Arnsberg. Beim Waffenhandel-Prozess vor dem Landgericht Arnsberg stehen beim Unternehmen Umarex entwendete Waffenteile im Blickpunkt.

Mehr als ein halbes Jahr nach seiner Festnahme steht ein Arnsberger vor dem Landgericht Arnsberg und muss sich wegen dem Waffenteile-Schmuggel aus der Produktion seines damaligen Arbeitgebers Umarex verantworten. Über Jahre hinweg soll er Waffenteile entwendet haben und diese dann zusammengebaut in einen vernetzten Waffenhandel eingebracht haben. Der erste Prozesstag ist um 13.10 Uhr beendet worden, weiter geht es am 25. Oktober.

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Hohe Sicherheitsvorkehrungen

Kein Alltagsgeschäft beim Landgericht: Im Vorfeld waren Polizei, Justizbehörde und Staatsanwaltschaft sensibilisiert und riefen eine erhöhte Sicherheitsstufe aus. Hintergrund: Die insgesamt sechs Angeklagten - große Teile des „Vertriebsnetzes“ der gestohlenen Waffen und Waffenteile sind mit der Verhaftung des Arnsbergers aufgeflogen - stehen möglicherweise am Anfang einer Waffenhandel- und Deliktkette, die in organisierter Kriminalität mit großen Waffenarsenalen mit Pistolen, automatischen Waffen und sogar Handgranaten endet. Tötungsdelikte, Rockerkrieg und Verstrickungen in mehrere Bundesländer wurden im August 2019 mit einer großen Razzia aufgedeckt.

Entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen: Im Gericht sind auffällig viele Justizwachtmeister anwesend, vor dem Gerichtsgebäude ist am Morgen Polizei präsent.

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Diebstahl beim Umarex als Ausgangspunkt

Nun geht es aber um den Anfang der illegalen Handelskette, in der immer wieder die beim Arnsberger Waffenhersteller Umarex gebaute Pistole Walther P22, Kaliber 22, auftaucht. Der 47-jährige Angeklagte aus Arnsberg soll ab Juli 2015 von seinem damaligen Arbeitgeber, dem Waffenhersteller Umarex, Konstruktionszeichnungen und Teile für drei unterschiedliche halbautomatische Pistolen entwendet haben, um diese zu funktionsfähigen Pistolen zusammenzusetzen.

Zu Beginn des Prozesses gegen einen langjährigen Ex-Mitarbeiter des Arnsberger Sportwaffenherstellers Umarex sitzt ein Mitangeklagter (links) neben seinem Anwalt Peter Reinhard im Landgericht.
Zu Beginn des Prozesses gegen einen langjährigen Ex-Mitarbeiter des Arnsberger Sportwaffenherstellers Umarex sitzt ein Mitangeklagter (links) neben seinem Anwalt Peter Reinhard im Landgericht. © dpa | Guido Kirchner

Ab Oktober 2016 soll er zudem 70 Handfeuerwaffen an einen weiteren 27-jährigen Angeklagten aus Menden veräußert haben. Von diesem soll er auch mehrere tausend Patronen sowie unterschiedliche Waffen, auch eine vollautomatische Maschinenpistole erworben haben. Die anderen Angeklagten waren wiederum „Kunden“ des Mendeners - darunter auch drei 26-jährige Männer aus Hagen.

Chronologie der Ermittlungen

2017: Auffällig viele Sicherstellungen von Waffen der Marke Walther, P22, Kaliber 22, in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, NRW, Hamburg und Sachsen-Anhalt. Diese werden ausschließlich bei Umarex produziert.

2018: Tötungsdelikte in Hagen mit Waffen des Kalibers 22. Ermittlungen gegen Rockergruppierungen Bandidos und Freeway Riders. Weitere P22-Sicherstellungen in mehreren Städten - darunter Meschede und Hagen.

2018: Verdachtslage, dass Umarex-Mitarbeiter Waffen oder Waffenteile vor der Endkontrolle und Anbringen von Beschusszeichen und Seriennumern aus Firma entwendet und in Umlauf gebracht hat. Im Spätsommer leiten Staatsanwaltschaft Arnsberg und Kreispolizeibehörde HSK ein Ermittlungsverfahren ein. In Absprache mit Polizei erhöht Umarex die Sicherheitsvorkehrungen.

