Arnsberg/Sundern. Mit speziell bedruckten Brötchentüten könnten Sauerländer Bäckereien ihrem Ärger über immer Dokumentationspflichten Luft machen.

Die starke Zunahme an bürokratischen Aufgaben treibt Bäckermeister Eberhard Vielhaber aus Sundern-Stockum auf die Palme. Er könnte sich im Hochsauerland eine Protest-Aktion vorstellen, wie sie seit Herbst 2019 in Niedersachsen läuft. Dort verteilen viele Betriebe aus dem Bäckerinnungsverband Niedersachsen in ihren Läden Brötchentüten mit dem Aufdruck „Noch mehr Bürokratie kommt uns nicht in die Tüte!“

Gemeinsame Aktion nötig

Eine solche Aktion möchte Eberhard Vielhaber in seinen 28 Backfilialen aber nicht als einziges Unternehmen durchführen. „Alle Bäckereien stöhnen unter der Last der Bürokratie. Deshalb sollten die mehr als 40 Innungsbetriebe aus der Bäckerinnung Hochsauerland gemeinsam auftreten“, meint Vielhaber zu einer solchen Aktion, für die aber noch Abstimmungsgespräche in der Innung nötig seien. „Entschieden ist hier noch nichts. Wir wollen noch Erfahrungsberichte über die Wirksamkeit der niedersächsischen Aktion abwarten, bevor wir uns entscheiden“, sagt Eberhard Vielhaber im Gespräch mit unserer Zeitung.

So sieht die Protest-Brötchentüte in Niedersachsen aus.  Bäckermeister Eberhard Vielhaber könnte sich eine ähnliche Aktion im Sauerland gut vorstellen.
So sieht die Protest-Brötchentüte in Niedersachsen aus. Bäckermeister Eberhard Vielhaber könnte sich eine ähnliche Aktion im Sauerland gut vorstellen. © Bäckerinnungsverband Niedersachsen/Bremen | Bäckerinnungsverband Niedersachsen/Bremen

Der Stockumer Unternehmer hat bereits seit einiger Zeit auch in anderer Form gegen zu viel Bürokratie protestiert. Am Anfang seines Protests fasste er auf vier eng bedruckten DIN-A4-Seiten die Vielzahl an gesetzlichen Auflagen zusammen, deren Erfüllung er dokumentieren muss. Hier kamen über 70 Aufgaben zusammen. „Diese Arbeit ist sehr zeitraubend und wäre in dieser Ausführlichkeit auch gar nicht notwendig“, sagt Vielhaber. Sein schriftlich fixierter „Bürokratie-Katalog“ stieß auf großes Interesse in anderen Betrieben, Fachverbänden, bei Politikern und in der Fachpresse. Er hat seine Dokumentation „Kosten, die keiner sieht“ quer durch Deutschland vielfach verschickt und freut sich, dass er damit in Niedersachsen auch zu der dortigen Protesttüten-Aktion beigetragen hat. Auch auf den Tüten findet sich eine Liste bürokratischer Aufgaben.

Protestportal „handwerkmachtmobil.de“

Vielhaber weiß natürlich, dass das gesamte Handwerk – und insbesondere die kleineren Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern – unter zu viel Bürokratie stöhnt. Deshalb unterstützt Vielhaber auch das Internet-Protestportal „handwerkmachtmobil.de“, in der sich mittlerweile über 370 Handwerker für die Initiative „Das Handwerk sagt Stopp – Werkbank statt Schreibtisch“ registriert haben. Das Portal war vom Medebacher Elektromeister Frank Lefarth gegründet worden.

Bezogen auf das Bäckerhandwerk hält Vielhaber ein weiteres Anschwellen der Protestwelle für durchaus möglich, weil die seit Jahresbeginn 2020 geltende Kassenbonpflicht den Bäckereien (und natürlich auch anderen Geschäften mit Bargeldverkehr) nochmals das Leben erschwert. „Die jetzt eingeführte Kassenbonpflicht ist überhaupt nicht notwendig, weil in den elektronischen Kassen die Daten gesammelt sind und für eine mögliche Kontrolle durch das Finanzamt zehn Jahre zur Verfügung stehen“, sagt Eberhard Vielhaber.

