetzung in Mehrfachgräbern auf dem Eichholzfriedhof, die es nicht als Fotos, wohl aber fest im Gedächtnis vieler Zeitzeugen gebe. „Solche Eindrücke tragen dazu bei, die menschenverachtende Seite und die Sinnlosigkeit aller Kriege deutlich werden zu lassen.“