25.03.19: Ein deutsch-portugiesischer langjähriger Umarex-Beschäftigter fällt auf, als er einen Waffenlauf durch die Sicherheitsschleuse bringen will. Die anschließende Hausdurchsuchung führt zur Auffindung zahlreicher Waffen und Waffenteile. Der Mann räumt ein, schon mindestens seit 2016 Waffenteile entwendet und diese mit seinem Fachwissen zu Hause zusammengebaut zu haben. Umarex kündigt dem Mitarbeiter fristlos.

26.03.19: Dienststelle zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität beim Polizeipräsidium Hagen übernimmt die Ermittlungen.

27.03.19: Ein Deutsch-Kasache (26) aus Menden wird festgenommen. Er hatte Waffen vom Arnsberger gekauft und ihm Munition für Funktionstests besorgt. Er nennt Namen seiner Kunden.

2.04.19: Festnahme eines 54-jährigen Briten aus Dortmund, während dessen Urlaubsreise in der Eifel. Er soll in Unna eine illegale Waffenwerkstatt betrieben haben.

16.04.19: Über ein Scheingeschäft wird ein deutsch-kosovarischer „Kunde“ aus Hagen identifiziert und durch Spezialeinheiten festgenommen. Bei ihm werden zwei scharfe Schusswaffen, darunter eine Walther PK380, sieben Kilo Drogen und 50.000 Euro sichergestellt.

18.4.19: Deutsch-Syrer (25) und Bandidos-Mitglied (26) aus Hagen als „Abnehmer“ festgenommen.

28.08.19: Zwölf Durchsuchungen in Dortmund, Lünen, Radevormwald, Remscheid, Menden, Duisburg und Wilhelmshaven. Sichergestellt werden 15.000 Schuss Munition, fünf Kilo Schwarzpulver, 35 Kurzwaffen, Kurzwaffenteile, 29 Langwaffen, zwei Scharfschützengewehre, zwei vollautomatische Schusswaffen, drei Handgranaten und diverse weitere Waffen.

Prozessauftakt am Donnerstag

Zum Prozessauftakt werden am Vormittag zunächst die Anklageschriften verlesen. War wohl alles ein gutes Geschäft. Der ehemalige Umarex-Mitarbeiter, ein portugiesischstämmiger Mann aus Arnsberg, soll die Pistolen vom Typ P 22 für 250 pro Waffe, später für 350 Euro verkauft haben. Für die PK 380 gab es 500 Euro. Im Zwischenhandel, organisiert vom Mendener Zwischenhändler Dimitri H., stieg der Preis laut Anklage auf 750 bis 800 Euro für die P 22 und 1200 Euro für die PK 380. Der Arnsberger übergab die Waffen bei mehreren Treffen mit dem Mendener – immer am Treffpunkt „Alte Poststation“ in Wickede-Wimbern. Der Weiterverkauf lief dann über den Mendener an die weiteren drei Angeklagten aus Hagen sowie einen Briten aus Dortmund. Schauplatz dabei war stets Menden.

Nach einer Pause wird die Verhandlung kurz fortgesetzt, um dann direkt ins Rechtsgespräch zu gehen. Denkbar, dass es Geständnisse geben wird. „Wir werden wohl nicht um jeden Punkt der Anklage streiten müssen“, glaubt auch Staatsanwalt Thomas Schmelzer. Die Angeklagten hätten sich schon im Vorfeld vielfach geständig gezeigt.

Kurioser Zwischenfall am Rande: Ein Bekannter eines Hagener Angeklagten machte ein Video im Gerichtssaal und postete es in sozialen Netzwerken – das fiel offenbar auf! Der Vorsitzende Richter Daniel Langesberg ermahnte den Mann. Der Hagener Angeklagte A. fand das lustig...

Kurz nach der Mittagspause ist der erste Prozesstag um 13.10 Uhr beendet worden, weiter verhandelt wird am 25. Oktober ab 9 Uhr. Hintergrund ist, dass einer der Angeklagten - der Brite - aus medizinischen Gründen plötzlich der Verhandlung nicht mehr folgen konnte. Er, so heißt es, sei ins Krankenhaus nach Neheim gefahren worden. Fortgesetzt wird die Verhandlung am Freitag nächster Woche (25. Oktober um 9.30 Uhr).

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