Seit Jahresbeginn gilt Kassenbonpflicht

Seit dem 1. Januar 2020 müssen Händler oder Dienstleister, die über ein elektronisches Kassensystem Bargeldverkehr abwickeln, einen Kassenbon ausdrucken. Es reicht nicht mehr die Frage an den Kunden: Wollen Sie einen Bon?

Die so genannte „Belegausgabepflicht“ soll einer größeren Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrug dienen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sieht Milliardeneinnahmen, die dem Staat bisher durch mangelnde Dokumentationspflicht entgehen.

Da für jeden Einkauf ein Bon ausgedruckt werden muss, soll sichergestellt werden, dass jeder Kaufvorgang auch in die Kasse eingetippt wird und dies auch mit dem richtigen Betrag geschieht (die Kontrolle durch den Kunden soll ermöglicht werden).

Außerdem seien die Bargeldkassen bis Oktober 2020 mit einer Technischen Sicherheits-Einrichtung (TSE) auszustatten, wodurch noch mehr Daten gespeichert würden und dem Ziel des Gesetzgebers (Vermeidung von Steuerbetrug) doch genüge getan sein müsste. Doch was jetzt passiert, kann Vielhaber nicht nachvollziehen: „Wir müssen für jeden Einkauf einen Bon ausdrucken – ob der Kunde einen haben will oder nicht. Sehr viele Kunden werden keinen Bon haben wollen und so werden Berge von Thermopapiermüll entstehen.“ Die Bäckerei Vielhaber rechnet mit einer siebenstelligen Zahl von Bons, die jährlich anfällt und entsorgt werden muss.“

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Vielhaber betont auch: „Die Erfüllung bürokratischer Vorschriften ist mittlerweile ein klarer Kostenfaktor in Handwerksbetrieben geworden, denn hierfür ist Arbeitszeit von Mitarbeitern in Anspruch zu nehmen, die ansonsten etwas Anderes hätten erledigen können. Diese Zusatzkosten könnten sich durchaus irgendwann auf die Verbraucherpreise auswirken.“

Kreishandwerkerschaft will Druck auf Bundespolitik erhöhen

Die Kreishandwerkerschaft Hochsauerland will den Druck auf die Bundespolitik erhöhen, damit Handwerksbetriebe von unnötiger Bürokratie entlastet werden. Jochem Hunecke, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, kündigte im Gespräch mit unserer Zeitung an, dass der Zeitaufwand für Bürokratie in Handwerksbetrieben noch genauer zeitlich erfasst werden soll, um dann mit konkretem Datenmaterial an die Bundespolitiker heranzutreten. „Sollte keine hinreichende Entlastung erfolgen, wird der Verbraucher letztlich die Zeche zahlen, weil die Preise für Produkte oder für Dienstleistungen (Stundenlohn) steigen“, so Hunecke.

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Hunecke sprach von „Bürokratie-Wahnsinn“, unter dem die rund 1300 Handwerksbetriebe aus den 29 Innungen im Hochsauerland leiden. Hunecke fordert zum Beispiel, dass die Vorfälligkeitsberechnung der Sozialversicherungsbeiträge entfallen muss. Viel Bürokratie gebe es auch im Arbeitsschutz, der grundsätzlich zu begrüßen sei, aber mittlerweile seltsame Blüten treibe: „Wenn heute ein Dachdeckerbetrieb zu zwei von Sturm gelösten Dachpfannen gerufen wird, muss der Betrieb eine Gefährdungsanalyse für seine vor Ort einzusetzende Mitarbeiter machen“, schüttelt Hunecke den Kopf.

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