Brilon. . Die Verzweiflung steht Nazmi und Belina Herceg ins Gesicht geschrieben: Dem Ehepaar droht nach mehr als 21 Jahren in Brilon die Abschiebung in den Kosovo. Bedrückt sitzen sie in ihrer Wohnung und berichten aus ihrem Leben.

„Wir können nicht mehr in Ruhe schlafen und haben jeden Abend Angst, dass wir mitten in der Nacht abgeholt werden. So wie damals unser Sohn Adil, der seine Frau und seine kleine Tochter zurücklassen musste“, erinnert sich der 49-jährige aus dem Kosovo stammende.

"Im Kosovo gibt es für uns keine Zukunft"

„Im Kosovo gibt es keine Zukunft für uns. Wir wissen nicht, wo wir wohnen sollen. Unsere Kinder, Enkel und unsere Freunde leben hier. Und wo sollen wir das Geld für die Medikamente hernehmen, die meine Frau so dringend braucht?“, fragt der 46-jährige Roma. Die 47-jährige Belina leidet an Diabetes, ihr psychischer Zustand ist sehr labil.

Seit 21 Jahren leben die Hercegs ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in Brilon. Eine Unterstützergruppe aus dem Raum Paderborn setzt sich dafür ein, dass das Ehepaar hier wohnen bleiben darf. In einer Pressemitteilung heißt es: „Wird die Familie in den Kosovo bzw. nach Mazedonien abgeschoben, so ist das Ausmaß dieser humanitären Katastrophe vorhersehbar. Die notwendigen Medikamente sind dort unerschwinglich. Ein Haus, in das sie zurückkehren könnten, existiert nicht mehr. Als Angehörige der vom Staat und großen Teilen der Bevölkerung diskriminierten Ethnie sind sie Verfolgung ausgesetzt.“

Abschiebung der Eheleute eine unzumutbare Härte

Das sieht auch ihre Rechtsanwältin Judith Herbe so: „Die Umstände für Roma im Kosovo sind als sehr schwierig anzusehen. Das Ehepaar Herceg hat dort keine Verwandten. Ihnen droht dort Verelendung“, lautet ihre Einschätzung. Sie hat eine Petition an den Landtag verfasst.

Darin heißt es unter anderem: „Vor dem Hintergrund im Kosovo erscheint eine Abschiebung der Eheleute als unzumutbare Härte. Eine Rückkehr wäre mit einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben verbunden.“

Außerdem steht in dem Petitionsschreiben, dass beide in die heimischen Verhältnisse integriert seien, fließend deutsch sprechen und zurzeit selbstständig für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Nazmi Herceg hat inzwischen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, seine Frau arbeitet in Teilzeit.

Bedrückende Umstände in Asylbewerberunterkünften

Die Anwältin räumt allerdings auch ein, dass ihr Mandant in der Vergangenheit straffällig geworden ist. Es gab demnach zwei Körperverletzungsdelikte, zu denen es während seines Aufenthaltes in Asylbewerberunterkünften kam, zuletzt im Jahr 2010. Dabei müsse man aber berücksichtigten, dass die Menschen in diesen Unterkünften auf sehr beengtem Raum und teilweise unter sehr schwierigen, stressenden Umständen leben, sagt Tim Schultz, Mitglied des Unterstützerkreises.

Die Anwältin erklärt dazu: „Die Prognose für ihn ist sehr günstig, zumal mein Mandant seit dreieinhalb Jahren straffrei lebt, eine unbefristete Beschäftigung hat und auch seine Kinder hier in Deutschland leben.“

Sohn Adil im Mai 2012 abgeschoben - Er kann wohl nach Deutschland zurückkehren 

Apropos Kinder: Der 25-jährige Sohn Adil, der im Mai 2012 abgeschoben wurde, kann offenbar wieder nach Deutschland zurückkehren. Im Zuge der Familienzusammenführung könne er, so Nazmi Herceg, bald im Emsland wieder mit Frau und Kind zusammenleben; zuvor müsse er aber nachweisen, dass die Kosten für seine Abschiebung zurückgezahlt würden. Dann leben wieder alle vier inzwischen erwachsenen Kinder und vier Enkelkinder der Hercegs in Deutschland.

Für das Ehepaar Herceg selbst steht die Entscheidung des Petitionsausschusses zurzeit noch aus. Rechtsanwältin Judith Herbe kritisiert, dass die zuständige Ausländerbehörde des HSK die Entscheidung des Petitionsausschusses nicht mehr abwarten will, so dass die Gefahr der Abschiebung sehr akut sei.

Ausländerbehörde des HSK in der Kritik

Auch Kreistagsmitglied Reinhard Loos beschäftigt sich mit dem Fall der Familie Herceg. Er hat sich schon in der Vergangenheit für viele Menschen in ähnlichen Situationen eingesetzt. Er kommt zu der Einschätzung, „dass die Ausländerbehörde des HSK schon in vielen Fällen völlig rücksichtslos vorgegangen“ sei.