Arnsberg/Sundern. . Student aus Bremen entdeckt im Raum Arnsberg/Sundern die zwischen Tradition und Moderne die Motivserie für die Sony World Photography Awards.

Sieben Tagen war Marvin Systermans (26) mit seiner Kamera in Arnsberg und Sundern unterwegs. Im Laufe eines Kooperationsprojekts unserer Zeitung mit der Bremer Hochschule für Künste machte er sich auf die Suche nach den Treffpunkten und Veranstaltungsorten in der Region. Seine Serie „Glaube, Sitte, Heimat“ schaffte es nun unter 227 500 Wettbewerbsbeiträgen auf die Auswahlliste für die Sony World Photography Awards 2017. Nur 17 deutsche Beiträge sind darauf zu finden. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen im Sauerland.

Neue Ansichten gesucht

Zehn Studierende der Hochschule für Künste in Bremen schwärmten im Oktober im Sauerland unter Leitung von Professor Peter Bialobrzeski aus, um sich der Region fotografisch anzunähern.

Im Rahmen des Projekts „#mehralsnurWP“ ging es auch darum neue Ansichten zu finden.

Welchen Blick auf das Sauerland haben Sie durch die Linse gewonnen?

Marvin Systermans: Ich war vor ­allem in Arnsberg und Sundern unterwegs. Ich fand es sehr spannend, dass ich eine Region vorgefunden habe, die sich durch starken Mittelstand, sichtbaren Wohlstand und auch durch Moderne auszeichnet. Ich habe vorher recherchiert und einiges an Lektüre gelesen, doch habe ich das so nicht erwartet. Es war zu spüren, dass dort etwas passiert und auch Neues passiert. Und trotzdem lebt die Tradition weiter. Es ist interessant zu sehen, wie das in dieser Region koexistiert.

WP Fotoprojekt: Marvin Systermans
WP Fotoprojekt: Marvin Systermans © Ted Jones

War Ihr Thema „Versammlungsorte“ in der Region gut umzusetzen?

Systermans: Im Projekt wussten wir vorher ja bereits, worum es grob gehen sollte. Die Idee, etwas über Versammlungsorte zu machen, kam mir spontan erst recht kurz vor dem Projektstart. Ich hatte ein ungefähres Gefühl, wie sich das Projekt entwickeln sollte, bin aber dennoch unvoreingenommen gestartet. Nur so entwickelt sich ein Projekt eigenständig. Es ist wichtig, dafür offen zu sein und sich darauf einzulassen. Nur so entsteht ein frischer Blick auf die Region, der vieles hinterfragt und auch eigene Geschichten entstehen lässt. Es ging bei meiner Arbeit zunehmend um den Dialog zwischen Moderne und Tradition. Das war zwar anders als erwartet, aber trotzdem spannend.

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Was drückt Ihre Bilderserie aus?

Systermans: Eine Serie von rund 15 Bildern ist sicher auch wieder nur ein Ausschnitt des Ganzen. In eine erste Auswahl waren noch über 40 Motive gekommen. Wir haben eine Auswahl getroffen. Ziel ist es, sich irgendwann auf eine Aussage zu fokussieren. In der von uns ausgewählten Serie begegnen uns immer wieder Tradition und Moderne.

Wo lagen die großen Schwierigkeiten beim Projekt?

Systermans: Der Ort und die Region waren sehr dankbar. Der größte Gegner war die Zeit, weil wir ja letztendlich nur sieben Tage vor Ort waren. Man hätte sicher mehr machen können, zumal ich den Anspruch hatte, viele Facetten des Themas zu zeigen. Manchmal sind die Hindernisse aber auch ganz direkt am Menschen: In einem Spielcasino wurde ich von Besuchern am Kartenspieltisch angeknurrt, dass ich mich mit der Kamera verdrücken solle. Auch das gehört dazu. Man muss wissen, dass man nicht alles fotografieren kann. Das liegt in der Natur der Sache.

Marvin Systermans in einer Schützenhalle der Region.
Marvin Systermans in einer Schützenhalle der Region. © Marvin Systermans

Wie haben die Menschen auf die ­Kamera reagiert?

Systermans: Mir ist wichtig, mich mit den Menschen auseinanderzusetzen. Ich war angenehm überrascht, dass ich in der kurzen Zeit so viele Gelegenheiten zum Fotografieren bekommen habe. Ich habe enorme Vertrauensbeweise erlebt, wenn mir zum Beispiel über den Ladentisch der Schlüssel für eine alte Synagoge in Neheim überreicht wurde, um einen Versammlungsort des örtlichen Jägervereins alleine betreten und dort in aller Ruhe fotografieren zu dürfen. Einige Menschen inter­essierten sich für das, was ich tat und stellten Fragen zu dem Projekt. Und manchmal erlebte ich auch Ablehnung, wie eben in dem Spielcasino. Insgesamt wurden mir in Arnsberg und Sundern mehr Türen geöffnet als ich erwartet habe.

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Was ist Ihr Lieblingsmotiv innerhalb der Serie?

Systermans: Großen Spaß hat es mir gemacht, Kegelbahnen zu fotografieren. Diese Kegelbahnen wurden mir immer wieder gezeigt, wenn ich Gast­stätten besuchte und mit den Wirten über die Orte sprach, an denen Menschen zusammenkommen. Da entstand dann irgendwie eine Serie in der Serie, weil es sich einfach wiederholte. Im Nachhinein ist es aber eine Schützenhalle in Sundern mit einer romantisierenden Wandmalerei mit „Glaube, Sitte, Heimat“ und direkt daneben hochmoderne Lautsprecher-Technik, die mich besonders beeindruckte. Da rahmt die Moderne das Traditionelle ein und zelebriert das. Das ist für mich das Bild des Projekts.

Immer wieder fand Marvin Systermans Kegelbahnen als Treffpunkte vor.
Immer wieder fand Marvin Systermans Kegelbahnen als Treffpunkte vor. © Marvin Systermans

Welche Projekte stehen als ­nächstes für Sie an?

Systermans: Mit dem Sauerland-Projekt hat mein Masters-Studium angefangen. Im nächsten Schritt beschäftige ich mich mit dem Ort Bitterfeld in Ostdeutschland. Es geht um das Thema Hoffnung. In diesem Ort, in dem schon zur DDR-Zeiten und auch heute die Chemie-Industrie eine prägende Rolle spielt, hat die AfD außergewöhnlich hohe Zustimmung. Dem versuche ich auf den Grund zu gehen. Zudem geht es für mich noch zu einer Exkursion nach Belfast in Nordirland. Dabei wird sich viel um das Thema Trennung und Spaltung drehen. Das sind neue, spannende Aufgaben. Das Sauerland war ein guter Start.